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David Riegler/FM4

Avec: Songs gegen Einsamkeit und Dämonen

Songs gegen Einsamkeit und die Dämonen im Kopf. Auf ihrer neue EP klingt die oberösterreichische Sängerin AVEC ehrlich und gibt sich auch textlich ungeschminkt. Statt Poetik spricht sie die Themen mentale Gesundheit und narzisstische Tendenzen klar und deutlich an.

Von Andreas Gstettner-Brugger

Vor acht Jahren hat die oberösterreichische Sängerin Miriam Hufnagl alias Avec das berührende Stück Granny veröffentlicht. Von da an hat sie eine steile Karriere hingelegt. Ein Jahr nach dem Album „Homesick“ hat Avec 2019 den Amadeus Award gewonnen, das letzte Album „Heaven/Hell“ hat viel Lob eingefangen und nach der Pandemie ist Avec von dem britischen Sänger und Songwriter James Blunt auf Europa Tournee eingeladen worden.

Während all dieser Jahre hat die oberösterreichische Musikerin immer wieder mit Depressionen und ihrer mentalen Gesundheit zu kämpfen. Ihre Erfahrungen verarbeitet sie in Songs wie „Under Water“ oder „My Wife The Depression“.

Auch auf ihrer neue EP „I Feel Alone These Days“ reflektiert Avec die Zeit der Einsamkeit während der Pandemie, aber auch Wut und ein politisches Statement sind in den Songs zu finden.

Mit spoken words gegen Einsamkeit

Der Eröffnungs- und Titeltrack „I Feel Alone These Days“ hat eine unglaublich dichte Atmosphäre. Er lebt von Klavier und verhallten Soundflächen, kommt ohne Schlagzeug oder Gitarre aus. Es ist eine gesprochene Erzählung von Avec. Sie reflektiert über die Einsamkeit, die Angst das Leben zu verpassen, die schwarzen Wolken im Kopf und den spiralartigen Gedankenfluss, der sie tiefer ins Dunkel zieht. Es ist eine unglaublich intensive Stimmung, das immer schneller werdende Sprechen verflüchtigt sich gegen Ende zu einem Flüstern, bei dem man ihr tiefes Einatmen immer wieder heraushört.

EP Cover "I Feel Alone These Days" Avec

Avec

Avec: „Es ist das Intro der EP, der Start in die Melancholie. Es war eine schwierige Zeit 2020 und ich habe mich sehr einsam gefühlt. Ich habe den Zusammenhalt vermisst. Jeder war sehr auf sich fokussiert. Obwohl ich nicht allein war, habe ich mich einsam gefühlt. Wie wenn man sich immer selbst im Spiegel ansieht.“

Die Reflektion im Spiegel thematisiert sie auch im Song „Mirrors“. Und Avec schafft dadurch auch einen Spiegel, durch den wir unsere eigene Geschichte widergespiegelt sehen können. Es ist ein Lied in dem sich die Oberösterreicherin damit auseinandersetzt, dass sie und ihre Songs auch als Projektionsfläche für ihr Publikum dienen.

Avec: „Jede Person, die in der Öffentlichkeit steht, hat auch eine Verantwortung. Aber eigentlich schreibe ich die Songs für mich selbst, als Therapie. Und bei ‚Mirror‘ geht es einerseits darum, wie ich mit mir selbst im Inneren umgehe. Und andererseits geht es darum, wie andere mich sehen. Also ich bin dann der Spiegel für sie. Mich hat dieses Fantum auch sehr beschäftigt, wenn man auf ein Podest gehoben wird. Am Ende des Tages sind wir alle einfach Menschen. Das zu betonen war mir wichtig, dass ich mich nicht in die von Fans hochgehobenen Person verliere oder andere sich in mir als Projektionsfläche verlieren.“

Die Wutenergie nutzen und Mauern niederreißen

Wie so oft geht es auch auf der neuen EP von Avec um die Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen. Die Wut und der Zorn wegen einer zu Bruch gegangenen Beziehung hat sie in dem Song „Nothing To Me“ verarbeitet. Ein Song, den man in der Intensität von Avec so noch nicht gehört hat.

Avec: „Da steckt sehr viel Wut drinnen. Und ich finde, Wut hat etwas sehr Bewegendes. Man kommt durch diese starke Emotion in Bewegung. Der so hat einfach raus müssen aus mir und es war richtig gut, dieses Ventil des Songwritings zu haben, um Dampf abzulassen. Manche gehen Boxen, ich schreibe dann halt so einen Song. Und das hat mir in der Verarbeitung der Geschichte geholfen und wenn wir ihn live spielen, dann ist es ein gutes Gefühl der Befreiung.“

Es ist auch ein Song, bei dem Avec ihre Gefühle ungeschminkt zum Ausdruck bringt. Waren viele Texte bisher recht poetisch und die Emotionen damit auch etwas versteckt, bringt die Sängerin ihre Gefühle in den Songs diesmal klar auf den Punkt. So auch bei der Single „Walls“, ein Song mit dem sie versucht, die Barrieren einzureißen, die man sich im Kopf aufgebaut hat. Künstlerisch beeindruckend umgesetzt mit einem spiegelnden Kubus, der im Wald steht. Das Gefängnis im Kopf, wenn man so will.

Avec: „Für mich hat der Song auch eine positive Message. Nämlich, dass man, obwohl man durch Liebe Schmerz erfahren hat, sich nicht unterkriegen lassen soll. Und trotzdem so viel wie es geht zulässt und liebt und auch zulässt, geliebt zu werden.“

Ein Weckruf und der Kampf gegen Dämonen

Ein Song, der sich nicht um die eigene Reflexion dreht, ist „Look Around“. eine energiegeladene Hymne für das füreinander Einstehen. Ein Song für Zusammenhalt und gegen narzisstische Selbsterhöhung, gegen Hasspostings und Negativspiralen auf social media. Ein Weckruf, dass wir die Augen öffnen, um uns gegenseitig mit Wohlwollen anzuschauen und zu erkennen, dass wir in den grundlegenden Hoffnungen und Wünschen doch alle gleich sind. Wir alle wollen geliebt und akzeptiert werden. Dieser musikalische Weckruf wird mit Trompeten und breitem Refrain gefeiert.

Avec: „Der Song ist so eine Art Rage Agains The Machine mäßiger Wake Up Call für meine Verhältnisse. (lacht) Es ist an der Zeit, aufzuwachen. Mich hat die Situation, dass während der Pandemie Menschen nicht mehr aufeinander eingehen wollten, sehr bedrückt und verärgert. Und ich wollte den Glauben in die Menschheit nicht verlieren, deshalb habe ich diesen Song geschrieben.“

Den Abschluss der Songsammlung bildet das ruhige Stück „Ghosts“. Das thematische Herzstück.

Avec live:

  • 14.07.23 Acoustic Lakeside, Sittersdorf (sould ou)
  • 22.07.23 Conrad Som, Dornbirn
  • 12.08.23 Picture on Festival, Bildein (Burgenland)

Avec: „Auf der ganzen EP setze ich mich mit mir, meinem Kopf und meiner Denkweise auseinander. Entstanden sind die Songs nämlich zwischen 2020 und 2022 und da war auch genug Zeit für diese Reflexion. Und es ist einfach oft extrem laut im Kopf. Diese Stimmen, oder eben ghosts, die einem Sachen einreden. Und dann denkt man sich: Hallo, eigentlich bin ich hier Herrin oder Herr meines Körpers und meiner Gedanken. Oft ist es halt nicht so. Ich habe nie so drüber nachgedacht, dass der Song so ruhig geworden ist. Es ist einer meiner Lieblingssongs und er braucht wahrscheinlich das Leise, weil es eben im Kopf oft laut ist.“

Und so entlässt uns Avec mit einer beruhigenden Stimmung, dass wir eben alle Menschen sind, mit ähnlichen Themen und oft vollen Köpfen. Der Genuss dieser Nummern kann uns wieder ein bisschen Freiheit im Kopf und uns weg vom Denken und wieder mehr zum Spüren bringen.

PS: Außerdem hat uns Avec verraten, dass sie schon Songs für das vierte Album schreibt. Für die Aufnahmen wird sie mit ihrer Band wieder in die irische Einöde fahren, um die Lieder dort live einzuspielen. Und sie will sich ausprobieren, neue Wege gehen. Wir sind gespannt.

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