FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Starfield

Bethesda

Tausendundeine Sternennacht

Das langerwartete Open-World-Rollenspiel „Starfield“ ist eine über alle Maßen gewaltige Weltraumoper, die sich in Sachen Atmosphäre ausgerechnet mit ihrer Größe selbst ein Bein stellt. Spaß hat man trotzdem damit.

Von Rainer Sigl

Das Staunen über die Endlosigkeit des Weltraums gehört zur Science-Fiction schon immer dazu. Endlose Sternenmeere, unendliche Weiten, ein Kosmos voller Möglichkeiten - genau das ist auch das Versprechen des Open-World-Rollenspiels „Starfield“. In dem darf ich mich als abenteuerlustiger Entdecker in ein riesiges Stück Games-Weltraum stürzen und dort große, kleine und kleinste Abenteuer erleben; wie das eben so ist in Rollenspielen aus dem Hause Bethesda.

Mit dem grundlegenden Patentrezept der Spiele des Erfolgsstudios, das seit 2021 unter dem Dach des Industrieriesen Microsoft arbeitet, wird nicht gebrochen. Wer „Fallout 4“ und „Skyrim“ kennt und liebt, muss keine völlige Neuausrichtung fürchten. „Starfield“ bietet das, was Fans von Bethesda-Open-World-RPGs zuallererst erwarten: einen wahren Abenteuerberg, in dem meine Entscheidungen zählen und es für Dutzende Stunden immer wieder etwas Neues zu entdecken gibt.

Hauptsache XXXL

Trotz aller bombastischen Marketingübertreibungen, trotz eines Hypes, der das Blaue vom Sternenhimmel versprochen hat, ist das hier nach acht Jahren Entwicklungszeit also nüchtern betrachtet doch nichts anderes als ein „Skyrim“ oder ein „Fallout 4“ im Science-Fiction-Setting - nur dass diesmal statt (sorry, Skyrim-Fans!) ultragenerischer Fantasy oder immer noch recht origineller Retropostapokalypse ein zwar beeindruckend durchdesigntes, aber doch auch ein wenig steriles Space-Cowboy-Setting die Bühne bietet, das mit dem bemühten Begriff „NASA-Punk“ definitiv den „Punk“ vermissen lässt.

„Starfield“ ist damit auf der einen Seite genau so, wie es sich die Fans erwartet haben - nur sogar noch größer und umfangreicher. Auf der anderen Seite tut exakt diese Größe dem Spiel aber keinen Gefallen, denn die bringt eigene Probleme mit sich. Die allermeisten der 1.000 Planeten, die man besuchen kann, sind leblos und mit den immerselben Versatzstücken befüllt, der Riesenberg an Aufträgen besteht zu einem großen Teil aus banalen Fetch-Quests und auch der schon in „Fallout 4“ eingeführte optionale Basenbau samt Crafting- und Sammelelementen ist und bleibt ein Beschäftigungsangebot für Genügsame, die hier hauptsächlich ihre Verweildauer strecken möchten.

Starfield

Bethesda

Das Weltall als Reihe von Kammerspielszenen

Am schlimmsten ist allerdings, dass „Starfield“ die in den Trailern stetig beschworene epische Größe seines Schauplatzes, des Alls, auf eine Art und Weise klein macht, die Kopfschütteln hervorruft. Weil die Welt von „Starfield“ zu riesig ist, um sie wie von anderen Open-World-Spielen gewohnt selbst direkt zu durchqueren, verzichtet das Spiel ganz darauf, dieses Reisen von Schauplatz zu Schauplatz irgendwie erlebbar zu machen.

„Starfield“, entwickelt von Bethesda, vertrieben von Microsoft, auch im Gamepass enthalten, erschienen für Windows und Xbox Series S/X.

Statt Stunden durchs All zu fliegen oder über gewaltige leere Planeten zu wandern, bleibt deshalb als einzig gangbare Alternative die dauernde Schnellreise per Tastendruck. Das ist zwar bequem, aber statt der unendlichen Weite des Alls erlebe ich so meine Weltraumodyssee nur als Klickorgie durch skandalös umständliche Menüs und maximal benutzerunfreundliche Karten - ein echter Atmosphärekiller.

Mein Abenteuer in der Weite des Alls zeigt sich damit in der Spielpraxis als Abfolge von fragmentierten Kammmerspielszenen, in denen Schauplätze mit Lichtjahren Distanz zueinander nur von Ladescreens und Cutscenes getrennt aufeinanderfolgen. Wer das Weltraumfeeling von „Elite Dangerous“ und „No Man’s Sky“ erwartet hatte, wird hier nicht fündig.

Trotzdem: Too big to fail

Dass „Starfield“ trotz dieser Selbstsabotage nach einiger Eingewöhnungszeit irgendwann trotzdem einen großen Reiz entfaltet, liegt an der verschwenderischen erzählerischen Fülle, die nach User-Interface-Ärger und Enttäuschung über die missratene Raumschiffatmosphäre doch noch begeistern kann. „Starfield“ macht mich zum Helden in Geschichten aus 1.001 Sternennacht und bietet - ganz so, wie von Bethesda gewohnt - einen Spielplatz, auf dem man sich wirklich lange beschäftigen kann.

Nur schade, dass das ausufernde Übermaß an Spielmechaniken, Systemen und Inhalt die majestätische Größe des Kosmos nicht besser zur Geltung bringen kann, und schade, dass im Vergleich zum anderen großen Rollenspiel des Sommers, „Baldur’s Gate 3“, auch dieses Übermaß ein letztlich oberflächlicheres Spiel hervorbringt. Zugegeben: eines, das dann doch Spaß macht, weil es schon durch seine Üppigkeit in gewisser Weise „too big to fail“ ist.

„Starfield“ ist ein Sternenmeer, weit wie der Pazifik - mit bedeutend geringerer Tiefe. Seinem Erfolg wird diese Kritik nicht im Weg stehen.

mehr Game:

Aktuell: