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This Bird Must Fly: Brittany Howard von den Alabama Shakes und ihr zweites Soloalbum

Brittany Howard und ihre Band Alabama Shakes waren sensationell. Mit ein paar Grammys unter den Armen verabschiedete sich die Soul-Rock-Band aus dem Süden der USA vor ein paar Jahren. Seither ist Brittany Howard solo unterwegs. Jetzt ist ihr zweites Album da: „What Now“.

Von Eva Umbauer

„I’m just who I am, and just trying to make people feel more comfortable about being who they are and embrace that.“

Brittany Howard spielte schon in der Schule in verschiedenen Bands. Durch ihre ältere Schwester war sie zur Musik gekommen. Jaime war vier Jahre älter und hatte eine Gitarre. Jaime schrieb auch selbst Songs. Ansonsten waren die Schwestern viel draußen, am Land in Alabama, tief unten im Süden der USA, wo ihr Vater einen Schrottplatz betrieb. Die Familie hatte nicht so viel, es gab nicht wirklich Videospiele oder so etwas, um sich die Zeit zu vertreiben. Die Musik kam da gerade recht, wenn Brittany und Jaime nicht gerade mit den Hunden der Familie herumliefen, im Bach spielten und nach Schildkröten und Schlangen suchten. Klingt idyllisch? War es auch irgendwie. Aber dann schlug das Schicksal zu.

Brittany Howard verlor ihre Schwester, als diese erst dreizehn Jahre alt war. Jaime hatte eine Augenkrankheit gehabt, eine seltene Form von Krebs, die dann auch bei Brittany diagnostiziert wurde. Glücklicherweise konnte die jüngere der beiden Howard-Schwestern gerettet werden; dass ein Auge von Brittany beeinträchtigt blieb, war eine Art vernachlässigbarer „Schönheitsfehler“. Brittany lebte, spürte, das Leben ist kostbar; mit der Gitarre ihrer Schwester, die ihre Mutter in einen Kasten geräumt hatte, begann sie dann Musik zu machen. Irgendwann war ihre Band Alabama Shakes geboren, und irgendwann hatte man ein paar Grammys unter den Armen.

This Bird Must Fly

Nach zwei Alben, „Boys & Girls“, 2012 erschienen, und „Sound & Color“ aus 2015, legten Alabama Shakes dann 2018 eine nach wie vor andauernde Pause ein und Brittany Howard baute ihrer Schwester mit ihrem ersten Solo-Album „Jaime“ ein Denkmal. Einer der Songs von „Jaime“ brachte Brittany Howard wieder eine Grammy-Auszeichnung ein.

Howard hatte viel aufzuarbeiten und schrieb dabei unter anderen einen Song namens „Goat Head“, in dem es um rassistische Erfahrungen geht, etwa rund um die Liebesgeschichte ihrer Eltern, einem gemischtrassigen Paar - eine Beziehung, die in Alabama vor vierzig Jahren nicht von allen in ihrer Umgebung gern gesehen wurde. Mit „Jaime“ verarbeitete Brittany Howard auch insgesamt den Tod ihrer für sie so wichtigen älteren Schwester. Nun war sie frei für den nächsten Schritt. This bird must fly. Dieser Vogel musste einfach die Flügel von nun an so richtig ausbreiten. Das neue Album „What Now“ ist das Ergebnis.

Brittany Howard

Bobbi Rich

„What Now“ von Brittany Howard ist bei Universal Music erschienen.

Was nun?

„What Now“ nennt Brittany Howard ihre neue Platte, sie setzt hinter diese beiden so simplen und doch so effektiven Worte aber kein Fragezeichen. Was nun. Brittany Howard scheint zu wissen, was sie wie genau will. Die Pandemie gab ihr dazu erst einmal ein wenig Zeit, dies zu überlegen, oder sogar ziemlich viel Zeit. Brittany baute sich zuhause in Nashville, Tennessee ein Studio.

Nashville ist nicht weit weg von Athens, Alabama, wo Brittany und ihre Band Alabama Shakes herkamen; es sind nur etwa 160 Kilometer, die man von Athens nordwärts fahren muss, um in die Hauptstadt der US-Country-Music zu gelangen. Nashville steht aber nicht nur für Country-Pop, sondern dort leben auch ganz unterschiedliche junge Songwriter:innen, etwa Becca Mancari oder Bully, und auch Stars wie Jack White, The Black Keys oder die Kings Of Leon nennen die Stadt, in der an jeder Ecke Musik zu hören ist, ihr Zuhause.

Freude empfinden

Im Homestudio von Brittany Howard ist dann auch ihre neue Platte entstanden, und weiters dann etwa auch im legendären RCA Studio A in Nashville. Brittany, die nicht nur eine fantastische Sängerin ist, sondern auch Multiinstrumentalistin, hat das Album auch selbst produziert, zusammen mit Shawn Everett, einem gebürtigen Kanadier, dem Brittany Howard seit ihrer Zeit mit den Alabama Shakes vertraut.
Shawn Everett gewann auch einige Grammys, u.a. für seine Arbeit mit Alabama Shakes und The War on Drugs, und war mehrfach nominiert, u.a. für seine Produktionen von Artists wie Perfume Genius oder Adele.
Weiters war Everett schon mit Musiker:innen wie Kacey Musgraves, King Princess, Kim Gordon von Sonic Youth oder den Killers im Tonstudio. Das sind allesamt keine schlechten Referenzen.

Auf der neuen Platte von Brittany Howard ist viel Freude zu hören, und das steht der US-Musikerin richtig gut. Auch wenn es etwa in Liebesdingen nicht immer so rund läuft, wie sich Brittany das wünschen würde. Da ist etwa der Song „Red Flags“, ein sogenannter key track des Albums. Über dieses Stück sagt Brittany Howard, dass sie in ihren vergangenen Beziehungen die Tendenz hatte, rote Flaggen als Teil einer Vorführung nur für sie selbst zu sehen - etwas, durch das sie, wie sie sagt, einfach durchlaufen kann. Für sie klingt „Red Flags“ sehr dystopisch, was Sinn macht für einen Song, der sich anfühlt wie das Ende der Zeit, was ihre emotionale Reifung angeht, so Brittany Howard. Es ist für sie so, als wäre ein großer Turm eingestürzt, und jetzt muss sie etwas Neues kreieren.

Wundertüte

Nach den sehr warmherzigen Singer/Songwriter-Songs vom ersten Soloalbum geht Brittany Howard die Dinge nun praktisch ohne Grenzen an, äußert sich breitgefächert und vielfältig. Da gibt es Psychedelisches, Vintage-R&B, Dream-Pop und Avantgarde-Jazz genauso wie moderne Dancefloor-Stampfer. Mal voller Pracht, mal meditativ: „What Now“ ist eine richtige Wundertüte. Das ist ganz besonders schön, wenn Brittany Howard innehält, wie etwa beim Song „To Be Still“, wo sie singt „I daydream to be a flower in your garden, I daydream you would grow me for one summer, you could plant me in the sun or in the shade, I’d spend all my days reaching towards your rays, for love I’d never have to hunger...“

Früher hatte Brittany Howard viele Jobs, wollte mit dem Musikmachen nie aufhören, und so arbeitete sie etwa bei der Post in Alabama. Wahrscheinlich ist Brittany Howard die bekannteste Ex-Post-Mitarbeiterin der USA. Ihre Story ist eine Art herzerwärmende Aschenputtelgeschichte, die den Glauben an den American Dream aufrechterhält, nämlich dass man alles werden kann, auch wenn man aus bescheidenen Verhältnissen kommt und das Schicksal es nicht immer gut mit einem meint. Brittany Howard ist mit 35 Jahren angekommen, sie ist über sich selbst hinausgewachsen und nun endgültig eine der bedeutendsten zeitgenössischen Musikerinnen aus den Vereinigten Staaten. Wir wollen noch viel hören von dieser unbeugsamen Künstlerin.

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