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Sabir Ansari von der Bundesjugendvertretung zu Besuch bei FM4

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“Das Jugendstaatsekretariat redet an den jungen Menschen vorbei”

Klimakrise, Teuerung, Krieg in der Ukraine - junge Leute wachsen heute in einer Dauerkrise auf. Sabir Ansari von der Bundesjugendvertretung (BJV) erklärt, warum Österreichs Jugendliche von der Politik trotzdem kaum gehört werden.

Von Benjamin Stolz

Sabir Ansari von der Muslimischen Jugend Österreich ist einer von drei Vorsitzenden der Bundesjugendvertretung, einer Interessenvertretung von drei Millionen Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis zum Alter von 30 Jahren in Österreich. Während der Pandemie wurden junge Leute oft hintangestellt, doch auch heute beschäftigt sich die BJV mit genügend Sorgen und Ängsten der jungen Leute im Land. Im Interview zum diesjährigen Tag der Jugend spricht Ansari über Differenzen mit der Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP), die Zusammenarbeit mit dem rechten Ring Freiheitlicher Jugend Österreich und das Problem, von der Politik nicht gehört zu werden.

Benjamin Stolz: Der diesjährige Tag der Jugend findet in einer Zeit statt, die von Kriegen und Krisen bestimmt ist. Wie geht es Österreichs Jugendlichen?

Sabir Ansari: Junge Menschen sind mit vielen verschiedenen Krisen konfrontiert und bekommen die Auswirkungen stark zu spüren. Wir fühlen uns von der Politik nicht gehört und im Stich gelassen. Die Politik hat die Verantwortung, unsere Anliegen und unsere Wünsche zu hören, ernst zu nehmen und endlich zu priorisieren.

66 Prozent der Mädchen und 43 Prozent der Burschen in Österreich haben sich laut der aktuellen HBSC-Studie im vergangenen Schuljahr einsam gefühlt. Wie steht es um die psychische Gesundheit der jungen Leute?

Laut der Ö3-Jugendstudie geht es knapp 30 Prozent der Befragten psychisch schlecht. Die Pandemie mag vielleicht vorbei sein, aber durch die anhaltenden Krisen verbessert sich die psychische Gesundheit von jungen Menschen nicht. Es braucht einen Ausbau der Kassenversorgung für Psychotherapie, eine psychologische Grundbetreuung und mehr Unterstützung an Schulen.

Tut die Politik genug gegen diesen Zustand?

Es gibt gute Ansätze. Die Jugendstaatssekretärin hat das Projekt “Gesund aus der Krise” auf die Beine gestellt. Das ist zu begrüßen, aber es braucht noch viel mehr, um langfristig die psychische Gesundheit von jungen Menschen zu unterstützen.

Österreich hat noch immer kein neues Klimaschutzgesetz. Vor ein paar Wochen wurde auch die österreichische Klimaklage abgewiesen. Jugendliche haben mit Unterstützung der Bundesjugendvertretung versucht, ihre Rechte auf einen Schutz vor den Folgen der Klimakrise einzuklagen. Tut die österreichische Politik genug, um den Klimawandel zu bremsen?

Die österreichische Politik kann definitiv mehr machen, wenn es um die Bekämpfung der Klimakrise geht. Ein Klimaschutzgesetz ist dringend nötig. Junge Menschen zeigen schon seit Jahren, dass mehr getan werden muss. Wir spüren die Auswirkungen der Klimakrise bereits jetzt und brauchen konkrete Maßnahmen.

Was tut die BJV gegen den Klimawandel?

Wir veranstalten jährlich den Klima-Jugendrat, in dem junge Menschen die Möglichkeit haben, ihre Forderungen zum Thema Klima an die Politik weiterzugeben. Die BJV engagiert sich auch beim weltweiten Klimastreik.

Die Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) hat Anfang des Jahres gesagt: “In Österreich müssen wir uns definitiv nicht verstecken, was Maßnahmen für den Klimaschutz betrifft.” Wie sieht das die BJV auch so?

Österreich tut gegen den Klimawandel nicht nichts, aber das heißt nicht, dass man sich ausruhen darf. Vor allem, weil Österreich die Klimaziele nicht erreichen wird.

Ist die aktuelle Jugendstaatssekretärin bei der Frage nach der Klimakrise demnach die richtige Ansprechpartnerin für die Anliegen der BJV?

Grundsätzlich ist es gut, dass es ein Jugendstaatssekretariat gibt, aber bei manchen Zugängen können wir der Jugendstaatssekretärin nichts abgewinnen.

In Österreich sind fast ein Fünftel der 15 bis 24-Jährigen armutsgefährdet. Die Zahl ist in den letzten zwei Jahren gestiegen. Was muss passieren, damit die Situation besser wird?

Helfen könnte mehr Unterstützung, wenn es ums Wohnen geht, bei den Mieten oder bei Lebensmitteln, deren Preise in die Höhe geschossen sind. In manchen Themen scheint es, dass das Jugendstaatssekretariat ein bisschen an der Lebensrealität von vielen jungen Menschen vorbeiredet.

Inwiefern?

Die aktuellen und wichtigen Themen, die die jungen Menschen im Alltag beschäftigen, bekommen nicht den Fokus, den sie verdienen.

Bald beginnt wieder die Schule. In den letzten Jahren waren die Pandemie und die Energiekrise große Herausforderungen für den Schulbetrieb. Wie sieht es in diesem Jahr aus?

Für uns junge Menschen sind die größten Herausforderungen die Teuerung, die Klimakrise und die psychische Gesundheit. Die BJV setzt sich für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung ein.

Gleichzeitig gehört etwa auch der Ring Freiheitlicher Jugend Österreich zu den Mitgliedsorganisationen, der etwa das rechte Narrativ des Bevölkerungsaustauschs bedient oder Migrant:innen auf ihrer Facebook-Seite in den Verdacht stellt die “Messer-Mörder von morgen” zu sein. Wie passt das zusammen?

Die BJV besteht aus verschiedenen Mitgliedsorganisationen, die unterschiedliche Standpunkte vertreten. Die BJV steht für ein diskriminierungsfreies Leben und für Offenheit. Alle politischen Jugendorganisationen sind per Gesetz Teil der BJV. Maßgeblich für die Positionierung zu Themenbereichen ist der gewählte Vorstand.

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