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Barbie und Ken im Cabrio

Warner Bros.

Zwei mal Barbie im Film, gegen den Strich gebürstet

Greta Gerwig war nicht die erste, die dem Mythos Barbie einen Film gewidmet hat. Zwei (kurze) Pflichtfilme abseits der rosa Hollywoodwalze, die derzeit alles platt macht.

Von Martin Pieper

Alle lieben Barbie! Das Roll-out des Barbie-Films von Greta Gerwig ist allgegenwärtig. Traumhäuser und Ryan Gosling Gossip, Soundtrack Songs von Charlie XCX bis Billie Eilish, ein match made in heaven zwischen dem Spielzeuggiganten Mattel und den Warner Bros. Studios. Erste Reaktionen auf die allerersten Screenings des Films lassen vermuten, dass Greta Gerwig es geschafft hat, aus einer frisierbaren Plastikpuppe einen – vielleicht sogar feministischen – Spielfilm zu destillieren. Noch gibt es ein kleines Zeitfenster, um daran zu erinnern, dass zu Barbie schon abseits von Margot Robbie und Ryan „Ken“ Gosling Interessantes gesagt wurde.

Lisa vs. Malibu Stacy

Wir schreiben das Jahr der fünften Staffel der Simpsons. Damals, Mitte der 90er Jahre, waren sie am Höhepunkt ihrer komödiantischen Raffinesse. In Folge 17 bekommt Lisa Simpson eine sprechende Puppe namens Malibu Stacy geschenkt, eine mehr oder weniger direkte Anspielung auf die Original-Barbie.

Einmal Patriarchat zerschlagen mit „Barbie"
Margot Robbie schlüpft im vorab bombastisch gehypten Sommer-Blockbuster in die Rolle der Barbie. Die wird inmitten ihres knallrosa Safe Spaces Barbieland plötzlich von existenziellen Ängsten heimgesucht und reist in die echte Welt, um dort Antworten zu finden. Die feministische Botschaft in „Barbie“ ist zentrales Motiv der Komödie von Greta Gerwig, die nicht nur visuell überzeugt.

Lisas Problem: Die Standardsätze von Malibu Stacey lauten etwa: "Let’s bake some cookies for the boys!“ oder „Don’t ask me, I’m just a girl!“ Wie es sich für die feministische Ikone Lisa Simpson gehört, nimmt sie den Kampf gegen die Spielzeugfirma auf. Die Erfinderin von Malibu Stacy (übrigens von Kathleen Turner gesprochen) hilft ihr dabei. Ihre neue Puppe hat „the wisdom of Gertrude Stein, the wit of Cathy Guisewite, the tenacity of Nina Totenberg, the common sense of Elizabeth Cady Stanton, and the down-to-earth good looks of Eleanor Roosevelt.“

Der große Sieg gegen den Spielzeugsexismus bleibt, für die Simpsons typisch, natürlich aus. Das Ende macht trotzdem gute Laune. Die Folge „Lisa vs. Malibu Stacy“ (S05E17) ist in Ausschnitten auf Youtube verfügbar. Dann verpasst man allerdings die zweite Handlungsebene der Folge, in der Großvater Simpson einen Job bei Krusty Burger übernimmt.

Barbie als Karen Carpenter

Todd Haynes ist mittlerweile einer der bekanntesten Filmautoren seiner Generation. Mit Melodramen wie „Carol“, „Far from Heaven“ oder dem Bob-Dylan-Filmrätsel „I’m Not There“ ist er regelmäßiger Kandidat für Oscars und andere Filmpreise. Seine filmischen Ursprünge liegen im queeren Underground der 80er Jahre. Sein zweiter Kurzfilm aus dem Jahr 1987 heißt „Superstar: The Karen Carpenter Story“, es ist eine Art Biopic über das tragische Schicksal der Carpenters-Sängerin Karen Carpenter, die 1983 nach Jahren mit Essstörungen im Alter von 33 Jahren starb.

Der Clou der Underground-Dokumentation „Superstar“: Alle Rollen werden von Barbie-Puppen dargestellt. Der Film weist damit auch auf die Verbindung von Barbies unrealistischen Körpermaßen zu allen Arten von Essstörungen hin. Die „Dokumentation“ ist Celebrity-Melodram und Kritik daran in einem. Typisch für das sogenannte New Queer Cinema der damaligen Zeit.

Dass „Superstar“ immer noch ein Geheimtipp ist, liegt an dem Umstand, dass Todd Haynes die Musikrechte für die Songs der 70er-Jahre-Easy-Listening-Ikone Karen Carpenter nie geklärt hat, und der Film seitdem „verboten“ ist.

In Kinos waren diese 47 Minuten Barbie-Madness jedenfalls kaum zu sehen. Rauschige Videokassetten-Überspielungen wurden unter der Hand gedealt, mittlerweile lebt der Film aber auf Youtube in seiner Underground-Pracht weiter. Hoffentlich hat sich Greta Gerwig davon ein Stück Subversion mitgenommen für ihren rosa Barbie-Traum.

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