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Fuzzstock Festival 2023

Bernhard Schindler

Festivalradio

Subkultur und Almidylle am Fuzzstock 2023

Das von Fuzzman gegründete Fuzzstock steht für österreichische Subkultur und Alpenidylle. Von Indie und Punk bis zum Männergesangsverein in den Kärntner Bergen.

Von Alexandra Rodriguez-Breña

Das diesjährige Fuzzstock hat einen neuen Standort: Auf der Petzen, einem Bergmassiv in den Kärntner Karawanken, findet das schon legendäre Indie Festival zum 5. Mal statt. Herwig Zamernik alias Fuzzman lädt ein zu einem Festival feinster österreichischer Subkultur mit Acts aus ganz Österreich und Deutschland. Auf 620 Metern Seehöhe treffen sich in den drei Tagen rund 1.800 Musikliebhabende: Bands, Szenemenschen und Festivalcrowd singen, tanzen, chillen auf einem liebevoll angelegten Festivalgelände umringt von Baumwipfeln, Seilbahn und Wanderhütte.

Fuzzman als Musikbürgermeister der zusammenführt

Geht man durch die Menschenmengen vor der Bühne oder beim Pommesstand fällt sofort die familiäre Stimmung auf. Bei den Biertischen sitzen Kärntner Familien mit auf der Bierbank schlafenden Kindern und Mitglieder der Bergwacht neben Punks aus Fürstenfeld und Hipstern aus Wien. Beim Plaudern mit einer Gruppe von Studierenden aus Wien (also mit den Hipstern) sagt einer von ihnen ganz beiläufig zu mir: „Weißt du, der Fuzzman ist einfach so ein bisserl ein Musikbürgermeister. Er ist einfach der Typ der hier alle zusammenführt, er bringt die Freiwillige Feuerwehr und den Gesangsverein zusammen mit den Hipstern aus Wien. Es ist einfach die bunteste Mischung die man sich vorstellen kann.“ Und die Mischung ist auch das, was das Fuzzstock ausmacht.

Herwig Zamernik ist eine einprägsame Persönlichkeit: Am Gelände sieht man ihn gefühlt überall gleichzeitig, immer mit einem großen Lächeln im Gesicht. Er kündigt jeden Act in einer Manier an, die an einen stolzen Papa erinnert - was bei manchen Bands, in denen seine Kinder spielen, auch zutrifft! Man sieht ihn und seine Partnerin, Schauspielerin Jutta Fastian, immer wieder in der ersten Reihe vor den Bühnen stehen, beide Mundwinkel nach oben gezogen und eine glückliche Stimmung ausstrahlend, die einen gleich mitreißt.

Wien - Bleiburg/Pliberk Connection

Der erste Tag am Fuzzstock Festival ist geprägt von einer Aufbruchsstimmung am neuen Festivalstandort. Man merkt, wie das Team dieses kleinen Festivals seit Monaten auf diesen Moment hingeplant hat. Im Backstage-Bereich erzählt mir ein Musiker der Fuzzman Band, wie Herwig wochenlang in der Vorbereitung immer wieder von Wien nach Südkärnten gereist ist, um alles für das Festival zu organisieren und die Menschen vor Ort einzubinden. Wir befinden uns hier in Bleiburg/Pliberk, also einem geschichtlich stark geprägten Ort, in dem die kärntner-slowenische Community einen starken Zusammenhalt lebt. Und hier zählt neben politischem Engagement auch die Herzlichkeit und das Miteinander - und nach ein paar Abenden mit gemeinsamen Bruder- und Schwesterschaftstrinkens mit reichlich Zirbenschnaps haben es Herwig und das Team geschafft, die Community mit ins Boot zu holen. Hier kommt nicht einfach nur eine Gruppe von Musik machenden Personen aus Wien im geschlossenen Kreis runter und feiert ihr Fest, hier kommen alle zusammen - und geben sich richtig viel Mühe, gemeinsam etwas Schönes für alle zu erschaffen.

Culk am Fuzzstock 2023

Bernhard Schindler

Wolkenblitze und Gitarrendonner

Das Line-Up des Fuzzstocks hat es in sich. Nach dem Fassbieranstich - wie es sich gehört für einen ordentlichen Kirtag am Land - spielen neben Newcomeract Lorenz Ambeek und Fun-Punker F.E.I.D.L. auch die Indie-Rocker Culk.

Die Band Culk gibt es schon seit 2017, die vier Musiker:innen rund um „Sophia Blenda“ Star Sophie Löw machen Musik zwischen Post-Punk und Shoegaze und möchten sich aber gleichzeitig auch in keine musikalischen Schubladen stecken lassen - zurecht. Am Freitag haben sie ihre erste Single seit 2020 veröffentlicht: Sie heißt Flutlicht und beweist, dass die vier Rocker:innen auch in ruhigeren Sphären tight sind. Auf dem Fuzzstock Festival haben sie ihre neue Single zum ersten Mal live präsentiert und es war enchanting. Die Setlist führt durch alte und neue Songs, über der Bühne bildet sich in der Ferne eine Wolkendecke mit Wetterleuchten: Blitze blitzen im Takt mit dreckigem Gitarrenschrammel und Scheinwerferlicht - gelb, weiß, rot, blau, alles verwischt und Feuerzeuge leuchten aus der Menge auf, Zigarettenrauch vermischt sich mit dem Dunst der Nebelmaschine - alle sind zufrieden.

Kärntner Männerchor: Indie Version

Das Wetterleuchten in der Nacht tut dem hervorragendem Wetter in Bleiburg/Pliberk zum Glück keinen Abbruch: Es ist heiß. Die Sonne prallt hinunter auf die grünen Wiesen der Skipiste in Sommerpause. Das Fuzzstock ist, wie gesagt, ein Bergfestival und der Fuzzman ist sozusagen ein Bergmensch, Bergfreund, Bergfan. Jedes Jahr gibt es passend zu den Konzerten inmitten der Berge auch eine Wanderung auf einen hinauf. Dieses Jahr führt diese zu „Emmis Mosthütte“ wo die Festivalbesuchenden schließlich auch ein Konzert von Fuzzman himself und seinen „Singing Rebels“ erwartet. Die Band hat nämlich ihr gesamtes Equipment den Berg hinaufgeschleppt, um inmitten der brütenden Mittagssonne ein dreamy Konzert zu spielen, welches bis ins Tal hinunter klingt.

Fuzzman ist dafür bekannt mit Chören zusammenzuarbeiten, so zum Beispiel auch mit dem Wiener Beschwerdechor in der Vergangenheit. Für das diesjährige Fuzzstock auf der Petzen hat er sich etwas Besonderes überlegt: Was wäre ein Kärntner Kirtag ohne einem Kärntner Männerchor? Und diesen stellt hier der Männergesangsverein Petzen. Abwechselnd singen der Chor und Fuzzman Indie Hits und Almweisen, für den Superhit „Für eine Handvoll Gras“ von Fuzzman and the Singing Rebels spielen sie dann schließlich gemeinsam.

Punk im Murmalebau

Neben der Mainstage auf der Skipiste findet sich zwischen Geländeeingang und Essensständen eine weitere Stage: Der Murmalebau besteht aus einem kleinen Bierzelt und einer Stage, das Fassungsvermögen erinnert an punkige, selbst organisierte Gürtellokale in Wien und die Musik ist auch die gleiche: Guter Punk. Hier sieht man Acts, die brandneu und grenzgenial sind - die Band Hase spielt hier ihr erst sechstes Konzert und reißt die Bude komplett ein mit ihrer Version von Alle meine Entchen. Merkt euch diese Band, da wird noch ordentlich was kommen.

Grand Finale mit Nino aus Wien

Ihr merkt, dieser Artikel ist lang. Das diesjährige Fuzzstock hat einfach ein geniales Line Up, mit denen wenige Festivals in Österreich heuer mithalten können. Es fällt schwer, in der Berichterstattung eine Auswahl zu treffen, da ein grandioser Act auf den nächsten folgt.

Während Buntspecht und Anna Mabo den ersten Tag mit einer blumigen Indie Acoustic Mood zum Ausklingen gebracht haben, hat der zweite Abend mit Dives in Indie Gittarenpop-Höhen entführt und dann schließlich in einem Nostalgie-Ausflug geendet: Der Nino aus Wien kann es einfach immer wieder!

Das Grand Finale von Der Nino aus Wien und seiner Band hat es einmal wieder geschafft, das gesamte Publikum mit sich zu reißen. Die Wichtigkeit dieses Musikers für die österreichische Musiklandschaft tut keinen Abbruch: Nicht nur dass Nino Mandl es geschafft hat, deutschsprachigen Pop (ist das Pop?) wieder salonfähig zu machen, er hat es auch geschafft, Lieder zu schreiben, die einen Austro-Pop mäßig alles mitgrölen lassen, aber dann doch wieder komplett anders sind als Austro Pop. Sein Song „Es geht immer um’s Vollenden“ hat schon Kultcharakter und wird einfach niemals schlecht - man kann diesen Song einfach nicht zu oft hören (sonst hätte ich das schon längst geschafft).

Neben neu arrangierten Nino aus Wien Schlagern gab es dann schließlich auch ein besonderes Schmankerl für Fans des gediegenen Wienerliedes: Auf einmal taucht nämlich Vooodoo Jürgens auf der Bühne auf und stimmt mit Nino das Wienerlied „Wean du bist a Taschenfeidl“ an. Die Menge schunkelt, singt und jubelt mit. Spätestens beim Praterlied kann fast die ganze Crowd jedes einzelne Wort mitsingen und ist einfach glücklich. Der Nino ist mittlerweile ein Urgestein in der österreichischen Indie-Landschaft und schafft es, alt-eingesessene Fans (jetzt macht er ja doch schon „a Zeitl lang“ Musik) und junge Teenies mitzureißen. Es fühlt sich an wie Nostalgie und ist doch so aktuell wie nie.

Frühschoppen mit Fritz Ostermayer

Zu jedem Kirtag gehört auch ein Frühschoppen - und diesen veranstaltet mittlerweile traditionsgemäß am Fuzzstock mein lieber FM4 Kollege (und lebende Legende) Fritz Ostermayer. Im Bierzelt liest er seine Texte vor die zwischen fantastischem Realismus, Wolf Haas Schmäh und Schundroman hin und her hüpfen - und dann schafft er das alles auch noch extremst eloquent, witzig und manchmal liebenswürdig diaf rüberzubringen. Zwischen den Texten gibt es immer wieder Lieder, zum Beispiel eine wienerische Version von einem Nick Cave Song oder ein Cover von der grandiosen deutschen Band Die Heiterkeit. Mit seinem „Lied über die Schande“ verspricht er dem Publikum, es von seinen Sünden zu befreien - Blasphemie, wer nicht Fritz Ostermayer als Subkultur-Messias anerkennt. Das Publikum sitzt auf Bierbänken vor ihm im Zelt und am Ende stehen dann doch alle auf für Standing Ovations (und fiktive Oblate). Ein krönender Abschluss für ein durch und durch grandioses Festival. Wir kommen wieder - und ich hoffe, ihr auch!

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