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Gewalt darf keine Norm sein

Brutale Gewalt gegen eine junge Frau hat Bulgarien erschüttert. Zehntausende Menschen haben auf der Straße protestiert. Sie fordern strengere Maßnahmen gegen häusliche Gewalt sowie eine durchgehende Justizreform.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

Das Schicksal einer 18-jährigen Frau in einer mittelgroßen Stadt in Bulgarien brachte diese Woche das Land zum Kochen. Aus Eifersucht wurde sie von ihrem Partner zuerst zusammengeschlagen, er hat ihren Kopf kahl rasiert und ihren Körper mit einem Stanley Messer zerschnitten. Um gerettet zu werden, musste sie 400 Mal genäht werden. Die Staatsanwaltschaft und das Gericht der Stadt betrachteten die Wunden der Frau als leichte Körperverletzung und der Gewalttäter wurde auf freiem Fuß angezeigt. Diese Annahme von Gewalt als Norm brachte zehntausenden von Menschen in mehreren Städten zum Protestieren. Man verlangte strengere Maßnahmen gegen häusliche Gewalt sowie eine durchgehende Justizreform. Die Politiker haben Gesetzesänderungen versprochen, Richter hingegen sahen die Unabhängigkeit der Justiz in Gefahr.

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Dieser Fall deutet auf tiefer liegende Probleme in der Gesellschaft hin. Für mehrere Jahre wurde physische Stärke als höchstes Ideal in der bulgarischen Gesellschaft hochgepriesen. Die dunklen Gestalten der Gangster der 1990-er Jahren werden als kultige Figuren gefeiert. Es ist viel wichtiger Muskel zu haben und nicht Bildung. Junge Männer wollen wie die Gangster sein, junge Frauen wie ihre Freundinnen aus Silikon. Jahrelang feiert die gesamte Medienlandschaft physische Stärke und Gewalt. Kultur und Bildung verlieren an Bedeutung. Politiker machen ihre Karriere indem sie sich als Verteidiger der nebulösen „christlichen Werte“ feiern. Die Vorgesetzte der bulgarischen sozialistischen Partei zum Beispiel fährt einen Kreuzzug gegen die sogenannte Istanbul Convention, die Frauen vor häuslichen Gewalt beschützen soll, da sie laut ihr die feindliche „Genderideologie“ durchsetzen will. Einen Schritt weiter gehen die Vertreter der prorussichen Parteien, die offen predigen, dass Gewalt ein Teil der „traditionellen Werte“ sei. Sie fordern Gewalt gegen ihre politischen Gegner und schreien offen antisemitische Parolen.

Leider blüht diese Denkweise nicht nur in Bulgarien auf. Schaut euch um liebe Hörerinnen und Hörer, gibt es solche Sichtweisen auch in eurem Umfeld? Und passt bitte mit Stanley Messern auf.

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Hier kannst du rund um die Uhr anrufen:

  • Frauenhelpline: 0800 222 555
  • Rat auf Draht: 147
  • Telefonseelsorge: 142
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