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blink-182 Stadthalle Wien 2023

Patrick Münnich

Look to the past and remember and smile

Klappt die Glätteisen zu, blink-182 waren in Wien. Ein paar Gedanken zum gestrigen Abend in der ausverkauften Stadthalle.

Von Lisa Schneider

Über manche Bands redet man den ganzen Sommer lang und weiß eigentlich gar nicht, wieso. Oder doch: Man steht da auf österreichischen Großfestivals und spricht mit Menschen darüber, welche Reunion das alles noch ein bisschen besser salzen würde da oben. Gedankenausflug etwa zu The Red Hot Chili Peppers, auch 2023 hier, im Stadion.

Und dann redet man den ganzen Sommer darüber, was eine gute Festivalband bzw. was eigentlich eine gute Liveband ausmacht, und wieso es dann Menschen wie Mark Hoppus, Tom DeLonge, Travis Barker - gemeinsam mit Unterbrechungen seit 1992 blink-182 - schaffen, dieses Ding, das sich Stadthalle Wien nennt, schon vor Monaten auszuverkaufen. Vergangenen Oktober ist Tom DeLonge zur Band zurückgekehrt, es gab eine neue Single, „Edging“, und right in time für den Auftritt in Wien haben blink-182 am Mittwoch ihr neues Album „One More Time...“ angekündigt, es erscheint am 20. Oktober.

„This is the last time we’re going to fuck this up“, sagt Tom DeLonge im superschön sentimentalen Albumtrailer, als die drei sich gegenseitig ins Wort fallen beim Beteuern, dass diese Band ihr Leben ist. Natürlich ist dieses kommende Album ihr bestes Album, natürlich ist jetzt alles genau da, wo es hingehört. „I wish they told us it shouldn’t take a sickness or airplaines falling out the sky“, hören wir im Trailer kurz im Titelsong zum Album, es geht um Mark Hoppus’ Lymphdrüsenkrebserkrankung und einen Unfall, den Travis Barker mal eben so überstanden hat. Augenöffnermomente, es klingt eh alles ein bisschen cheesy, aber das ist es eben: Leben.

blink-182 Stadthalle Wien 2023

Patrick Münnich

Gestern auf der Bühne also alles gut, alles verblödelt, ein paar sanfte Momente zwischendurch und vor allem die Präpubertätswitze, für die man diese Band lieben, sehr lieben oder auch ein bisschen hassen muss. Natürlich ist mein girlfriend besser als deins, natürlich ist sie schöner, lauter, und meine Männlichkeit nicht in Frage zu stellen. Mit diversen Menschen in Kirchen schlafen, das ist der „toilet humour“, sich immer wieder als „punk kid“ outen, immer laut rausschreien, wer man selbst gern wäre, weil wir leben ja im besten Fall nach dem, was wir uns vornehmen. blink-182 ist eine Großschnauzband, das waren mal drei junge Menschen, die über ihre ersten Jahre sagen: „What you gotta understand about blink-182 is that we didn’t come out of joyous homes. Blink was always a way to force the happiness in the room.“

Und blink-182 haben so viel happiness auf die großen Bühnen gebracht, dass ihnen so mancher Punk das alles abgesprochen hat, im Internet findet man Zeilen wie „mit blink-182 war die Punkrevolution beendet“. Sei’s drum. Vielleicht leben wir genau deshalb in einer guten (Pop-)Zeit, weil wir uns über Dinge wie „Mainstream“ zwar nicht keine, aber wenige Gedanken machen müssen, und das nicht, weil wir alle gute Menschen sind und allen anderen sehr viel Geld und Erfolg gönnen. Sondern weil sich im Musikgeschäft und vielmehr im Nachdenken darüber Dinge verschoben haben. Es geht sich viel mehr aus, auch, wenn man das Wort „Pop“ im blink-182-Interview wohl eher umschiffen sollte. Standing und so, die Kappe trägt Tom DeLonge auch gestern verkehrt am Kopf, 3, 2, 1 und Travis Barker hat sich aus seinem T-Shirt geschält. Es gibt Feuer, durch die Luft segelnde Papierschnipsel, sanft knallende Mini-Feuerwerke und ein aufblasbares Auto, das dann über der Bühne schwebt. Je größer die Bühne, desto größer der Klingelingfaktor.

blink-182 Stadthalle Wien 2023

Patrick Münnich

Eine Band ist immer so gut wie das Alter, in dem man sie kennenlernt. Die Wiener Stadthalle ist gestern voll vor allem mit Menschen, die jung waren, als sie diese Gruppe zum ersten Mal gehört haben. Also genau die Zeit, in der man auf eine befreit gute Art sehr anfällig ist für Untergürtelwitze und Parodien auf alles, was die coolen Leute cool finden. Es war nicht die Frage, ob blink-182 das jetzt ernst meinen mit dem trottelig lieben Boyband-Video zu „All The Small Things“. Es war ein Verstehen derjenigen, die eben nicht zur Fraktion Nick Carter gehören, und da reden wir gern auch einfach mal nur über Oberflächlich- und Äußerlichkeiten. Nacktes Tanzen, knappe Unterhosen, depperte Albumtitel wie „Enema of the State“. Super.

Dann gibt’s da aber gestern im Publikum auch die, die mit dieser Band mitgewachsen sind und dann schließlich die, wenn auch nur eine Handvoll, die viel zu jung für all die Anfangstage waren, die zuerst mal Musik von Willow oder Machine Gun Kelly gehört und über Umwege zurück zum Ausgangspunkt gefunden haben. Travis Barker hat bei beiden Letztgenannten seine (Produktions-)Finger mit im Spiel, gestern Abend ist er laut Tom DeLonge „what emo is“, der Mensch, der dir den Song schneller trommelt als alle anderen, und der, der schließlich auf einer kleinen Hebebühne nochmal über alle Köpfe - inklusive Drumset - nach oben gezogen wird. „blink-182 - better than The Beatles“, natürlich sagen sie das.

blink-182 Stadthalle Wien 2023

Patrick Münnich

Vielleicht war also früher, vor diesen echt schon 30 Jahren, alles ein bisschen mehr schwarz-weiß als heute. Da war vieles blöder, da war vieles einfacher. Es war schon edgy, wenn ein white male dude über Sentimentalitäten gesungen hat. Hier könnte man im nächsten Atemzug die Hochzeiten von MTV anführen, unübertroffene Dinge wie die Serie Jackass, die nur vordergründig sehr belämmert war. Und wer noch tiefer ins Nonsens-Glas greifen will, schreibt hier den Namen der Band Bloodhound Gang hin, oder, schlimmer: filmische Referenzen an „American Pie“. Da waren blink-182 sogar mal kurz vor der Kamera, auch ihr Lied „Mutt“ wird in einer Szene gespielt. Also genau da sind wir drin: Es ist ein sehr oft saublödes, aber es ist ein Spaß- und damit ein Lebensgefühl.

blink-182 Stadthalle Wien 2023

Patrick Münnich

Die Setlist ist beinah nahtlos an das angepasst, was euer aller Streaminganbieter als „This is blink-182“ bezeichnen würde. Wir hören „The Rock Show“ und wir hören „Feeling This“, wir hören „Dumpweed“, „Stay Together For The Kids“, wir hören „I Miss You“ und dann sofort „Adam’s Song“, das letzte Paar ein kleiner Aneinanderreihungs- und die Emotion überfordernder Wahnsinn.

„Edging“, die im Oktober veröffentlichte, erste Single vom kommenden Album ist die einzige neue, die blink-182 gestern Abend spielen. Niemand hat sich beschwert, weil über was auch. Diese Band hat einen Plan, er ist sehr einfach und durchschaubar, er hat ihnen viel Erfolg gebracht, er hat ihnen viele Fans gebracht, er lässt einige Intellektuellennasen zucken, aber nur der vorletzte Aufzählungspunkt hier zählt, weil um was soll es sonst gehen.

Sei mal cool, oder so, vielleicht wäre das eine gute Zeile für das nächste blink-182-Shirt, das aktuell beste hat aber gestern Abend schon ein Besucher in der Stadthalle getragen. „Music for lonely nights“ steht da unter dem Bandnamen, und das ist deshalb schön, weil es nicht wahr ist.

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