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Lena Müller beim Klettern und Radfahren

Johannes Ingrisch

Lena Müller will die Klimadiskussion in der Kletterszene anstoßen

Die deutsche Spitzenkletterin Lena Müller hat mit „Ecopoint-Climbing“ einen neuen Begehungsstil im Klettern eingeführt, mit dem sie aufzeigen will, dass man auch zum Klettern kein Auto braucht.

Von Simon Welebil

Die Klimakrise erfordert viele Verhaltensänderungen von uns, die uns unterschiedlich schwer fallen. Keine Kreuzfahrten zu machen, geht den meisten wohl ohne Probleme von der Hand. Das Auto öfter stehen zu lassen, geht schon bedeutend schwerer. Diese Erfahrung musste auch Lena Müller machen. Die Kletterin und studierte Ökologin hat einiges versucht, um als Einzelperson auf die Klimakrise zu reagieren. Sie hat ihre Ernährung umgestellt, ihren Konsum zurückgefahren. Mobilität war einer der letzten Punkte, bei denen sie etwas verändert hat, auch weil sie das Gefühl hatte, dass es da am schwierigsten werden würde.

Lena Müller beim Klettern und Radfahren

Johannes Ingrisch

Lena Müller

Wie alle anderen Bergsportarten auch ist Klettern eng mit dem Auto verbunden. Zwischen 80 und 90 Prozent der Bergsportler:innen reisen noch immer individuell mit dem PKW zu ihren Bergsportaktivitäten an. Die im Prinzip sehr naturverbundenen Bergsportler:innen haben sich für dieses problematische Mobilitätsverhalten viele Gründe bzw. Ausreden zurechtgelegt: Sei es die schlechte Erreichbarkeit der Klettergebiete mit öffentlichen Verkehrsmitteln, deren mangelnde Frequenz oder das viele Gepäck, dass sie ja zum Fels bringen müssten.

Lena Müller zeigt seit ein paar Jahren auf, dass es aber nicht so sein muss. Für ihre aufsehenerregendste Route, „Prinzip Hoffnung“ in der Bürser Platte in Vorarlberg, zum Beispiel, ist sie über Wochen regelmäßig mit dem Zug von Innsbruck angereist, bis sie sie geschafft hat. Selbst Kletterreisen geht sie mittlerweile mit Öffis an.

Eine ganz eigene Erfahrung

Klettern „by fair means“, wie sie die Anreise mit Öffis und eigener Muskelkraft nennt, sei eine ganz eigene Erfahrung, so Müller: „Wenn ich aufs Fahrrad steige und zum Klettern fahre, in dem Moment geht es los. Ich hocke nicht bloß im Auto und warte, bis es mich ausspuckt. Die Umgebung mitzunehmen, Wind und Wetter ausgesetzt und langsam unterwegs zu sein, hat einfach wahnsinnig viele Vorteile.“

Müller erzählt von einer Kletterreise von Innsbruck nach Arco an den Gardasee, auf dem „wohl bestausgebauten Radweg der Welt“. Wie wohl jede Kletterin und jeder Kletterer aus Tirol und dem süddeutschen Raum ist Lena Müller schon unzählige Male zum Klettern in Arco gewesen, meist mit dem Auto. Mit dem Rad habe sie jetzt ganz neue Ecken kennengelernt, das Gebiet anders „erfahren“, und trotzdem sei alles sehr kommod gewesen, leicht zu erreichen, und auch die Parkplatzsuche hätten sie sich erspart.

Lena Müller beim Klettern und Radfahren

Johannes Ingrisch

Ein Begriff, um die Bewegung zu stärken

Mit dem Rad zum Klettern zu fahren, ist jetzt nichts wirklich Neues, aber es nehme zu, meint Lena Müller und ortet darin sogar eine Bewegung. Um besser darüber sprechen und sich austauschen zu können, und weil sie hoffe, „dass es die Bewegung verstärkt, wenn man dafür Begriffe schafft“, hat sie den Begriff „Ecopoint-Climbing“ eingeführt.

Mit „Ecopoint-Klettern“ erweitert Lena Müller einen Kletterbegriff aus den 1970ern, das „Rotpunkt-Klettern“. Beim Rotpunkt-Klettern ist es darum gegangen, eine Route von unten bis oben in einem Zug zu klettern, also ohne sich ins Sicherungsseil zu setzen oder gar zu stürzen. Bei „Ecopoint-Klettern“ kommt die Anreise zu Fuß, mit dem Rad oder den Öffis noch dazu.

Um den Begriff zu bewerben, hat Lena Müller auf Instagram einen eigenen Account und den Hashtag #ecopointclimbing eingeführt, unter dem Kletterinnen und Kletterer ihre klimafreundlichen Felsabenteuer teilen sollen und sich so auch connecten.

Informationen für Motivierte

Auf der Website ecopointclimbing.com gibt es mehr Informationen zu den jeweiligen Klettertrips - zur Anreise und der bekanntermaßen besonders herausfordernden „letzten Meile“ zum Ziel, aber auch zu Übernachtung et cetera. Auch Tipps und Tricks zur Reiseplanung und verschiedene Öffi-Kletterführer (etwa der von Lena Müller selbst geschriebene „Klimafreundlich Klettern“-Guide für Tirol) sind dort zu finden, damit das Nachmachen leichter möglich wird. Lena Müller ruft die Community außerdem dazu auf, ihre „Ecopoint“-Kletterreisen dort einzusenden und zu veröffentlichen.

Lena Müller möchte andere nicht zum Umsteigen drängen, denn die Motivation solle immer aus den Personen selber kommen. Stelle man aber Informationen bereit, könne etwas Neues auch leichter ausprobiert werden. „Mir geht’s nicht ums Radeln per se beim Klettern, sondern darum, dass wir als Zivilgesellschaft und vor allem auch im Klettersport mal anfangen, uns mit der Klimakrise auseinanderzusetzen, und schauen, was da auf uns zukommt und was man eigentlich selber auch machen kann.“

Bei all den Möglichkeiten, auf die Klimakrise zu reagieren, ist die Reduzierung des persönlichen CO2-Fußabdrucks eine der am wenigsten wirkungsvollen. Das weiß Lena Müller, die gerade im Themenbereich Klimafolgenforschung promoviert, natürlich. Eine Änderung des Verhaltens könne aber in der Community zu Diskussionen über Wissen und Lösungsansätze zur Klimakrise führen und somit auch den ökologischen Handabdruck verändern. Sich politisch zu engagieren, zu den Klimastreiks zu gehen und damit neue Strukturen zu schaffen, weil klimafreundliches Handeln langfristig immer die einfachste und billigste Lösung sein wird, „das ist letztendlich das, wofür wir uns einsetzen müssen, weil wir einer 2-Grad-Welt einfach nicht leben wollen“.

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