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Warum werden weibliche Fans so gerne als “hysterisch” belächelt?

Minderwertiger Mädchen-Pop für ahnungslose Girlies: Pop-Phänomene, die von Frauen gefeiert werden, werden gerne abgewertet. Dabei sind Fangirls so viel mehr als das, was viele in ihnen sehen.

Eine Kolumne von Verena Bogner

Taylor Swifts “Eras”-Tour sei doch in Wahrheit nicht mehr als der Gipfel des “hysterischen Hyper-Kapitalismus” und ihre Musik ohnehin nicht so spektakulär, wie alle tun. Genauso wie das ausverkaufte Harry-Styles-Konzert in Wien, das nur eine Show für Fangirls war, die sich der “Hyst-Harry-a” (Ja, diese Wortneuschöpfung gibt es wirklich!) eben nicht verwehren konnten.

Formulierungen wie diese liest man in den letzten Wochen und Monaten verstärkt in Kommentaren in den Sozialen Medien, in Foren, in Artikeln aus den Kultur-Ressorts aller möglichen Zeitungen und Magazine. Aber warum eigentlich? Warum scheint es vielen unumgänglich, sich über Mainstream-Pop-Phänomene zu erheben – vor allem dann, wenn diese von Mädchen und Frauen (und natürlich FLINTA) getragen und gefeiert werden?

Als Kulturkritik verpackter Sexismus

Auch wenn das mit Taylor Swift und dem Hyper-Kapitalismus angesichts der US-Ticketpreise stimmen mag, ist der Rest dieser Hot Takes nichts anderes, als als Kulturkritik verpackter Sexismus. Und diese Kombi hat Tradition: Das, was Mädchen und Frauen gefällt, wird nur allzu gern ins Lächerliche gezogen, als “keine echte Kunst” geframed. Und die Fans? Sie sind ohnehin nicht mehr als hormongesteuerte, unreife und “hysterische” Girls, die es nicht besser wissen (oder zumindest nicht so gut wie männliche Fans von “echter Musik”). Oder aber sie sind insgeheim in die feschen Artists verliebt, die sie da auf der Bühne anhimmeln.

Dass Mädchen und junge Frauen ebenso gut informierte, leidenschaftliche Fans mit Verständnis und Faszination für Musik sind – für manche unvorstellbar. Und dass der durchaus problematische Begriff “Hysterie” nach großen Shows von Bruce Springsteen oder anderen Artists, deren Publikum sich eher weniger aus (jungen) Frauen zusammensetzt, in Konzertreviews und Social-Media-Posts selten bis nie zu finden ist, bedarf ohnehin keiner weiteren Erklärung.

“Teenage-Girl-Fans lügen nicht”

Die Abwertung von Fangirls ist ganz grundsätzlich natürlich einfach zu erklären, denn immerhin leben wir in einer Gesellschaft, die weiblich Konnotiertes gerne als minderwertig einordnet. Gegenüber dem “Standard” erklärte die Musik-Soziologin Rosa Reitsamer kürzlich, dass Musikjournalismus weibliche Fans zum Beispiel gerne als “Groupies” abwerte und ihre “Handlungsfähigkeit als Musikfans negiert”. Das passiere unter anderem, weil diese Branche männlich dominiert sei, weshalb die “Abwertung des Musikgeschmacks von Mädchen und jungen Frauen reproduziert” werde.

In den letzten Jahren beschäftigen sich immer mehr Journalist:innen und Autor:innen mit diesem Thema – denn sie haben genug davon, gemeinsam mit anderen Frauen in die Schublade des ahnungslosen Fangirls gesteckt zu werden. So zum Beispiel Hannah Ewens mit ihrem Buch “Fangirls: Scenes from Modern Music Culture”. Darin zollt sie Fan-Bündnissen wie Lady Gagas “Little Monsters” Respekt, interviewt Superfans von Ariana Grande oder Hole – und beleuchtet die extrem wichtige Rolle, die weibliche Fans in der Musikindustrie in Wahrheit einnehmen.

Laut Ewens seien es nämlich meist die Fangirls, die so einige Artists mit ihrem Support über Wasser halten, Merch kaufen, kreative Social-Media-Kampagnen starten, um einen bestimmten Song an die Spitze der Charts zu bringen. Außerdem klärt sie ein für alle Mal, dass diese Fangirls keineswegs oberflächliche, von Hormonen geleitete Fans ohne tiefergehendes Wissen seien. Fangirls sind häufig wandelnde Enzyklopädien, sie kennen die Producer:innen, mit denen ihre Idole zusammenarbeiten, wissen, was jedes einzelne Easter Egg in den Lyrics bedeutet. Die Kritikerin Jessica Hopper brachte diese These in einem Tweet auf den Punkt: “Ersetze das Wort ‘Fangirl’ mit ‘Expertin’ und sieh, was passiert.”

Harry Styles sieht das übrigens genauso (wäre auch traurig, wenn nicht): Gegenüber dem “Rolling Stone” sagte er in einem Interview auf die Frage, ob er sich aufgrund seiner Fanbase nicht Sorgen um seine Glaubwürdigkeit mache: “Wer sagt, dass junge Mädchen, die Pop mögen, einen schlechteren Geschmack haben als ein 30-jähriger Hipster-Typ? Es steht dir nicht zu, das zu sagen. (...) Wie kann man sagen, dass junge Mädchen nichts verstehen? (...) Teenage-Girl-Fans lügen nicht. Wenn sie dich mögen, dann kommen sie. Sie tun nicht so, als wären sie ‘zu cool’ dafür. Sie mögen dich und sie sagen es dir.”

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