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In einer Schule in Wien

Radio FM4 / Elisabeth Scharang

FM4 Field Recordings: Im Konferenzzimmer

Alle reden über Schule und Bildung, aber selten fragt jemand die Lehrpersonen, die jeden Tag in den Klassen stehen und unterrichten, wie es ihnen in ihrem Job geht. Ich war für die Field Recordings einen Vormittag lang an einem Gymnasium im 10.Bezirk in Wien Favoriten und wollte wissen, was Lehrer:innen brauchen, um ihren Job gut zu machen.

Von Elisabeth Scharang

Es ist 7 Uhr 15 in der Früh und im Bundesrealgymnasium in der Pichelmayergasse in Favoriten ist es noch ganz ruhig. Der Schulwart ist da, das Sekretariat ist besetzt und ich treffe gleich Alexander Kandel, der vor drei Jahren die Schulleitung übernommen hat.

Das letzte Mal als ich hier an der Schule war, hat mir der damalige Direktor Hausverbot erteilt. Als ich kurz nach der Matura zu studieren begonnen habe, wurde in den Hörsälen nicht unterrichtet, sondern über den Sparkurs an den Unis und Schule diskutiert. Über Wochen wurden die Unis von Studierenden bestreikt und die, die frisch aus der Schule kamen, gingen dorthin zurück, um auch die Schüler:innen für den Streikt zu mobilisieren. Und so war die Aula in der Pichelmayergasse voll mit Schüler:innen und der Direktor in Rage, dass gegen seinen Willen eine Versammlung abgehalten wurde. Das war das letzte Mal, dass ich in meiner ehemaligen Schule war.

In einer Schule in Wien

Radio FM4 / Elisabeth Scharang

Schulleiter Alexander Kandl

Über die Autonomie der Lehrer:innen

Auf meine Anfrage, dass ich für die FM4 Field Recordings gerne mit Lehrpersonen über ihre Arbeit reden möchte, hat Alexander Kandel innerhalb kurzer Zeit zurückgeschrieben, es hätte sich eine ganze Reihe von Lehrer:innen bereit erklärt. Und so stehe ich jetzt in aller Früh in meiner ehemaligen Schule und warte vergeblich darauf, dass die Schulglocke die erste Stunde einläutet. Denn die wurde abgeschafft. Es sei viel stressfreier, wenn Schüler:innen und Lehrer:innen ohne die laute Pausenglocke durch den Unterrichtsalltag kommen, sagt Direktor Alexander Kandl.

Es hat sich abgesehen davon auch sonst viel verändert in den letzten 20 Jahren; zum Beispiel was die Autonomie der Schulen und Lehrpersonen betrifft, wenn es darum geht, wie sie den Unterricht gestalten. „Die Unterrichtsmethode ist ganz allein Sache der Lehrpersonen. Frontalunterricht funktioniert immer noch, aber es gibt viele andere Möglichkeiten, den Stoff zu vermitteln und das ist letztlich immer vom Charakter der jeweiligen Lehrer:in abhängig, was ihnen liegt und wie sie den Unterricht gestalten.“ Wir sind beim Biologiekammerl angekommen, wo Alexandra Gruber schon auf mich wartet.

In einer Schule in Wien

Radio FM4 / Elisabeth Scharang

Biolehrerin Alexandra Gruber

Alexandra Gruber hat im Bereich Zellbiologie geforscht und an der Uni Innsbruck an der medizinischen Fakultät ihr Doktorat gemacht. Aber aus der Karriere in der Grundlagenforschung ist nichts geworden. Heute unterrichtet sie an der Pichelmayergasse Biologie. „Als ich nach der Matura endlich aus der Schule draußen war, hab ich mir gedacht, dass ich nie mehr in die Schule zurück komme, aber jetzt bin ich froh, dass ich diese Chance als Quereinsteigerin bekommen habe“, erzählt sie.

Wie ist das in den ersten Wochen, wenn man vor einer Klasse steht? „Aus der Forschungen weiß man, du kannst die Jugendlichen einmal wegen etwas zusammenpfeifen, aber beim zweiten Mal geht das da rein und dort wieder raus. Mein Motto ist: Ich will mit Respekt behandelt werden und so behandle ich andere auch. Aber wenn mir jemand aus der Oberstufe auf die Zehen tritt, steig ich ihnen auch auf die Zehen, da lasse ich keinen Konflikt anbrennen.“

Wir sind da, wenn sonst niemand da ist

Ich sitze mit Nina Schwarz, Theo Matic und Lena Winkler in der Teeküche neben dem Konferenzzimmer. Ich möchte von ihnen wissen, was den Job für sie ausmacht.
„Wenn du merkst, dass dich die Kinder als Bezugsperson brauchen in der Schule, weil vielleicht daheim gerade keiner da sein kann für sie. Das macht den Beruf für mich aus“, sagt Theo, sie unterrichtet Deutsch, Geschichte und digitale Grundbildung.

In einer Schule in Wien

Radio FM4 / Elisabeth Scharang

Nina Schwarz, Theo Matic und Lena Winkler

„Was viele nicht sehen, ist, dass Kinder und Jugendliche einen Großteil ihrer Zeit in der Schule verbringen und Schule für sie ein wichtiger Ort ist. Hier lernen sie alles, und es ist ihr Job, hier zu sein und dabei begleiten wir sie“, sagt Lena, Chemie- und Mathelehrerin.

Wie sie mit der Gruppendynamik umgehen, die in so einer Klasse entstehen kann, frage ich die drei. Sie lachen. Sich mit anderen Kolleg:innen austauschen, das sei das wichtigste. „Ich unterrichte besonders viele 14-jährige“, sagt Lena. „Wenn ich da mal eine furchtbare Stunde hinter mir habe und frustriert ins Lehrerzimmer komme, dann sagt eine Kollegin zu mir: Hey, Lena, die sind grad voll in der Pubertät - und ich: Ja, stimmt. Mit 14 bewegt einen eben was anderes als Chemie, die sind mit dem Kopf woanders, also nimm’s nicht persönlich.“

In einer Schule in Wien

Radio FM4 / Elisabeth Scharang

Berufseinsteiger Simon Stich

Kein lässiger Halbtagsjob

Ich komme ins Gespräch mit Simon Stich. Er unterrichtet seit 2021 hier an der Schule und hat seinen Job als Lehrer während der Pandemie begonnen. „Ich bin auch noch im Studium, das heißt ich darf zurzeit noch keine Oberstufen unterrichten“, erzählt Simon.

Grundsätzlich sei es nicht immer einfach, Studium und Schule unter einen Hut zu bringen. „Ich habe neben den Vorbereitungen für die Schule, das Unterrichten und mein Studium einen freien Tag die Woche und den versuche ich auch zu halten.“

Ich frage Simon, wie der Einstieg in den Job während der Pandemie war. „Es gab aber auch Vorteile, ich bin an die Schule gekommen als Schichtbetrieb war; das heißt ich hatte eine halbe Klasse analog, die anderen digital. Anstatt einer Tafel hab ich das Tablet verwendet und hatte eine Kamera in der Hand für die, die von zu Haus den Unterricht mitgemacht haben. Als junger Berufseinsteiger ist es schon einschüchtern, wenn man da vor 28 jungen Menschen steht. Natürlich geht’s leichter, wenn es am Anfang nur 14 sind.“

Simon erzählt auch, wie sehr man die Chancenungleichheiten während der Pandemie gesehen hat, wer von den Kids welche Möglichkeiten hatte, am Unterricht teilzunehmen. „Ich hab versucht, auf die Biografien der Kinder Rücksicht zu nehmen. Das ist auch so geblieben.“

FM4 Field Recordings: Im Konferenzzimmer

Am 1.Mai ab 13 Uhr hört ihr in den FM4 Field Recordings mehr darüber, warum bisher über 900 Quereinsteiger:innen den Beruf gewechselt und für meist weniger Gehalt als vorher Lehrer:innen geworden sind, wie Konflikte an der Schule und im Klassenzimmer gelöst werden und warum der Sportunterricht sich so verändert hat.

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