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Weihnachten mit Wanda Stadthalle 2023

Jan Zaslawski

Weihnachten mit Wanda

Froh darüber sein, in einer Stadt zu leben, in der es Wanda gibt: Stadthalle-Weihnachtsshow und überhaupt, diese Band ist ein ganzes Leben.

Von Lisa Schneider

„If only you knew what we know“ schreiben Wanda ein paar Tage vor ihrem gestrigen Wiener Stadthalle-Auftritt auf Instagram, na serwas, wir hätten’s wirklich gern gewusst, aber jetzt sind einige tausend Menschen ein bisschen gscheiter als vorher. „Weihnachten mit Wanda“, das „Begräbnis“ eines eher zachen Jahres, das Feiern von morgen und passend halt auch vom Jahr, das da um die Ecke kommt, das Feiern von Ich-habs-Ausgehalten und von Ich-bin-noch-immer-da.

Weihnachten mit Wanda Stadthalle 2023

Jan Zaslawski

FM4 Musikpodcast: Weihnachten mit Wanda auf FM4

Eine Stunde Zeitverbringen und Reden über Weihnachtssongs und große Konzertmomente. Mit Geschenken und einem ganz besonderen Überraschungsgast. Jetzt im FM4 Player und als extended Version auf sound.orf.at und überall, wo es Podcasts gibt.

Er will gar nicht von Lügen reden, sagt Marco Wanda im großen FM4-Weihnachtspodcast, wenn’s um Christkind, Baum, Geschenke und darum geht, dass man nett zu Leuten ist, zu denen man eigentlich gar nicht nett sein möchte. Es wäre eher ein Einigen auf einen Tag und vor allem die Möglichkeit, später dann, wenn mal erwachsen, Weihnachten immer wieder neu zu denken und zu inszenieren. Beneidet die, die sich losgerissen haben aus ewig mittelalterlichen Traditionen, die Gefühle von Kenn-ich-meine-Familie-überhaupt verbreiten, von Statik und der Rückversetzung an Kindheitsorte, die man längst verdrängt hat.

Beneidet aber natürlich auch die, die das alles so nicht empfinden, die sich Karten für die Weihnachten mit Wanda-Show in der Wiener Stadthalle gekauft haben, um genau das zu feiern: Weihnachten mit Wanda. Man fragt sich ja eigentlich nach überwundener Entzückung nur mehr, wieso das alles nicht schon früher passiert ist. Aber es stimmt und passt schon alles gut so, im Scheißjahr 2023. Am Vorplatz der Wiener Stadthalle steht ein Bus der Wiener Caritas, gesammelt wird für die Winternothilfe, Menschen bringen Sachspenden vorbei, Jacken, Pullis, Schlafsäcke, lange Unterhosen. Geld.

Weihnachten mit Wanda Stadthalle

Katrin Schmirler

Wanda haben heuer live gespielt - unter anderem einen ihrer allerbesten Auftritte überhaupt, am Lido Sounds Festival in Linz - sie haben aber nur wenig Musik veröffentlicht. Vor kurzem ist die Single „Bei niemand anders“ erschienen, eine Hommage an das verstorbene Bandmitglied Christian Hummer, aber auch an und für Marco Wandas Vater. „Und deine Angst vor dem Ende ist so alt wie die Menschheit selbst“ reiht sich ein in viele große Wanda-Zeilen, fast schon so Richtung Erstalbumsatmosphäre, aber damals war die Welt und die Bandwelt noch sehr anders.

Die sanfte Süffisanz von „Schickt mir die Post (schon ins Spital)“ ist abertausende Denkkilometer entfernt vom Status Quo. Das sind Lieder (wir dürfen wohl auf ein ganzes Album wartenhoffen) wie die Tage im Leben, an denen man sich nicht bewegt, aus Angst, etwas umzustoßen, Lieder also, in denen niemand mehr über den Dingen steht, weil Coolness ist nur dann wichtig, wenn man noch nichts erlebt hat.

Weihnachten mit Wanda Stadthalle 2023

Jan Zaslawski

Zur Live-Premiere des neuen Songs wird ein schwarzer Flügel auf die Bühne gerollt, Handys leuchten, Augen auch, am Ende Tränen vielleicht bei Marco Wanda, sicher aber in den ersten Reihen. „Ich will, dass du ewig lebst / und bis dahin sollst du glücklich sein“ ist ein uneinlösbares Versprechen und damit eigentlich die schönste Liebeserklärung. Weh tut’s, natürlich.

Es ist für Wanda der insgesamt siebte Auftritt in der Wiener Stadthalle, auch, wenn der erste „mehr ein Presse-Auftritt in irgendeinem Foyer, ABER Areal Stadthalle!“ war. „Du bist in deiner eigenen Stadt, in deinem eigenen Stadion, und du spielst nur gegen dich selbst. Mit den Leuten kannst du nicht verlieren, in der Stadthalle kannst du nur an dir selbst scheitern“ sagen Wanda ebenfalls im FM4-Interview vorab, fast schon selbstlos weisen sie darauf hin, dass es noch „Resttickets“ geben wird. Ja, aber ehrlich, das Ding war so gut wie voll. Und das zu einer Zeit, in der sehr viele Menschen, die sehr viel Musik von Wanda hören, längst in die Bundesländer zu Mama, Papa, Omaopa ausgeschwärmt sind. Eigentlich weiß die Band das eh, und trotzdem gibt sie eine Nachricht raus an die, die womöglich nach dem Konzert noch nachhause fahren: „Sagt’s: Mama, die Wandas waren ur arg!“

Weihnachten mit Wanda Stadthalle

Katrin Schmirler

Ich lebe! Ja, Christina Stürmer war da.

Die Stadt also, die die eigene ist, und darüber gibt’s von Freund und Fan Nino aus Wien die beste Zeile in dessen neuem, ersten Buch: „Es ist schön in einer Stadt zu leben in der es Wanda gibt“. Und das meint er nicht nur im Sinne von: Super, das sind beste Musikfreunde, mit denen will ich gemeinsam sein und spielen und trinken. Es geht mehr um den Moment, als Wanda aufgetaucht und ihre Bussis in Liedform in die Welt gestreut, als sie damals die Stimmung der Stadt und natürlich der Musikszene verändert haben. Schreib’ mal eben so deine eigene Musiksprache, und zieh‘ das ganz groß auf, wer erfindet neue Dinge in diesem seltsamen Jahrhundert, unter allen die wenigsten.

Und weil Nino immer recht hat, bewahrheitet sich auch gestern Abend eine schöne Sache: Sogar, wenn man kein Mensch (oder nicht mehr der Mensch) ist, der sich in die erste Reihe hineinkuschelt, landet man bei einem Wanda-Konzert auf magische Weise irgendwann doch ganz vorne, alle sternen-high, niemand glaubt hier an die Zeit. Anziehungskraft und Liebe, ah, Amore, ein Publikum, das seltsame Kräfte mobilisiert, das sehr laut, glücklich, verschwitzt und ein bisschen blau ist, was soll’s, wir feiern hier immerhin die Weihnachtsfeier, auf die ihr gern gegangen wärt.

Weihnachten mit Wanda Stadthalle 2023

Jan Zaslawski

Es ist sehr gut, in dieser Wanda-Welt zu leben. Sie haben den Pathos zurück in die deutschsprachige Popmusik geholt, und wer noch immer denkt, das sei kein Kompliment, die/der googelt am besten Mal schnell „Was sind die wirklich schlimmen Dinge, um die wir uns Sorgen machen müssen“. Wanda haben uns die Übertreibung und den Hedonismus zurückgebracht, alles auf Dauer- und somit Endlosschleife. Sie lachen vollhals, sie halten sich im Arm, sie leuchten von innen, Kitsch natürlich auch, und genau deshalb doppelt.

Wer keine Tiefe in den Liedern von Wanda findet, dann wohl nur, weil er, sie noch nicht gesucht hat. Niemand sitzt im Bus und denkt an etwas Besonderes, schon gar nicht an etwas Poetisches, und dann kommt so eine Art von Musik durch die Kopfhörer oder die Lautsprecher, und für einen kurzen Moment wird die Welt wieder engstirnigkeitsbefreit weit. Gute Lieder eben, die nicht alles besser, aber schon alles intensiver machen.

Weihnachten mit Wanda Stadthalle

Katrin Schmirler

Aus Chemnitz angereist: Kraftklub

Was wir also seit gestern Abend wissen: Das erste Wanda-Album bleibt für immer das beste, die Setlist richtet sich dementsprechend zu großen Teilen danach. Wir wissen, dass Wanda sich Livespezialgäste frei nach Belieben hinstellen können, es geht sich aus. Auf einmal ist da Boris Bukowski, von dem sich Marco „in den ersten acht Jahren seiner Karriere“ den zarten Hüftschwung, angedeutet, geborgt hat. Sie singen „Kokain“.

Und dann singen sie tatsächlich „Ich lebe“, nicht mit Boris, aber mit Christina Stürmer, die als zweiter Ehrengast nach oben geht. Das ist schön und es passt auch sehr gut, und dann kommt was, was gar nicht so gut passt und genau deshalb eigentlich super ist: Kraftklub haben ihre Hosenträger, weißen Shirts und zumindest einen Mitgröl-Song in die Wiener Stadthalle gebracht. Wir wissen jetzt also auch, auch bei einem Wanda-Konzert gibt es Moshpits.

Wanda haben vor kurzem ihre 2024-Tour angekündigt, ihr Auftritt auf der Burg Clam etwa ist schon ausverkauft. Vielleicht habt ihr auch tausend Wünsche, obwohl ihr gar nix braucht, vielleicht braucht ihr aber schon was, und vielleicht ein bisschen Wanda. Wir haben gehört, das Christkind nimmt Wunschlisten auch schon fürs nächste Jahr entgegen. In diesem Sinne: „Ja Scheiße, bleibt’s noch ein bisschen bei uns!“

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