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Eine inklusive Gesellschaft beginnt mit einer inklusiven Arbeitswelt

Österreichs Kampf um Inklusion von Menschen mit Behinderungen und der Einblick in die Arbeitswelt als Telefonist mit sprachlicher Behinderung.

Von Gersin Livia Paya

Aktuell leben mehr als eine Million Menschen mit Behinderung in Österreich. Fast jede fünfte Person hat eine Behinderung oder eine chronische Krankheit. Behinderungen können vielfältig und verschieden sichtbar sein, hier hört man immer wieder den Begriff „begünstigt behindert“. Damit sind Menschen mit mehr als 50% Behinderung gemeint. Wenn wir also von Menschen mit Behinderung in der Arbeitswelt sprechen, ist meistens von ihnen die Rede. 2021 war die Hälfte der begünstigt Behinderten in Beschäftigung, seit der UN-Konvention 2008 hat die Arbeitslosenquote allerdings zugenommen.

Seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2008 hat Österreich Anstrengungen unternommen, um die Integration von Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt zu fördern. Österreich hat sich damit verpflichtet, die Bestimmungen in nationales Recht umzusetzen. Trotz dieser Bemühungen bleibt die Realität jedoch enttäuschend: Barrieren am Arbeitsplatz halten viele Menschen mit Behinderungen davon ab, angemessene Beschäftigungsmöglichkeiten zu finden.

Eine der Forderungen der UN-Konvention war die Schaffung von Chancengleichheit und Inklusion. Leider zeigt sich ein Rückschritt seit der Unterzeichnung dieser Konvention. Um die Inklusion in den österreichischen Betrieben zu fördern, gibt es eine Beschäftigungspflicht für Betriebe mit mehr als 25 Beschäftigten.

Screenshot von der UN-Behindertenrechtskonvention

Screenshot / UN-Behindertenrechtskonvention

Pro 25 Mitarbeitenden, ist eine Person mit Behinderung anzustellen.

Aus dieser Beschäftigungspflicht können sich Betriebe allerdings freikaufen, je nach Größe des Unternehmens beträgt das maximal 400 Euro. Tatsächlich halten sich nur 1/4 der österreichischen Betriebe an diese Beschäftigungspflicht.

Viele Unternehmen in Österreich zahlen also die Strafen für die Nichterfüllung von Quotenregelungen für Menschen mit Behinderungen, anstatt sich ernsthaft für deren Einstellung zu engagieren. Dies steht im klaren Widerspruch zu den Grundsätzen der Konvention und wirft Fragen zur Umsetzung von politischen Maßnahmen auf.

Die Hürden, denen Menschen mit Behinderungen am Arbeitsplatz gegenüberstehen, sind vielfältig. Mangelnde Barrierefreiheit, Vorurteile und fehlende Anpassungen am Arbeitsplatz sind nur einige Beispiele. Unternehmen zögern oft, notwendige Anpassungen vorzunehmen, sei es in der Arbeitsumgebung oder durch gezielte Unterstützung für Mitarbeiter:innen mit Behinderungen.

„Für mich gibt es kein behindert, nicht-behindert.“

Sebastian, der mit einer Behinderung arbeitet, erzählte von den anfänglichen Herausforderungen, die er am Arbeitsplatz erlebte. „Die ersten Jahre habe ich nur zuhören dürfen. Ich habe zu meiner damalige Chefin gesagt, ich will auch telefonieren, ich will es probieren.“ Bis zu einer richtigen Anstellung als Telefonist hat es noch einige Zeit gedauert. Grund dafür war für seine damalige Chefin seine sprachliche Behinderung. Zwei Teamleiter später ist er in einer Vollzeit-Anstellung als Haupttelefonist tätig.

An einem normalen Arbeitsalltag bei der Allianz Versicherung nimmt er Hunderte von Kundenanrufen entgegen. „Ich telefoniere am Tag 200 Mal mit Kunden, die bei uns anrufen und wirklich etwas wissen wollen“, erzählt er.

Sebastian Gruber

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Sebastian Gruber mit Kollegin Lisa Kreutzer, mit der neuen Dossier Magazin-Ausgabe zum Thema Inklusion am Arbeitsplatz

Sebastian betonte die Bedeutung der Arbeitswelt für Menschen mit Behinderungen: „Arbeiten ist wie eine Ganzkörpertherapie für einen Menschen.“

„Ich will, dass das Thema Behinderung bei Arbeitsplätzen wegfällt. Jede*r Behinderte will arbeiten, egal ob er blind ist, im Rollstuhl sitzt oder nur eine Hand hat.“

Mit dem Titel „Behinderungen am Arbeitsmarkt – Österreichs Irrweg“ hat Sebastian Gruber gemeinsam im Journalist:innen Team von der Redaktion andererseits und der Investigativplattform DOSSIER über ein halbes Jahr zu dem Thema zusammengearbeitet. Das Ergebnis der Recherche ist seit heute online und im neuen gedruckten Magazin.

Sebastian Gruber wünscht sich mehr Arbeit für „Menschen mit Beeinträchtigung“, wie er es lieber nennt. Österreich soll seine Anstrengungen verstärken, um eine inklusive Arbeitsumgebung zu schaffen, die allen Menschen gleiche Chancen bietet. Dazu gehört die Sensibilisierung von Unternehmen, die Förderung von Anpassungen am Arbeitsplatz sowie die Schaffung von Anreizen, die Unternehmen ermutigen, Menschen mit Beeinträchtigungen einzustellen.

Österreich muss dringend Maßnahmen ergreifen, um das Potenzial und die Fähigkeiten von Menschen mit Behinderungen zu erkennen und zu fördern. Denn wahre Fortschritte in Sachen Inklusion zeigen sich nicht durch Strafzahlungen, sondern durch eine echte Veränderung in unserer Arbeitskultur.

FM4 Auf Laut: Einstellungssache - Wie inklusiv ist dein Arbeitsplatz?

Als Mensch mit Behinderung in Österreich einen Job zu finden, ist schwierig. Betroffen sind viele: Jeder und jede Fünfte in Österreich lebt mit einer Behinderung oder chronischen Krankheit, das sind hochgerechnet 1,4 Millionen Menschen. Trotz gesetzlicher Regelungen werden Menschen mit Behinderung in der Arbeitswelt jedoch noch immer vielfach diskriminiert. Sie sind Vorurteilen ausgesetzt, kämpfen mit nicht barrierefrei gestalteten Arbeitsplätzen oder erhalten überhaupt keinen Zugang zum regulären Jobmarkt. Was oft bleibt, ist ein Platz in einer geschützten Werkstätte. Statt Gehalt gibt es nur Taschengeld.

Die UN-Behindertenrechtskonvention hat Österreich 2008 ratifiziert. Doch seither hat die UN grobe Mängel und sogar Rückschritte bei der Umsetzung dieser Bestimmungen festgestellt.

Wie erlebst du Inklusion in deinem Job? Welche Hürden tun sich auf für Kolleg:innen mit Behinderung? Wie kann Inklusion am Arbeitsplatz funktionieren?

Darüber diskutiert Claudia Unterweger in FM4 Auf Laut mit jungen Arbeitnehmer:innen mit und ohne Behinderungen, mit der Personalchefin eines Textil-Discounters, Journalist:innen der Redaktionen andererseits und Dossier und mit der FM4-Community.

Mitdiskutieren am Dienstag, 28.11. ab 21 Uhr!

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