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Warum werden Fans immer fordernder?

Immer wieder kommt es dazu, dass Fans Erklärungen für ganz banale Dinge von ihren Idolen fordern – zum Beispiel für das Rauchen einer Zigarette.

Eine Kolumne von Verena Bogner

Kürzlich sorgte ein Video von “Wednesday”-Darstellerin Jenna Ortega für Aufruhr unter ihren Fans. Sie wurde scharf kritisiert – dafür, dass sie einfach nur eine Zigarette rauchte. Ein Videoclip, der sie während ihrer skandalösen Tat zeigt, zählt auf Twitter Millionen von Aufrufen, darunter häufen sich Kommentare von wütenden Fans, die beteuern, ab sofort ihr Fantum niederlegen zu wollen. Aber natürlich auch andere Stimmen, die diese Art der Bevormundung kritisieren, sind unter dem Video zu finden.

Verena Bogner ist freie Journalistin und Autorin und schreibt gerade an ihrem ersten Buch. Sie liebt Mainstream-Popkultur und findet, es gibt keine Guilty Pleasures.

Auch Taylor Swift sah sich in den letzten Wochen der Kritik von Fans ausgesetzt, die sie dazu aufforderten, ihren vermeintlichen Boyfriend Matty Healy abzuschießen, da er immer wieder durch problematische und diskriminierende Äußerungen aufgefallen war. Ihre Fans fühlten sich allein durch die Tatsache, dass sie mit so jemandem zusammen sein könnte, ohne sich von seinen Aussagen zu distanzieren, verletzt. Sie forderten Taylor dazu auf, etwas zu unternehmen. Denn immerhin war sie ihnen das doch schuldig!

Beide Beispiele zeigen eine Entwicklung auf, die sich in letzter Zeit zu verstärken scheint: Fans denken, sie hätten das Recht, in private Entscheidungen ihrer großen Stars miteinbezogen zu werden, und werden immer fordernder. Sie fordern Erklärungen, Verhaltensänderungen, Entschuldigungen.

An dieser Stelle ist natürlich eines wichtig zu betonen: Von berühmten Menschen zu fordern, dass sie schwierige und problematische, übergriffige Verhaltensweisen erklären und ändern, ist natürlich nicht falsch, sondern ganz im Gegenteil in vielen Fällen wichtig, richtig und längst überfällig. Zum Beispiel dann, wenn Menschen zu Schaden kommen und sich nicht mehr sicher fühlen können. Wenn es dabei um das Rauchen einer hundskommunen Zigarette geht, schießen Fans aber vielleicht doch ein wenig übers Ziel hinaus.

Woran könnte dieses zunehmende Fan-Entitlement liegen – oder ist diese Entwicklung überhaupt neu? Laut Hannah Ewens, der Autorin des Buches “Fangirls: Scenes from Modern Music Culture”, hatten Fans immer schon Meinungen zu den Partner*innen ihrer Idole – schon bei den Beatles sei das der Fall gewesen. Und wie so oft tut auch das Internet sein Übriges: Hätten sich Fans früher eher in geschlossenen Foren und auf nischigen Seiten ausgetauscht, passiert Fantum heute in der großen Social-Media-Arena, auf TikTok oder Twitter. Und hier wird extremes Verhalten mit Klicks und Reichweite belohnt, wie wir alle wissen. Vor einigen Jahren wäre ein enttäuschter Post über die rauchende Jenna Ortega vielleicht in einem Forum untergegangen. Heute geht er viral.

Viele Fans nehmen die privaten Fehltritte ihrer Idole persönlich, so als wären sie von einer guten Freundin belogen worden. Dass wir auf Plattformen wie TikTok oft mehr oder weniger private Bilder von eben diesen “guten Freund*innen” zu sehen bekommen, kann es noch schwerer machen, diese parasoziale Beziehung als das zu sehen, was sie ist. Dass Fans emotionale Verbindungen zu Artists oder Schauspieler*innen aufbauen, liegt natürlich in der Natur des Fanseins. Und gerade Stars wie Taylor Swift leben doch von der Idee, dass sie die beste Freundin ihrer Fans seien, greifbar und immer für ihre Fans da. So blauäugig es auch ist, aber man kann es keinem jungen Fan verübeln, zu denken, dass Taylor Swift in ihrer Partnerwahl Rücksicht auf die Bedürfnisse ihrer Fans nehmen würde.

Porträt Taylor Swift

Beth Garrabrant

Spüren Fans plötzlich, dass all das vielleicht Bullshit ist, nicht mehr als ein Narrativ, das dazu da ist, um Einnahmen zu generieren und Fans an eine Marke zu binden, werden sie sauer. Aber auch sie müssen lernen, dass die Millionär*innen, die wir als Stars abkulten, nicht unsere Freund*innen sind. Sondern dass vielmehr wir ihre Kund*innen sind. Ein Fakt, der laut Ewens bei immer mehr Fans einsickert. In den letzten Jahren sei den Menschen bewusster geworden, dass Fantum eine ökonomische Beziehung ist – und das führe bei vielen immer stärker zur Vorstellung, dass Celebrities ihnen für ihr Geld, ihre Liebe und Aufmerksamkeit etwas schulden würden.

FM4 Auf Laut: Fankultur - Zwischen Macht und Ohnmacht

Nicht erst seit der Causa Rammstein gibt es Diskussionen rund um Popstars, die mit Belästigungs- und Missbrauchsvorwürfen konfrontiert sind. Im Spannungsfeld zwischen Stars und ihren Fans kam es immer wieder zu Vorfällen, bei denen offensichtlich Grenzen überschritten worden sind. Superfans himmeln ihre Stars oben auf der Bühne an. Sie selbst stehen unten im Publikumsraum. Das ergibt ein Machtgefälle - das auch ausgenutzt werden kann

Aber was ist ein Star ohne seine, teils zutiefst ergeben - Fans? Seit Beginn der Popkultur in den 1950er & 1960er-Jahren ist Fankultur immerhin ein wichtiger Bestandteil der Musikwelt. Man denke an kreischende Beatles- und Elvis-Fans, die diese Stars erst zu solchen machten. Auch heute ist “Fansein” ein wichtiger - auch Geschäftsfaktor - in der modernen Popwelt. Fans pilgern zu Beyoncé und Harry Styles. Viele Stars, wie Taylor Swift und Yungblud wollen eine wertschätzende, durchaus sehr familiäre Atmosphäre schaffen.

Wo werden aber offensichtlich Grenzen zwischen Stars und Fans überschritten? Wie nahe ist zu nahe - für beide Seiten? Wieso entstehen scheinbar heute noch Systeme, in denen (meist sehr junge) Fans in ausbeuterischen Situationen landen? Ab wann wird es toxisch? Und wie kann eine wertschätzende Fankultur trotz des offensichtlichen Machtgefälles funktionieren? FM4 Auf Laut, Dienstag, 20. Juni 2023, 21 – 22 Uhr auf FM4

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