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Fußball-WM der Frauen

Große Sprünge, lange Flüge und emotionale Geschichten

Ob sich die Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen in Australien und Neuseeland in den Fokus der europäischen KonsumentInnen drängen wird, wird primär neben dem Platz entschieden.

Von Birgit Riezinger

Nur sieben Monate ist es her, als Lionel Messi und seine argentinischen Mitspieler in Katar den WM-Pokal stemmten – da geht schon die nächste Fußball-Weltmeisterschaft los. Ja, auch das Turnier der Frauen in Australien und Neuseeland ist in mancherlei Hinsicht diskutabel. Aber: Man darf sich auf das Turnier freuen. Man muss es nicht boykottieren, darf es schauen.

Birgit Riezinger ist freie Sportjournalistin, beschäftigt sich seit vielen Jahren intensiv mit Frauenfußball und schreibt vor allem für das Fußballmagazin Ballesterer. 2022 berichtete sie vor Ort von der EM in England für die Salzburger Nachrichten und die Tiroler Tageszeitung, 2017 aus den Niederlanden für den Standard.

Womit wir bei der ersten Problematik dieses Turniers sind: Australien und Neuseeland liegen am anderen Ende der Welt. Das bringt Zeitverschiebungen von sechs (Perth) bis zehn Stunden (Auckland) mit sich. Die Beginnzeiten der Spiele liegen für das mitteleuropäische Publikum zwischen 2:00 und 14:30 Uhr. Viele der Partien steigen also entweder während der Schlafens- oder der Arbeitszeit.

Aber wenn sich etwas Weltmeisterschaft nennt, dann ist es auch legitim, dass das Turnier auf unterschiedlichen Kontinenten stattfindet. Und: Zumindest Australien ist ein wichtiger Player im Frauenfußball, nicht nur sportlich, sondern auch in Sachen Gleichberechtigung. 2019 erkämpften sich die „Matildas“ die gleiche Bezahlung von ihrem Verband wie ihre männlichen Kollegen.

In Sachen Gleichberechtigung ist viel passiert

Überhaupt hat sich seit der WM 2019 in Frankreich in Sachen Gleichberechtigung einiges getan. Nach langen, zähen, auch vor Gericht ausgetragenen Streitigkeiten mit ihrem Verband erreichten die vierfachen Weltmeisterinnen aus den USA im Vorjahr eine Einigung über gleiche Bezahlung. Auch in anderen Ländern wie Norwegen, Spanien, Schweiz oder England waren entsprechende Initiativen erfolgreich. Was Gehälter bei den Vereinen und Transferablösen angeht, klaffen allerdings noch immer Unterschiede zwischen Männern und Frauen, die viel größer sind als die Distanz zwischen Europa und Australien.

Die WM vor vier Jahren war, das kann man mit Fug und Recht behaupten, die sportlich beste in der noch vergleichsweise jungen Turniergeschichte seit 1991. Sogar FIFA-Präsident Gianni Infantino hat das mitbekommen und schwärmte in Superlativen. Für das aktuelle Turnier kündigte der Schweizer zunächst eine Verdoppelung der Preisgelder von 30 auf 60 Millionen Dollar an. Vor wenigen Wochen wurde der Pot noch einmal erhöht: Die Kickerinnen spielen nun um insgesamt 110 Millionen Dollar (103 Millionen Euro) Preisgeld. Das ist eine beachtliche Steigerung. Bei der WM 2022 in Katar war das Preisgeld für die Männer aber viermal so hoch.

Ziehung der Gruppen

APA/AFP/WILLIAM WEST

Die Prämien müssen diesmal unter 32 teilnehmenden Nationen (statt 24) aufgeteilt werden. Infantino wollte die Aufstockung. Sportlich wird das dem Turnier eher nicht guttun. Große Leistungsunterschiede, wie man sie in Frankreich kaum noch gesehen hat, sind wieder zu erwarten. Etwa wenn Spanien auf Sambia, England auf Haiti oder Frankreich auf Panama trifft.

Zäher TV-Rechteverkauf

Aber mehr Teilnehmerländer bedeuten mehr Spiele, bedeuten mehr Einnahmemöglichkeiten für die FIFA. Sportlicher Wert hin oder her. Gute Einnahmen für seinen Verband hat sich Infantino etwa durch den Verkauf der TV-Rechte erwartet. Laut Wall Street Journal nahm die FIFA hier aber nur 200 Millionen statt der erhofften 300 Millionen US-Dollar ein. Die Verhandlungen mit mehreren TV-Sendern in Europa waren schleppend verlaufen. Erst Mitte Juni gab es eine Einigung. In Österreich übertragt der ORF, trotz Abwesenheit des ÖFB-Teams, alle Spiele – die meisten davon in ORF1.

Gespielt wird das Turnier in insgesamt zehn Austragungsstätten – sechs davon in Australien, vier in Neuseeland. Das Finale, das mit 81.500 Tickets bereits ausverkauft ist, steigt am 20. August im Stadium Australia in Sydney. Diskussionen gab es zuletzt um die großen Distanzen zwischen den Spielorten. So müssen etwa die Däninnen in der Vorrunde gleich zweimal zwischen Perth an der australischen Westküste und Sydney an der Ostküste pendeln. Ein Flug dauert zwischen vier und fünf Stunden. Von einer nachhaltigen WM für das Klima kann also eher nicht gesprochen werden.

Alexandra Popp

APA/AFP/CHRISTOF STACHE

Alexandra Popp

Der Favoritinnen-Kreis ist bei dieser WM wohl so groß wie nie zuvor. Neben den Titelverteidigerinnen aus den USA zählen Europameister England, Deutschland, Frankreich und Spanien zum engeren Kreis der Titelanwärterinnen.

Geschichten neben dem Platz

Ob es die WM, trotz der teilweise frühmorgendlichen Anstoßzeiten schaffen wird, sich in den Fokus von europäischen Medien und Sportfans zu spielen, wird nicht primär an den Spielen liegen. Es wird an den Geschichten liegen, die nebenher erzählt werden. Wenn sich Megan Rapinoe, so wie vor vier Jahren mit dem US-Präsidenten (damals Donald Trump) anlegt, dann ist das ebenso eine Story, wie lautstarke Forderungen nach Gleichberechtigung, nach besserer Bezahlung. Rapinoe wird auch diesmal – bei ihrer letzten Weltmeisterschaft – nicht leise sein. Davon ist auszugehen.

Megan Rapinoe

APA/AFP/Patrick T. Fallon

Megan Rapinoe

Eine andere Geschichte sollte auch im Rahmen des Turniers erzählt werden: In Kooperation mit „Common Goal“ haben US-Spielerinnen rund um Naomi Girma eine Initiative für mentale Gesundheit gegründet, auf die sie während der WM aufmerksam machen wollen. Die Initiative ist eine Reaktion auf den Suizid von Girmas ehemaliger College-Teamkollegin Katie Meyer im März 2022. Am Dienstag postete Girma unter dem Titel „This is for Katie“ einen emotionalen Text über ihre gute Freundin auf „Players Tribune“.

Für Geschichten wie diese sind ungünstige Anstoßzeiten völlig wurscht. Mögen die Spiele beginnen.

FIFA Frauen-Weltmeisterschaft

Die FIFA Frauen-Weltmeisterschaft beginnt am Donnerstag, 20. Juli um 9.00 (MEZ) mit dem Spiel Neuseeland gegen Norwegen. Das Finale geht genau ein Monat später, am 20. August, über die Bühne. Eine Übersicht über alle Spiele, Gruppeneinteilungen und Tabellen gibt’s auf sport.ORF.at.

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