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MGMT "Loss of life" Album Pressebild, verschwommen

Jonah Freeman

musik

Hauptsache seltsam bleiben: MGMT und ihr 5. Album „Loss of Life“

Abwechslungsreich und selbstbewusst, aber doch auch durchwachsen: Das 5. Album des Psych-Pop-Duos MGMT präsentiert sich herrlich weird, aber mit Überhang in Richtung 80ies-Bombast.

Von Katharina Seidler

Sie hätten alles haben können, und das nicht nur einmal: Da war eine Handvoll Superhits aus dem Debütalbum, dafür auch gleich eine Grammy Nominierung. Da waren prominente Fans wie Paul McCartney oder Lou Reed, der virale TikTok-Hit „Little Dark Age“ und kürzlich hunderttausende neu hinzugekommene Fans, die „Time to pretend“ im Popkultur-Referenzfilm der Stunde „Saltburn“ entdeckt haben.

Und doch haben Andrew Van Wyngarden und Benjamin Goldwasser niemals den einfachsten Weg gewählt. Sie spielen heute nicht in Stadien, sie haben, soweit wir wissen, noch nie für Kanye West produziert, sie haben sogar überhaupt kaum mit anderen Artists zusammengearbeitet. Auch ihr Major Label-Vertrag ist neuerdings Geschichte.

MGMT "Loss of life" Albumcover, schwarzer Hintergrund, davor als Grafik 2 Männer, davon 1 auf einem Pferdchen

MGMT/Mom + Pop

„Loss of life“ von MGMT erscheint am 23.2.2024 via Mom+Pop.

Tatsächlich: Fragt man MGMT nach ihrem größten Erfolg, dann nennen sie die künstlerische Freiheit, die sie sich in 20 Jahren Musikmachen immer bewahrt haben. Und die Tatsache, dass sie immer noch gute Freunde sind. Zum Zoom-Gespräch im Interviewmarathon erscheinen die beiden, wenngleich in unterschiedlichen US-Zeitzonen beheimatet, auf die Sekunde pünktlich, ausgeschlafen, interessiert und extrem freundlich. Wie ist das Wetter in Wien, fragen sie beim Verabschieden, und: Warst du in diesem Jahr auf vielen Weihnachtsmärkten?

Wenn sie wollen, können MGMT immer noch zauberhafte Indie-Hits schreiben. „Mother Nature“ vom neuen Album „Loss of life“ ist so einer; es ist die wahrscheinlich Brit-poppigste Nummer im bisherigen Werk der beiden. Alles an diesen vier Minuten ist warm und herzerwärmend:

You know it’s turbulent from the start
And I understand it’s not your nature
But you need a friend
To take you home

Auch „Bubblegum Dog“ ist ein riesiger Ohrwurm. Die typisch MGMT-mäßige bittersüße Hook-Melodie geht hier Hand in Hand mit fast schon barocken, opulenten Glam-Rock-Arrangements, die wohl auch David Bowie in seiner Ziggy Stardust Phase gefallen hätten. Inhaltlich greift „Bubblegum Dog“ ein Hauptthema des Albums „Loss of life“ auf, nämlich einen offenen Umgang mit Ängsten und Anxieties. Als Gegenmodell und Safe Space setzen die beiden auf Akzeptanz, aber auch auf Liebe und Freundschaft:

„When thе world is born and life is ending
Then you lеarn to love your loss of life
When the morning comes and life is over
Anyone can love, anyone can love"
("Loss of life“)

MGMT nehmen sich also große Themen vor, und dementsprechend pompös geraten die neuen Songs. Wir hören cheesy 80er-Jahre Basslines, Drum Fills und mit “Dancing in Babylon“ eine ganz schön bombastische 80ies-Power-Ballade mit Chris von Christine & The Queens am Gastmikrophon. „Chris hörte erst eine etwas peinliche, frühe Eurodance-Version dieses Tracks, bevor er sich in eine Art Frankenstein-Power-Popsong verwandelt hat“, erzählt Andrew Van Wyngarden dazu im Interview.

Der Grat zur Ironie ist schmal und rutschig, und nicht immer navigieren MGMT trittsicher. Schon in der Vergangenheit haben sie ihre Liebe zu psychedelischem Popsongs bekundet, die man eher Acts wie den Flaming Lips zuschreiben würde. Auf „Loss of life“ treiben Andrew und Ben diese Passion nun auf die Spitze. Fast alles ist bei MGMT 2024 dick aufgetragen, gern auch übertrieben, und voll großer Gesten. So ist es auch nur kaum überraschend, dass der Abschluss- und Titeltrack „Loss of life“ feierliche Fanfaren, Flöten, spaceige Chöre und einen IDM-Beat zusammenbringt. Wir bleiben mit einem verwirrten Grinsen zurück, nach dem Hören eines durchwachsenen, aber sehr abwechslungsreichen, selbstbewussten Albums.

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