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Michaelangelos "Das Jüngste Gericht"

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Mit Akzent

Das Jüngste Gericht

Mein Freund A ist überzeugt, dass der Tag des letzten Gerichts unmittelbar bevorsteht. Wir versuchen ihn zu überreden, dass die Menschheit mindestens zwei Mal in der Vergangenheit auf die Apokalypse gewartet habe – im Jahr 1000 und im Jahr 2000 - aber nichts passiert ist.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

Wir wissen, wie die Menschen im Jahr 1000 auf das Ende der Welt gewartet haben. Wir wissen, dass vor dem Jahr 2000 vorausgesagt wurde, dass Computer verrückt werden würden - und das die Apokalypse auslösen würde. Das Jahr verging, die Computer schienen klüger als die Endzeitpropheten zu sein und alles wurde vergessen.

Nur A vergisst nicht. Er ist resistent gegen das Argument, dass Jahre etwas Relatives sind. Viele scherzen mit ihm, dass die eine Hälfte der Menschheit sterben wird, während die andere weiter auf einen runden Jahreswechsel warten werde. A solle besser nach China ziehen um zu überleben.

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Er lässt sich davon aber wenig beeindrucken. Er fuhr in den Vatikan und schaute sich stundenlang „Das Jüngste Gericht“ von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle an.

Als er zurückkam, war er noch sicherer, dass nichts Gutes auf uns wartet. Er ist aber noch nicht sicher, ob alles mit einer Serie von Anschlägen beginnt (A führt eine Statistik dieser tragischen Vorfälle), mit einem Erdbeben (Erdbeben werden von ihm auch mit Interesse verfolgt) oder mit einer Pandemie (A war sehr von Covid begeistert, und ein bisschen traurig als die Pandemie nachgelassen hat).

A ist so sehr von der Apokalypse besessen, dass er einen Bunker unter seinem Haus gegraben hat, den er ständig mit Proviant füllt. Wenn mal wieder einige seiner gehorteten Lebensmittel ablaufen, veranstaltet er Partys, wo er alle mit Crackern und White Russian mit Kondensmilch versorgt. Wir gehen hin um zu erfahren, wie lange das alles noch dauert. „Wie lange? Bis zum Tag des jüngsten Gerichts!“, sagt er.

Ich bemerke, dass die Skeptiker um A herum immer weniger werden. Nach unserem letzten Treffen habe ich mir auch eine Packung Cracker vom Supermarkt gekauft. Zu Hause fragte ich mich, warum ich das getan habe.

Um nicht ganz wie A zu werden, aß ich die Cracker mit Erdbeermarmelade auf. Es war nicht so schlecht. Nächstes Mal kaufe ich zwei Packungen Cracker und zwei Gläser Marmelade. Für alle Fälle.

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