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Film Podcast

Schweiß und Sehnsucht

Statt auf Körper-Verzehrung wie in „Bones and All“ setzt Luca Guadagnino wieder auf Körper-Begehrung. In „Challengers“ serviert er auf einem wummsigen Techno-Brett eine flirrende, flimmernde und mitreißende Geschichte um Liebe, Begehren und Tennis. Das ist Kino zum Mittanzen. Und Schweiß ist noch nie so schön von der Leinwand getropft.

Von Pia Reiser

Dieser Text kommt ohne Tennis-Metaphern aus.

Kaum war „Bones and All“ abgedreht, hat Regisseur Luca Guadagnino ein E-Mail an Trent Reznor und Atticus Ross geschrieben, er hätte sie gern auch als Soundtrack-Komponisten für seinen nächsten Film. Es würde ein sexy Film werden. Sexy schrieb er mit zwei „x“, ergänzt Ross hier. Wie Justin Timberlake einst, ist Guadagnino ausgezogen to bring sexy back, in Form von Begehren, Nacktheit und großer Faszination für Körper. Und gerade das durchwegs schon recht prüde Hollywood-Kino braucht dringend Filmemacher wie Guadagnino.

FM4 Filmpodcast: Challengers & Civil War
Am Montag, 29. April widmen sich Christian Fuchs und Pia Reiser in einer neuen Ausgabe des FM4 Film Podcasts „Challengers“ und Alex Garlands „Civil War“.
Am 29.4.2024 um Mitternacht auf FM4 und im FM4 Filmpodcast.

Dass ein Filmemacher, der so an Körpern und an körperlichem Kino interessiert ist, früher oder später an das körperlichste Genre von allen - den Horror - würde anstreifen wollen, war irgendwie klar. Doch weder sein „Suspiria“-Hexentanz noch seine Kannibalen-Coming-of-Age-Ballade „Bones and All“ konnten einen so mitreißen wie seine in Sonne und Sehnsucht getunkten Filme „A Bigger Splash“ und „Call my by your Name“. Sein neuester Film „Challengers“ setzt eher die Erzählhaltung und den Überschwang dieser Filme fort - auch, wenn er im Gegensatz zu den anderen nicht in Italien spielt. Aber wer braucht Italien, wenn man Zendaya, Mike Faist und Josh O’Connor dabei zuschauen kann, wie sie sich verlieben, lieben, entlieben oder sich manchmal in den Grauzonen dazwischen befinden.

Szenenbild "Challengers"

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Die drei sind in „Challengers“ professionelle Tennis-Spieler:innen, die sich als Teenager kennenlernen. Die beiden jungen Männer, die seit Kindheitstagen befreundet sind, verlieben sich beide in Tashi Duncan (Zendaya). Eingerahmt von einem Tennis-Match, bei dem sich Art (Mike Faist) und Patrick (Josh O’Conner) gegenüberstehen, wird in Rückblenden die Geschichte darüber erzählt, wie sich Fäden der Liebe, Sympathie, Antipathie und Rivalität zwischen den Dreien über die Jahre verstricken, entwirren und verknoten. Das Ganze ist aber weitaus weniger Menage-á-trois-ig als der Trailer und der inzwischen berühmte Filmstill, auf dem Tashi, Art und Patrick nebeneinander auf einer Hotel-Bettkante sitzen, einem weismachen wollen. Das ist jetzt kein queer angehauchtes Zärtliche Cousinen im Tennis-Mileu; Guadagnino will nicht nur das Sinnliche, sondern auch die Wucht, den Widerstand, den Schweiß, das Zusammenziehen von Muskeln zeigen, wenn er Körper inszeniert.

Dafür bietet sich natürlich Tennis herrlich an - ein Sport, den Guadagnino an sich nicht sonderlich spannend für Zuseher:innen findet. Für uns inszeniert er aber ein Tennis-Match als pulsierendes Stück Suspense, Sekunden entfernt von einer emotionalen Detonation. Die Spannung, die daraus entsteht, dass sich hier zwei Menschen relativ weit entfernt und durch ein Netz getrennt gegenüberstehen, die sich mal sehr nah waren und die jetzt gerade vielleicht gar nicht mal wissen, wie sie aktuell zueinanderstehen, ist grandios. Und der Score von Reznor und Ross lässt auch einen selbst nicht zur Ruhe komme, wummst und wummert den Film stets voran und taucht immer an Stellen auf, wo man nicht mit ihm gerechnet hätte.

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Spitze natürlich auch, dass sich zurückgehaltene Emotionen - sei es jetzt in Bezug auf verschossene Bälle, vergebene Chancen oder das alte Gespenst namens Eifersucht - dann doch am Tennisplatz entladen und vom Schiedsrichter getadelt werden. Die größtmögliche Gefühlskonfusion, reguliert von Spielregeln und stattfindend in einem - im Gegensatz zu einem Fußballspiel beispielsweise - fast schon künstlich-zivilisierten Setting. Quiet please.

Durch den Kontrast zwischen dem klar von Regeln dominierten Spiel und dem weitaus weniger regulierbaren Gefühlsleben der drei Figuren entstehen herrlich aufgeladene und mitreißende Momente, manchmal holt Guadagnino auch noch den Wind dazu, der alles verbläst, vielleicht auch alten Groll, aber selbst an sich recht banale Naturmetaphern weiß Guadagnino hier zu inszenieren. Als Publikum springen wir auch wie ein Tennisball in der Chronologie der Geschichte hin und her und müssen an der Fülle der Dauerwelle auf Mike Faists Kopf oder an Zendayas Haarlänge ablesen, wo wir uns jetzt grad befinden - aber tatsächlich ist die genaue Sezierung des Plotfadens weitaus weniger spannend als einfach in jeden Moment reinzutauchen und durchgebeutelt zu werden. Weil eine Freundschaft vielleicht am Ende ist, weil es einen Betrug gab, weil eine Liebe sich doch nicht ganz in Verachtung gewandelt hat.

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„Challengers“ startet am 25. April 2024 in den österreichischen Kinos.

„Challengers“ hat eine unglaubliche Energie und Leichtigkeit - eine Leichtigkeit, die ans europäische Kino der 1960er und 1970er Jahre erinnert, das sich herrlich wenig um Drei-Akt-Strukturen oder perfekt schnurrende Plots geschert hat. Auch um klassische Sportfilm-Erzählweisen kümmert sich „Challengers“ nicht, vermutlich könnte man die Sportart auch durch eine andere ersetzen - aber ganz ehrlich, Tennis ist so ziemlich der einzige Sport, bei dem man gut angezogen ist. Und das ist ein nicht unwesentlicher Teil dieser Filmwelt von Guadagnino, in der sich so vieles um Begehren und Sehnsucht dreht. Sexy mit zwei „x“ indeed.

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