Sommer, Sand und Tastenträume mit Erobique

Sommeralbumalarm! 25 Jahre mussten Fans auf das zweite Solo-Album des deutschen Tastengurus Carsten Meyer alias Erobique warten. Aber das macht nix, jetzt ist „Erobique No. 2“ ja da.

Von Christian Lehner

„Wir ham‘ alles verkackt“, singt Erobique lakonisch auf der ersten Single seines neuen Albums. Nein, verkackt hat er nix, der Erobique. Das war nicht der Grund, warum Fans 25 Jahre auf ein neues Album warten mussten. Es liegt vielmehr an der Arbeitsweise von Carsten Meyer, wenn er zu Erobique wird – der dampfenden Dance-Maschine mit dem Schnauzbart. Diese Verwandlung findet auf der Bühne statt und dort entstehen viele Songs spontan in der Live-Situation, im Schweiß des Adrenalins, im Angesicht des Publikums. Und wie damit ein ganzes Album füllen? Eben.

Mit seinem Fuhrpark aus vintage Synthesizern und Keyboards bezaubert Erobique Tanzhallen und Strand-Partys mit einer eleganten, sehr erfahrenen und witzigen Mischung aus Disco, Funk und Filmmusik. Der Wahl-Hamburger hat in irrsinnig vielen Musikprojekten seine Finger im Spiel, er ist Illustrator und komponiert auch für Serien wie „Der Tatortreiniger“. Vor 25 Jahren erschien das Debüt „Erosound!“.

Sponti-Hits und Italo-Fantum

Nicht auf den großen Charts-Erfolg schielend fallen dabei immer wieder tolle Hits ab wie etwa Leaving Home (2002) vom gemeinsamen Projekt International Pony mit DJ Koze, Wann Strahlst Du (2009) mit Langzeitkollaborationspartner Jaques Palminger plus Yvon Jansen am Mikrophon oder Urlaub in Italien, das 2016 am Immergut Festival entstanden ist.

Und jetzt „Erobique No. 2“ – so der sparsame und pragmatische Titel des neuen Albums. Obwohl die Live-Hits der letzten Jahre, „Easy Mobeasy“ und „Urlaub in Italien“, nicht mit an Bord sind, haben es wieder zwei Sponti-Songs in die 13 Titel umfassende Tracklist geschafft. Die Lead-Single „Verkackt“ in der Studioversion. Und neben diesem funky Abgesang auf die Boomer-Generation (oder den Fußballverein HSV, Anm.) auch das Stück „Hitsong von uns Beiden“.

Weil Erobique zur Vollendung eines Albums aus logistischen, finanziellen und menschenrechtlichen Gründen das Live-Publikum nicht in sein Heimstudio in Hamburg stopfen kann, hat er für „Erobique No. 2“ so viele befreundete Musiker*innen wie möglich eingeladen. Zu hören sind u.a. die Bläsersätze von Jan Delays Big Band Disco No.1 und die Singstimmen von Sophia Kennedy und Nicola Rost.

Für den durchwegs sonnigen Sound zeichnen – neben Erobique himself – die in Deutschland bestens beleumundeten Produzenten DJ Friction und SiriusMo verantwortlich. Eine hochkarätige Mann- und Frauschaft, die dem Kapitän half, Kurs in Richtung Süden zu nehmen, dort wo sich Erobique am wohlsten fühlt.

Die Songs tragen Titel wie „Italotape“, „Acquamarina“ und „Ahoj“. Die Musik schlägt Wellen zwischen Sixties-Funk, Yacht-Pop und Italo-Disco. Die elektronisch versüßte Harmonika erinnert an bundesrepublikanische Serienmusik aus den späten Siebzigerjahren. Erobique weckt Sehnsüchte und Stimmungen, die man längst im vergilbten Familienurlaubsalbum abgelegt hat. Der Exil-Osnabrücker wirkt dabei aber so agil und motiviert wie ein Bademeister bei der Ahndung von Sportschwimmerbeckenreinsprungsvergehen, oder wie einer, der selbst gern die Bombe macht.

Mit „Ravedave“ bekommt man eine kleine Packung Deichkind-Feel plus (frei interpretierbarem) Seitenhieb gegen die frische Druffi- und Kink-Szene der BRD rund um Acts wie Domiziana und SkiAggu. Auf „Der Arpeggiator“ zelebriert Erobique seine Amore für das Italienische, indem er verschiedenste Musikbegriffe in dieser schönen Sprache durchdekliniert.

„Erobique No. 2“ ist ein perfektes Sommeralbum, das in dieser Hitzesaison in keiner Kühltasche, in keinem Schlauchboot und in keiner mit Handtuch reservierten Sonnenliege fehlen darf - vom Baggersee bis zur Adria, vom Tröpferlbad bis zur Vogeldusche.