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Bilder zu Field Recordings / Mission zum Mars: Analog Astronaut:innen testen Raumanzüge

Fm4 / Elisabeth Scharang

FM4 Field Recordings

FM4 Field Recordings: Mission zum Mars

Auf dem Trainingscamp des Österreichischen Weltraumforums treffe ich die sechsköpfige Crew der Analog Astronaut:innen, die sich hier auf eine simulierte Marsmission vorbereiten. Aber was genau sind Analog Astronaut:innen und welche Rolle spielen sie in der Suche nach Leben auf dem Mars? Die FM4 Field Recordings am 1. November um 13 Uhr.

Von Elisabeth Scharang

Der Frühnebel liegt in den Tälern und zwischen den Hügeln nördlich von Linz. Ich werde von einem jungen Feuerwehrmann auf dem Parkplatz der freiwilligen Feuerwehr in Peuerbach eingewiesen. Es ist halb acht Uhr früh, in einer halben Stunde steigt Robert Wild in den Weltraumanzug; ein komplexes Prozedere, das bis zu zweit Stunden dauern kann. Gruppen von Wissenschaftler:innen gehen an mir vorbei zu der großen Halle, wo für dieses Wochenende statt der Feuerwehrautos Computer und Messgeräte aufgebaut wurden.

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Fm4 / Elisabeth Scharang

Die Wissenschaftler:innen, die für die simulierte Marsmission im nächsten Jahr trainieren und vorbereiten, kommen aus 25 Ländern. Es ist ein internationales Unterfangen, das das österreichische Weltraumforum 2015 ins Leben gerufen hat: Sechs sogenannte Analog Astronaut:innen wurden in einem aufwendigen Verfahren ausgewählt, um eine künftige Marsmission auf der Erde zu simulieren. Dabei geht es um das Testen und die stetige Verbesserung der Raumanzüge und um Testläufe von wissenschaftlichen Forschungen, die am Mars absolviert werden sollen.

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Fm4 / Elisabeth Scharang

Robert Wild inmitten des internationalen Teams

Welche Unterwäsche trägt man im Weltraum?

FM4 Field Recordings – Gespräche mitten im Geschehen: Mission zum Mars

Am 1.11.2023 von 13 bis 15 Uhr, im FM4 Player und als Podcast.

Robert Wild steht in Raumunterwäsche inmitten der großen Halle. Eigentlich sieht er aus, als würde er sich für eine Skitour fertig machen: lange Unterhose, hohe Stutzen, langes enganliegendes Unterhemd. „Unter dem Raumanzug dürfen keine Falten entstehen“, erklärt mir Robert. „Es gibt zwar viele Kühlsysteme in dem Raumanzug, aber es wird einem trotzdem relativ schnell warm. Wir brauchen also Unterwäsche, die ganz speziellen Anforderungen gerecht werden muss, und daran wir geforscht und weiterentwickelt. Du kannst in der Raumstation ja nicht Ressourcen fürs ständige Wäschewaschen verschwenden. Auf der anderen Seite muss auf die Hygiene geachtet werden, wenn man ein paar Monate da oben gemeinsam lebt und arbeitet.“

Robert ist Physiker, er forscht über die Quantenmechanik ultrakalter Atome und macht Laborstudien zu interstellaren Ionen. Wie die anderen fünf Analog Astronaut:innen stellt sich Robert dieser simulierten Marsmission freiwillig zur Verfügung. Niemand von all den Wissenschaftler:innen, die an diesem Wochenende tüfteln, evaluieren und adaptieren wird dafür bezahlt.

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Fm4 / Elisabeth Scharang

Anika Mehlis

Anika Mehlis gesellt sich zu uns. Sie ist Commander der Crew, die im nächsten Jahr für vier Wochen in einem abgeschlossenen Habitat in der Wüste von Armenien eine Marsmission simulieren wird. Anika ist Mikro- und Umweltbiologin und hat gerade ihre Doktorarbeit und Gesundheitswissenschaften abgeschlossen. „Wir sind ein Team aus Physiker:innen, Astronom:innen, Ärtz:innen und anderen Disziplinen. Ausgesucht wurden wird nach der Fähigkeit, uns schnell einzuarbeiten, weil bei einer Weltraumcrew nie alle alles können, was man dort braucht; du musst also fachübergreifend denken. Natürlich geht es auch um Teamfähigkeit und deine psychische Belastbarkeit.“

Die Reise zu fremden Galaxien: Nichts für Macher und Checker

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Fm4 / Elisabeth Scharang

Als die NASA die männliche Crew für die erste Mondlandung ausgebildet und vorbereitet hat, gab es parallel dazu ein Team von Frauen, das dieselben Tests durchlaufen hat wie die Kollegen. Vor allem bei der psychischen Belastbarkeit schnitten die potentiellen Astronautinnen besser ab. „Die angehenden Astronauten und Astronautinnen mussten in einem Salzwassertank floaten“, erzählt Anika. „Du verlierst in dem Tank jedes Gefühl für Raum und Zeit. Die Frauen haben diese Stille drei Mal so lange ausgehalten wie die Männer. Die zugeschriebenen Rollen, die wir über unsere Sozialisierung lernen, entscheiden in diesem Fall, welche Voraussetzungen wir mitbringen, um eine Aufgabe zu lösen. Im Weltraum braucht man viel Geduld. Man muss warten können, Langeweile aushalten können. Es sind keine Menschen gefragt, die ständig etwas umsetzen und machen müssen. Es kann überlebenswichtig sein, sich in einem Team unterordnen zu können."

Die Tests der NASA mit einer Frauencrew für die erste Mondmission sind inzwischen als Buch und Film erschienen - warum die vielversprechende weibliche Crew nie zu einem Einsatz kam, lag an der öffentlichen Meinung oder besser gesagt: an der Angst vor einem öffentlichen Aufstand. Es war noch die Zeit, als amerikanische Heldengeschichten ausschließlich von weißen Cis-Männern geschrieben wurden.

Nach zwei Stunden steht Robert in fertiger Weltraummontur in der Halle der freiwilligen Feuerwehr in Peuerbach. Ein sehr surreales Bild. Die Hollywooderzählung von Astronaut:innen, die mal schnell den Raumanzug überstreifen, um an der Raumstation eine kleine Außenreparatur durchzuführen, ist also kompletter Quatsch. Die Kommunikationskanäle, die Kameraverbindung, die Sauerstoffversorgung, all das muss sorgfältig von einem Team gecheckt werden, bevor der Astronaut die Raumstation verlassen darf. Alles andere ist Selbstmord oder Fiction.

Warum wollen wir Menschen auf den Mars?

„Elon Musk will den Mars besiedeln“, sagt Anika. „Ich als Biologin will Antworten auf offene Fragen finden. Zum Beispiel: Wo kommt das Leben her? Hat sich das Leben auf dem Mars vor dem auf der Erde entwickelt oder parallel? Wie entwickeln sich Planeten? Ich hoffe, je mehr wir wissen, dass wir auch für unseren Planeten noch bessere Lösungen finden.“

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Fm4 / Elisabeth Scharang

Carmen Köhler

Und endlich sehe ich sie. Die Frau, über die ich vor einem Jahr in der Zeitung gelesen habe und deren Biografie mich so beeindruckt hat, dass ich mich auf überhaupt erst näher mit Analog Astronaut:innen beschäftigt habe: Carmen Köhler. Wir finden ein ruhiges Eck und hocken uns auf einen alten Betonsockel. Carmen erzählt mir, dass sie diese Liebe zum Himmel immer schon hatte. „The sky is not the limit“, sagt sie. „Ich glaube, es gibt mehr da draußen. Und mein größter Traum ist es, eine Reise auf den Mond zu machen. Ich möchte auf einem anderen Himmelskörper stehen und auf die Erde schauen. Viele Astronauten haben diesen Overview-Effekt schon beschrieben: diesen einmaligen Überblick. Ich bin sicher, wenn du das einmal gesehen hast, dann bewertest du Dinge im Leben anders, setzt andere Prioritäten.“

Von der Friseurin zur Astronautin

Wie kann das sein, dass jemand wie Carmen, die einen Doktor in Physik und ein abgeschlossenes Mathematikstudium hat, davor jahrelang in einem Friseursalon gearbeitet hat? „Ich schneide Haare seit ich zehn Jahre alt bin. Meine zweite Leidenschaft ist das Weltall. Ich wollte immer schon Astronautin werden, aber ich habe mir das Mathematikstudium nicht zugetraut. Das hatte mit einem Lehrer an meiner Schule zu tun, der mir das Vertrauen diesbezüglich genommen hatte. Also bin ich Friseurmeisterin geworden. Ein Kunde von mir, ein Uniprofessor, hat mich eines Tages im Smalltalk gefragt, was ich so lese. Ich habe ihm von dem Buch über mathematische Beweise erzählt und er hat mich gefragt, warum ich nicht Mathematik studiere. Und dann hab ich’s probiert und bin nach und nach in die Wissenschaftswelt rübergerutscht.“

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Fm4 / Elisabeth Scharang

Trainingscamp für die Mars Mission am Gelände der Freiwilligen Feuerwehr in Peuerbach

Neben ihrer wissenschaftlichen Arbeit hat Carmen eine Firma gegründet, die sich mit Wetter- und Satellitendaten beschäftigt. Seit 2015 ist sie ihrem Ziel, dem Weltraum, ein großes Stück nähergekommen. „Ich war die erste Frau, die als Analog Astronautin ausgewählt wurde. Damals waren die Weltraumstiefel zu groß und der Anzug lag zu schwer auf. Inzwischen wurde das alles adaptiert.“ Neben dem Wunsch, einmal in den Weltraum zu fliegen, sind es die Menschen aus der Weltraumszene, deren Internationalität und die Abenteuerlist, die sie verbindet, was Carmen so beflügelt und warum sie viele ihrer freien Tage dazu verwendet, eine Marsmission vorzubereiten für eine Crew, die das vermutlich erst in 20 bis 30 Jahren umsetzen wird.

FM4 Field Recordings – Gespräche mitten im Geschehen: Mission zum Mars

Am 1.11.2023 von 13 bis 15 Uhr, im FM4 Player und als Podcast.

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