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Zwei Bergsportler*innen warten am Bahnsteig

Simon Schöpf

Für eine CO2-freie Zukunft: Autofrei in die Berge

An sich naturverbundene Bergsportler*innen reisen meist klimaschädlich mit dem Auto zu ihren Freizeitaktivitäten an. Die großen alpinen Vereine versuchen jetzt aktiv gegenzusteuern, stellen aber auch Forderungen.

Von Simon Welebil

Der Slogan „Bergsport ist (kein) Motorsport“ wird seit Jahren verwendet, um Bergsportler*innen auf ihr problematisches Mobilitätsverhalten hinzuweisen, mit dem sie nicht nur dazu beitragen, dass mehr und mehr C02 in die Atmosphäre geblasen wird, sondern es sich auch in den Tälern staut und riesige Flächen für Parkplatzbedarf versiegelt werden. Ein Umdenken hat bisher aber nicht wirklich stattgefunden. Zwischen 80 und 90% der Bergsportler*innen würden noch immer individuell mit dem PKW zu ihren Bergsportaktivitäten anreisen, sei es zu Wanderungen, zum Klettern, zur Skitour oder zum Skifahren, sagt Regina Hrbek von den Naturfreunden Österreich. Sie ist allerdings überzeugt davon, dass sich das in den nächsten Jahren ändern wird:

„Wir stehen vor der größten Herausforderung der Menschheit, dem Klimawandel, und wir werden die Rechnung bald präsentiert bekommen.“
(Regina Hrbek, Naturfreunde)

Jede*r einzelne müsse deswegen einen Beitrag leisten, um eine C02-freie Zukunft anzustreben, und das bedeutet auch eine Änderung im Mobilitätsverhalten.

Die großen alpinen Vereine in Österreich, die Naturfreunde und der Alpenverein, die zusammen über 750.000 Mitglieder vertreten, sehen die individuelle Anreise mit dem PKW in die Berge mittlerweile als sehr problematisch an. Niemand könne mehr leugnen, dass unser Freizeitverhalten Auswirkungen auf das Klima hat, sagt Liliana Dagostin vom Alpenverein, gerade bei der Mobilität gäbe es aber sehr viele Möglichkeiten, dem gegenzusteuern.

Mobilitätsumfrage

Verlässliche Zahlen über das Mobilitätsverhalten von Bergsportler*innen gibt es bis jetzt nicht. Eine aktuelle Umfrage soll diese liefern.

Naturfreunde und Alpenverein versuchen seit Jahren, ihre Mitglieder zu motivieren, bei ihren Touren auf das Auto zu verzichten. Die einzelnen Sektionen werden dazu angehalten, ihre Vereinstouren möglichst mit öffentlichen Verkehrsmitteln durchzuführen, und das schon bei der Jahresplanung zu berücksichtigen. Und für private Touren stellen sie jede Menge Tourenvorschläge zur Verfügung, die öffentlich erreichbar sind.

Öffi-Touren finden, Menschen dafür motivieren

Die Naturfreunde haben in den letzten beiden Jahren zwei große, kostenlose Publikationen herausgebracht, den „Hüttenatlas“, wo man alle 94 Naturfreunde-Berghütten nachschlagen kann, die an mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbaren Wanderrouten liegen, und voriges Jahr den Wanderführer „Mit Bahn und Bus in die Natur“, der 46 familienfreundliche Wanderungen vorstellt.

Vom Alpenverein gibt es jährlich aktualisiert etwa den Folder „Autofrei in die Wiener Hausberge“, der sogar Skitouren und Klettersteige anführt, dazu auch jede Menge Empfehlungen aus anderen Regionen, vor allem setzt man aber auf das eigene Online-Tourenportal alpenvereinaktiv.com, in dem ein eigener Filter „mit Bahn und Bus erreichbar“ mögliche Öffi-Touren gleich anzeigt. Hier gibt es auch jede Menge Listen für öffentlich erreichbare Touren, ganz aktuell etwa Wanderungen, Bergtouren, Mountainbiketouren und Mehrtagestouren für Nordtirol.

Zum autofreien Tag am 22.September hat der Alpenverein etwa auch ein Gewinnspiel gestartet, bei dem Bergsportler*innen ihre eigenen Öffi-Touren einsenden sollen, um sie dann zu veröffentlichen und wieder andere zu motivieren, es ihnen nachzumachen.

Bergtouren mit Öffis, geht das?

Auch der Verein Bahn zum Berg stellt Öffi-Touren auf seiner Plattform vor.

Dass es viele Touren gibt, deren Ausgangspunkte theoretisch öffentlich zu erreichen sind, heißt aber noch nicht, dass sie deswegen auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln unternommen werden. Da gilt es für die alpinen Vereine, zu sensibilisieren. „Wir versuchen, die Vorteile, einer öffentlichen Wanderung hervorzustreichen“, sagt Regina Hrbek, etwa, dass man bei Wanderungen nicht zum Ausgangspunkt zurückkommen müsse, sondern die Tour etwa ganz woanders beenden könne. Liliana Dagostin spricht davon, bereits die öffentliche Anreise als „Teil des Erlebnisses“ zu beschreiben, um damit mehr Menschen zum Umsteigen zu motivieren.

Öffentliche Hand gefordert

Mit diesen Aktionen gelangen die alpinen Vereine aber auch schon an die Grenzen dessen, was sie selber machen können. Um mehr Menschen zum Umsteigen auf den öffentlichen Verkehr zu bringen, müssen öffentliche Investitionen her. Das „Klimaticket“, das ab 26. Oktober zumindest in Teilen umgesetzt wird und den öffentlichen Verkehr für Vielnutzer*innen günstig macht, ist dabei nur ein Baustein. Es müsse vor allem bessere Anbindungen geben, dabei sind sich die Vertreter*innen der alpinen Vereine einig.

„Es braucht tatsächlich einen Ausbau der Ziele, die öffentlich erreichbar sind. Dabei geht’s aber nicht nur um die Bergsteigerinnen und Bergsteiger, sondern auch um ein entsprechendes Angebot, das allen zugute kommt, auch der einheimischen Bevölkerung.“
(Liliana Dagostin, Alpenverein)

Es brauche aber auch ein Umrüsten des öffentlichen Angebots, damit man zum Beispiel mehr Fahrräder mitnehmen könne. Und für die sogenannte letzte Meile vom Endpunkt der Bus-/Zugverbindungen müssen kreative Lösungen entstehen, mit Wanderbussen, Ruftaxis, Mitfahrbänken, aber auch mit Mobilitätsapps, die sich in den nächsten Jahren hoffentlich etablieren werden.

In den Diskussionen über die Finanzierung eines solchen Angebots wird immer wieder auch davon gesprochen, dass die Gemeinden und die Tourismusverbände hier ihren Teil beitragen müssten. Dabei müsse man aber aufpassen, dass Regionen mit finanzschwachen Tourismusverbänden nicht unter die Räder kommen, so Dagostin. Diesen hauptsächlich peripheren Gebieten müsse die Politik speziell unter die Arme greifen, um „Waffengleichheit“ herzustellen. Denn gerade die würden allein schon aus finanziellen Gründen schon bisher versuchen, nachhaltiger zu wirtschaften.

Rucksack vor Bushaltestelle

privat

Ganz ohne Auto wird’s nicht gehen

Doch selbst wenn alle Maßnahmen greifen, wird das Auto aus den Bergen nicht verschwinden, da geben sich die alpinen Vereine auch keinen Illusionen hin: „Das Auto wird nach wie vor präsent sein, es wird vielleicht das Elektro-Auto sein, aber ich hoffe zumindest, dass wir einen gewissen Prozentsatz dazu motivieren können, dass auf öffentliche Verkehrsmittel umgestiegen wird“, sagt Regina Hrbek von den Naturfreunden.

Aber auch andere Wege führen zum Ziel, den eigenen Impact auf Klima und die Natur zu reduzieren, weiß Liliana Dagostin. Ihre Hoffnung für die Zukunft ist, dass wir uns wieder mehr Zeit nehmen für ein Bergerlebnis, „dass wir wegkommen von diesem kurzfristigen Konsumieren, mit dem die eigene Mobilität einhergeht“, dass wir die Aufenthaltsdauer in den Bergen verlängern, etwa mit einer Hüttenübernachtung, und statt dem kurzfristigen, schnellen Erlebnis zu einem bedächtigeren Herangehen kommen. „Herangehen“ ist dabei das Schlagwort, das verursacht nämlich am wenigsten CO2.

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