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The Killers

Anton Corbjin

What would Elvis do?

Das wüssten The Killers auch gerne. Ihr fünftes Album „Wonderful Wonderful“ bleibt hinter den Erwartungen zurück.

Von Lisa Schneider

Der Spiegel wirft ein Bild von Heimweh zurück, auch ein paar Tränen. Endlich wieder Koffer packen und aufbrechen, zurück nach Hause. „I pack my case / I check my face / I look a little bit older / I look a little bit colder“.

So nur eines der möglichen Szenarien, für die Brandon Flowers seinen ZuhörerInnen die richtigen Worte in den Mund legt. Die größte Gabe von Brandon Flowers ist es nicht, volle Stadien mit dort richtig platzierten Hymnen zu bespielen – auch, wenn er das in der mittlerweile 16-jährigen Bandkarriere von The Killers verinnerlicht hat. Vielmehr liegt sein größtes Talent im Songwriting. Er weiß genau die Balance zwischen der Übermittlung persönlicher Erfahrung und dem universellen Anspruch seiner ZuhörerInnen zu halten. Jeder kann bei Zeilen wie „I don’t shine if you don’t shine“ oder „I got soul but I’m not a soldier“ den Überbringer der Botschaft, wie auch sich selbst ein bisschen besser verstehen.

Im Mittelpunkt steht die Familie

Zumindest galt das für die Alben bis „Day And Age“. Danach, und dafür hat sich sogar Brandon Flowers mehrmals entschuldigt, ging es auf „Battle Born“ in Richtung übertrieben lustloser Publikumsbespaßung. Für das neue Album lehnt sich Brandon Flowers mutig aus dem Fenster: er überschreitet eine Grenze im Songwriting, die ihn bisher zurückgehalten hat. Nicht mehr nur Anthems im und für den Gemeinschaftssinn, sondern sehr private Botschaften schreibt er für „Wonderful Wonderful“ nieder. Mit „motherless child“ wird schon im Opener die Person erwähnt, die im Mittelpunkt des Albums steht: Es ist seine Frau.

Tara Flowers leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung in der Folge von Missbrauch im Kindesalter, darüber spricht ihr Mann Brandon mittlerweile offen in Interviews. Das gemeinsame Leben war nicht immer davon beeinflusst, die beiden haben sich kennengelernt, als sie gerade zwanzig Jahre alt waren. Brandon war schon immer Mormone, so wie seine ganze Familie, Tara, zumindest in religiöser Hinsicht, das Gegenteil. Mittlerweile ist sie ebenfalls konvertiert. Die beiden haben drei Söhne, die auch auf „Wonderful Wonderful“ eine prominente Rolle einnehmen. Es geht nämlich nicht nur um die Depressionen seiner Frau, sondern um deren Auswirkungen auf die Familie und deren Zusammenhalt. „Can’t do this alone / We need you at home / There’s so much to see / We know that you’re strong” singt Brandon Flowers in “Some Kind Of Love” am Ende beklemmend, gemeinsam im Chor mit seinen drei Söhnen. Sidenote: für diesen Song hat sich Brandon Flowers einen langen Traum erfüllt: die (zumindest indirekte) Zusammenarbeit mit Brian Eno

Wenn man über sich selbst lachen kann

Von Brandon Flowers, nicht selten in Machopose im Scheinwerferlicht zu sehen, kann man ja halten, was man will. Dass er dann aber als erste Albumsingle den Song „The Man“ veröffentlicht (erinnert streckenweise sehr an „Voulez Vous“ von ABBA), die ihn als Cowboy in der Wüste Nevada seine ganze, lederbedeckte Männlichkeit zelebrieren lässt, ist aber mehr als nur Gepose.

Hier wird mit Selbstironie gearbeitet. Er habe sich in diesen jungen Mann zurückversetzt, der er einmal war. Der sich selbst für „The Man“ gehalten hat, arrogant und der Meinung, er könne alles schaffen und niemand habe ihm etwas dreinzureden. Und der jenen eine Art negativer Energie entgegenbrachte, die nicht zu seinen Unterstützern zählten. Jugendlicher Leichtsinn, könnte man meinen – Bandkollege Ronnie Vannucci ergänzt: „If you’re playing in a rockband you got the opportunity to prolonge adolescence“. „That’s not me anymore“, sagt Brandon Flowers heute. „I’m quite ashamed I behaved that way“.

„Wonderful Wonderful“ ist natürlich mehr als nur ein Albumtitel, der schön glitzernd von der Bühne leuchtend in die Liveshow eingebaut werden kann. The Killers sind sich bewusst, in ihrem Auftreten im Rampenlicht nicht immer alles richtig gemacht zu haben. Aber an einem Punkt zweifeln sie nicht. „It’s all about ambition. That is what we were, ambitious. Put something out, which makes you feel good, which you feel good about. Ask yourself: Is it good enough?“
Der titelgebende Song des Albums ist auch gleichzeitig die erste Nummer, die Band dreht das normale Schema um und rezensiert sich gleich vorneweg selbst, “We are really in love with that album, and we want everybody to hear it”.

Als das letzte Album der Killers, das erwähnte „Battle Born“ erschienen ist, hat Brandon Flowers schon kurz danach begonnen, am nächsten zu arbeiten, Buße zu tun. Glitzerpop und Diskofunk, aber nicht wie auf „Day And Age“ charmant in gute Songs wie „Human“ verpackt, sondern in einer laschen, unaufgeregten Art und Weise. „Wonderful Wonderful“ will zurück an den Anfang, und lässt erstmals langjährige Killers-Inspirationen hören, die so direkt noch nie an die Oberfläche gedrungen sind, etwa David Bowie oder Talking Heads. Die frisch geölte Lederjacke quietscht, Brandon Flowers in seiner eigenen Elvis-Interpretation, fast, ja fast hätte auch das neue Album so geheißen. What would Elvis do?

The Killers

Anton Corbjin

Leider, der Kern fehlt

The Killers haben sich seit dem Erfolg ihrer ersten beiden Alben als Stadionband inszeniert. Schon früh behauptet Brandon Flowers, er will das „amerikanische Equivalent zu U2“ werden. Bono ist mittlerweile nicht mehr Konkurrent, sondern Songtextflüsterer, der schnell mal aus der Betreffzeile eines Emails von Brandon an ihn selbst einen Songtitel namens „Have All The Songs Been Written?“ macht. Die Liste an Querverweisen und Zitaten liest sich fantastisch, aber auch surreal: „Went back-to-back with Springsteen / you turned and rolled your eyes / So I told you about McCartney / That’s a heavy name to drop“. Brandon Flowers knows them all: von einer Silvester-Gala gemeinsam mit dem Ex-Beatle gesungen bis zu Auftritten mit dem Boss. Alles schon erledigt, was bleibt da noch offen?

Eine Hand hält eine Große Muschel in die Höhe, Plattencover

Island Universal

Das fünfte Album der Killers „Wonderful Wonderful“ erscheint via Island (Universal).

THE KILLERS LIVE

Alle Infos hier.

Brandon Flowers mormonischer Glaube steht im Gegensatz zur Promi-Dichte im Dunstkreis des neuen Albums. Er spielt für das Killer’sche Songwriting eine nicht zu unterschätzende Rolle, und ist im Laufe der Jahre und Alben immer wichtiger geworden. Auch wenn sie vielleicht ähnlich ernst gemeint waren, haben sich Zeilen wie „They say the devil’s water it ain’t so sweet / You don’t have to drink right now / But you can dip your feet / every once in a little while“ (When You Were Young) 2007 lockerer angefühlt, als die Bibelzitate, die Woody Harrelson auf dem neuen Albm am Beginn von „The Calling“ einliest. Es sind Zeilen aus dem Matthäus-Evangelium, Song und Zitat inspiriert von Caravaggios Bild „Berufung des Heiligen Matthäus“.

Eine Stadionband, das wollen The Killers weiterhin sein. Früher haben sie dazu passende Songs geschrieben. Trotz der sehr intimen Einblicke in das Leben von Brandon Flowers fehlen auf „Wonderful Wonderful“ die großen Refrains, die großen Melodien, die große Geste. Und auch wenn ihm sein Mut zur Offenheit hoch anzurechnen ist, rettet diese nicht die Musik, nicht die Band. Im traurigen Umkehrschluss wirkt das dann fast so, als hätten die Killers schon alle Register gezogen, die möglich sind.

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