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Julian Hessenthaler

APA/TOBIAS STEINMAURER

Julian Hessenthaler ist zu Gast bei FM4 Auf Laut

Das Ibiza-Video war der Startschuss für Korruptionsermittlungen, die bis heute die österreichische Politik in Atem halten. Der Macher des Videos, Julian Hessenthaler, ist am Dienstag in FM4 Auf Laut zu Gast.

Von Rainer Springenschmid

Julian Hessenthaler, 43, der Österreichs Innenpolitik in den letzten Jahren so beschäftigt hat wie kaum ein anderer, arbeitet derzeit in einer Immobilienkanzlei. Früher gab er als Beruf Sicherheitsberater an, er war wohl eine Art Privatdetektiv, verdeckter Ermittler für das Bundeskriminalamt und in diversen Welten und Halbwelten gut vernetzt. Diskretion Ehrensache.

Mit der Diskretion ist es jetzt vorbei. Derzeit erzählt Julian Hessenthaler seine Version der Geschichte rund um das Ibiza-Video im Wiener Volkstheater, in Podcasts, Zeitungsinterviews oder bei Armin Wolf in der ZiB2.

Wir erinnern uns

Am 17. Mai 2019, Punkt 18 Uhr, machen Süddeutsche Zeitung und der Spiegel ihre Recherchen rund um das Ibiza-Video öffentlich. Darauf zu sehen: Johann Gudenus und sein FPÖ-Parteikollege Heinz-Christian Strache im Jahr 2017 in einer Finca in Ibiza. Dazu eine Frau, die sich als Nichte eines russischen Oligarchen ausgibt. Der spätere Vizekanzler Strache bietet der vermeintlichen Oligarchen-Nichte für den Fall seiner Kanzlerschaft in dem Video quasi die halbe Republik zum Verkauf an, Zitate wie „ZackZackZack“ oder „Novomatic zahlt alle“ werden nach der Veröffentlichung des Videos binnen Stunden zum geflügelten Wort.

Wenige Tage später platzt die schwarz-blaue Koalition, Johann Gudenus‘ und Heinz-Christian Straches politische Karrieren sind am Ende, die Wirtschafts- und Korruptions-Staatsanwaltschaft gräbt immer tiefer in den Korruptionssumpf der österreichischen Politik, in dem zusehends die ÖVP ins Visier gerät – und schließlich müssen sich auch Sebastian Kurz und einige seiner Getreuen aus der Politik verabschieden.

Gleich nach Veröffentlichung des Videos wird nicht nur der Inhalt Gegenstand der öffentlichen Debatte. Vor allem vom Boulevard wird die Frage nach den Hinterleuten gern und ausgiebig behandelt.

Erste Vermutungen treffen Jan Böhmermann, der am Vorabend der Veröffentlichung die Bemerkung „Kann sein, dass morgen Österreich brennt“ fallen gelassen hatte. Schon bei der Romy-Verleihung wenige Wochen zuvor hatte er quasi ein Exposé des Videos hinausposaunt. Auch die Aktivist:innen vom „Zentrum für politische Schönheit“ geraten in Verdacht, Noch-Kanzler Sebastian Kurz wirft den israelischen Sicherheits- und Politikberater Tal Silberstein in den Gerüchtetopf und überhaupt raunen manche, dass wegen der professionellen Machart Geheimdienste dahinterstecken müssten.

Obwohl für Jurist:innen schon recht bald feststeht, dass die Erstellung des Videos in Spanien nicht strafbar ist und die Veröffentlichung in Österreich unter dem übergeordneten öffentlichen Interesse ebenfalls nicht, beteiligen sich auch die Staatsanwaltschaft Wien und eine polizeiliche Sonderkommission „SOKO Tape“ unter der Mitwirkung eines erklärten Strache-Fans an der Jagd nach den Hinterleuten. Drei Mitglieder der zwanzigköpfigen Sonderkommission gehen eventuellen strafrechtlich relevanten Aussagen Straches und Gudenus’ nach, 17 suchen nach den Hintermännern, wie Der Standard recherchiert.

Schließlich erwirken sie die Festnahme des inzwischen als „Ibiza-Detektiv“ ermittelten Hessenthaler in Berlin und seine Auslieferung nach Österreich mittels einer Fahndung wegen Kokainhandels – eine Fahndung, die sich auf die Aussagen zweier Zeug:innen stützt, die der Lobbyist und Novomatic-Geschäftspartner Gert Schmidt auftreibt – und bezahlt.

Vor Gericht widersprechen die Zeug:innen sich sowohl gegenseitig als auch selbst, weitere Beweise gibt es keine, trotzdem wird Julian Hessenthaler wegen Kokainhandels zu 28 Monaten unbedingter Haft verurteilt.

So war bis heute nur einer der Beteiligten an dieser Affäre im Gefängnis: Julian Hessenthaler, der Ersteller des Ibiza-Videos. Dass seine Verurteilung nichts mit dem Ibiza-Video zu tun hatte, glaubt außer der Staatsanwaltschaft wohl kaum jemand, Hessenthaler selbst am allerwenigsten.

Und jetzt, nach seiner Haftentlassung, ergreift Julian Hessenthaler jede Gelegenheit, seine Version der Geschichte rund um das Ibiza-Video und seine Kokain-Verurteilung zu erzählen.

Der Mann hat eine Mission, zumindest heute wird ihm das niemand mehr absprechen. Dass das Video selbst schon Teil dieser Mission war, dass Julian Hessenthaler also, wie er angibt, aus hehren, zivilgesellschaftlichen Motiven gehandelt hat und also ein Korruptionsaufdecker und Whistleblower ist, das bezweifeln manche. Sie vermuten finanzielle Motive oder Auftraggeber jenseits der bisher bekannten.

Julian Hessenthaler bestreitet das hartnäckig. Seine Arbeit am Ibiza-Video sei zunächst ein Gefallen für einen Freund gewesen – den Anwalt Dr. M., der selbst in dieser Causa nicht in der Öffentlichkeit stehen möchte. Dieser Gefallen habe sich später für ihn zu einem zivilgesellschaftlichen Projekt entwickelt. Geld sei nie ein Motiv gewesen, vielmehr sei es ihm immer mehr um den Kampf gegen Korruption und Rechtspopulismus gegangen.

Doch sein Lebenslauf ist nunmal dazu geeignet, Zweifel zu befeuern. Viel ist nicht bekannt über ihn, vor dem Ibiza-Video war er als Sicherheitsberater unterwegs, hatte Verbindungen zu Geheimdiensten und war eine Zeit lang als Informant des Bundeskriminalamts tätig. Teil seiner Tätigkeit war es, für andere Menschen glaubwürdige Biografien zu stricken, und so bleibt der Verdacht, ob er dieses Talent nun etwa für sich selbst nutzt.

Kein Zweifel bleibt an der anhaltenden Bedeutung seines Videos für die österreichische Innenpolitik. Und was man Hessenthaler persönlich abnimmt, ist die Verve, mit der er heute die Zustände in Politik, Polizei und Justiz in Österreich aufs Korn nimmt. Er strickt keine Verschwörungsmythen, sondern spricht von Mängeln in der Strafprozessordnung, die seine Verurteilung erst ermöglicht hätten, und von der Gefahr für die Demokratie.

Mit seiner Verurteilung ist Hessenthaler vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gezogen. Das Verfahren wird ihn noch ein paar Jahre beschäftigen, so wie uns die Auswirkungen des Ibiza-Videos.

Deine Fragen an Julian Hessenthaler!

Kaum jemand hat die jüngere politische Geschichte Österreichs so beeinflusst wie Julian Hessenthaler mit seinem Ibiza-Video – im unfreiwilligen Zusammenspiel mit dem freimütig plaudernden Vizekanzler Strache. Das Video hat die Regierung zum Platzen gebracht, es war aber auch der Startschuss für umfangreiche Korruptionsermittlungen in der Politik, die bis heute nicht abgeschlossen sind.

Julian Hessenthaler wurde inzwischen wegen Kokainhandels verurteilt, hat seine Strafe abgesessen und sieht seine Verurteilung immer noch als Retourkutsche für Ibiza.

Am Dienstag, 23. Mai, ist Julian Hessenthaler ab 21 Uhr zu Gast in FM4 Auf Laut und beantwortet dort eure Fragen. Die schickst du uns gerne ab sofort als Whatsapp-Sprachnachricht an 0664/8284444!

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