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Der kanadische Regisseur und Schauspieler Matt Johnson neben Schauspielkollegen in "Blackberry".

Budgie Films Inc.

Auf dem kabellosen Internetsignal in die Zukunft

Mike Lazaridis und Douglas Fregin haben die Welt für immer verändert, weil sie nicht nur Elektrotechniker, sondern Pioniere des Smartphones waren. Der grandiose, weil superlustige Spielfilm „BlackBerry“ von Matt Johnson zeigt ihre Geschichte.

Von Maria Motter

Es waren mal zwei Elektrotechniker mit einer kleinen Firma namens „Research in Motion“ in Kanada, Waterloo, und sie brachten eines der ersten Smartphones in diese Welt, die von da an nie wieder dieselbe sein sollte. Das Smartphone ist das totalitärste Produkt der Geschichte, befand der deutsche Schriftsteller Simon Strauß. Credits, wem Credit gebührt, die Namen Mike Lazaridis und Douglas Fregin hat man vielleicht trotzdem noch nie gehört (von Steve Jobs hingegen sehr wohl, aber das wäre dann auch fast schon das Ende dieser Geschichte).

Das ändert sich mit dem grandiosen, weil superlustigen Film „BlackBerry“. Die Nerds mit einer Holzstaffelei treffen hier auf Investoren mit Pokerfaces. In „BlackBerry“ ist man ab dem ersten Pitch auf ihrer Seite: Der kanadische Regisseur Matt Johnson spielt selbst eine der Hauptrollen und trägt als Doug Fregin ein Stirnband über seinen braunen Locken und zitiert ausschließlich Filme. Die Credits für die T-Shirts mit Filmmotiven füllen im Abspann den Screen. Dougs bester Freund Mike Lazaridis (absolut glaubwürdig: Jay Baruchel) hält es nicht aus, wenn irgendwo ein elektronisches Gerät surrt. Und bald haben die Nerds Doug und Mike auch einen cholerischen Geschäftsmann am Start bzw. an der Backe (Glenn Howerton). Weil der erkennt, was die beiden Freunde 1996 in Händen halten: den Plan für ein Smartphone.

Erst mit Mail, dann ein großer Fail

Wer einen Computer in ein Telefon einbaue, werde die Welt verändern, zitiert Mike Lazaridis seinen Werklehrer. „BlackBerry“ eröffnet mit einem Ausschnitt aus einem Interview mit dem britischen Physiker und Science-Fiction-Autor Arthur C. Clarke, der den Fortschritt der Kommunikationstechnologie vorweg nahm: Die Menschen werden in der nahen Zukunft nicht mehr pendeln, sie werden kommunizieren. Und auch hier drängt sich die Assoziation „Steve Jobs“ auf, diesmal der Film von Danny Boyle, der auch mit Arthur C. Clarke beginnt.

Jay Baruchel als Mike Lazaridis in "Blackberry".

Budgie Films Inc.

Jay Baruchel in „BlackBerry“, Matt Johnson hat für seinen Film ausschließlich Kömodien-erfahrene Hauptdarsteller gecastet.

„BlackBerry“ zeigt die wahre und doch auch so verrückte Geschichte des Triumphs und des Niedergangs dieses Tastatur-Smartphones. Für Politiker, Wall-Street-Broker und Berühmtheiten war es in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts ein Statussymbol. Sie nannten es „Crackberry“, sandten E-Mails „mit BlackBerry®“. Viele mehr wollten es in Händen halten. Das spiegelt ein fröhlicher Footage-Mix nach dem Titel-Insert wider, und später die Überlastung des Netzes und ein Zusammenbruch in einer öffentlichen Telefonzelle. Dieser Film feiert auch die Ironie der Geschichte und inszeniert die gigantische Kluft zwischen Geek Culture und börsennotierten Konzernen.

„BlackBerry“ erzählt von Erfindungsgabe und Gier, von Freundschaft, Verrat und der Steuerbehörde. Selbstverständlich mit einer Charakterzeichnung larger than life - die punktgenaue Programmiererporträts erlaubt, die auf Filmfestivals begeisterten Zwischenapplaus bekommen - und einer entwaffnenden Dynamik.

Kamera und Schnitt befördern einen direkt ins Geschehen, das so manches zwischenmenschliche Dilemma deutlich macht. Dieser Doug und dieser Mike sind zwei konfliktscheue Männer, die in der Geschäftswelt andere werden. „BlackBerry“ macht bei allem Sinn für Unterhaltung nicht den Fehler, in Klamauk zu verfallen. Die Kamera schaut sich im Raum um, manchmal so, als wolle sie sich an jemanden wenden, der nun weiter weiß in einer brenzligen Situation, dann wieder siegessicher dem CO-CEO auf den Flugfeld folgend, als der sich auf dünnes Eis begibt und auch noch die Pittsburgh Penguins kaufen will. Alle sind Freaks, nur wenige sind Geeks.

„BlackBerry“ wurde mit zwei Kameras zugleich gedreht. Die verwendeten Kameralinsen wären dabei denen ähnlich, die bei „National Geographic“-Tierdokus zum Einsatz kommen, sagt Matt Johnson auf der Berlinale. Der kanadische Regisseur und Schauspieler liebt „Fake Documentaries“ - noch mehr Humor und Details. Sein Film feiert die Ästhetik der späten 1990er und 2000er Jahre und er hat Moby, The Strokes und Joy Division im Soundtrack. Dass lange nur ab und an eine Frau ins Bild kommt, ist natürlich Absicht. Am Ende werden die Frauen aufräumen.

Das Drehbuch von „BlackBerry“ basiert auf dem Sachbuch „Losing the Signal: The Untold Story Behind the Extraordinary Rise and Spectacular Fall of Blackberry“ von Jacquie McNish und Sean Silcoff. Aber Matt Johnson hat sich für die Umsetzung genügend künstlerische Freiheit genommen.

Weder Douglas Fregin noch Mike Lazaridis standen für diese Interpretation der Geschichte zur Verfügung. Als ein ehemaliger Mitarbeiter von „Research in Motion“ in einer Filmkritik einzelne Darstellungen der frühen Jahren des Unternehmens auseinandernimmt, ist Johnson von den Erzählungen aber so angetan, dass er ihn bittet, das für die DVD-Edition aufzunehmen.

„‚Good enough‘ is the enemy of humanity“, hält Jay Baruchel als Mike Lazaridis in „Blackberry“ fest, als der CO-CEO erklärt, ein Prototyp müsse nicht perfekt, sondern gerade gut genug sein. „BlackBerry“ von Matt Johnson ist zwei Stunden perfekte Unterhaltung.

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