FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Greta Thunberg holds a placard during a climate protest organized by the Fridays For Future network in Stockholm on September 22, 2023

Christine Olsson/TT / TT NEWS AGENCY / AFP

Antisemitismus-Vorwürfe bei Fridays For Future: Spaltet der Nahost-Konflikt die Klimabewegung?

Die Klimabewegung „Fridays For Future“ streitet sich online um verschiedene Postings zum Nahostkonflikt. Während die internationale FFF-Organisation von einem „Genozid“ an den Palästinenser:innen spricht und westliche Medien kritisiert, distanzieren sich „Fridays For Future“ Aktivist:innen im deutschsprachigen Raum von den Postings und verurteilen „Antisemitismus jeder Art“. Ein Konflikt, der die Klimabewegung spalten könnte.

Von Alina Schaller und David Riegler

Dass der Nahost-Konflikt in den sozialen Medien massiv polarisiert, ist nichts Neues, aber jetzt hat die Diskussion auch die Klimabewegung erreicht und vor allem bei der Umweltschutzorganisation „Fridays For Future“ einen Streit um einige Postings entfacht. Der Instagram-Account der internationalen FFF-Bewegung hat ein Posting veröffentlicht, in dem Israel „Apartheid“ vorgeworfen wird und von einem „Genozid“ an den Palästinenser:innen die Rede ist. Außerdem heißt es, westliche Medien würden Falschinformation und Lügen verbreiten.

Der britisch-deutsche Journalist Nicholas Potter, Autor des Buches „Judenhass Underground“, beschäftigt sich schon länger mit den Antisemitismusvorwürfen gegen „Fridays For Future International“ und sieht im Posting des internationalen Teils der Klimabewegung antisemitische Verschwörungstheorien. Im Gespräch mit Fm4 erklärt er: „Das sind Narrative, die man sonst von rechts-außen oder der Querdenker-Bewegung kennt. Zum Beispiel das Narrativ, dass die Medien uns belügen und es einen Geheim-Plan gebe, uns zu manipulieren, das erinnert stark an das PEGIDA-Narrativ der „Lügenpresse“. Hier in der Form einer zionistischen Lügenpresse. Das halte ich für gefährlich, denn es ist nichts anderes als eine Verschwörungserzählung.“

Auch aus den Teilorganisationen der deutschsprachigen Länder kommt heftige Kritik. „Fridays For Future Österreich“ hat sich auf Social Media von dem Posting distanziert: „Als FFF in Ö stehen wir geschlossen gegen Antisemitismus & distanzieren uns daher mit aller Deutlichkeit von dessen Posts.“, heißt es auf ihrem Twitter (X)-Account.

Die Aktivistin Klara König erklärt im FM4-Interview, dass der Post nicht mit anderen Teilen der Bewegung abgestimmt war: „Wir sind eine dezentrale Bewegung. Es gibt keine Kommunikationschef:in, der/die sagt, ob etwas gepostet wird oder nicht. Das ist eine breite Bewegung mit den unterschiedlichsten Backgrounds und deswegen ist es uns so wichtig gewesen, ganz klar zu sagen, dass diese Inhalte, die dort gepostet wurden, nichts sind, wo sich Fridays For Future Österreich dahinterstellen kann.“

Greta Thunberg: „Gerechtigkeit für Palästina“

Auch die Gründerin und zentrale Figur der Klimabewegung Greta Thunberg hat sich zum Thema geäußert. Auf Twitter (X) und Instagram ruft sie zu Solidarität mit Palästina und Gaza auf und hat mehrere Fotos mit Protestplakaten veröffentlicht. Alon Ishay, Präsident der österreichischen Jüdischen Hochschüler:innenschaft, wirft ihr Einseitigkeit und damit Antisemitismus vor. Thunberg soll essenzielle Informationen über die aktuelle Situation in Israel außen vor gelassen haben und negiere damit das Leid von Jüdinnen und Juden. Nachdem Kritik an ihren Postings laut wurde, ergänzte sie unter ihrem Instagram-Posting: “It goes without saying - or so I thought - that I’m against the horrific attacks by hamas.”

Ein anderes Posting, auf dem neben ihrem Protestschild ein Stofftier-Krake zu sehen war, löschte sie nach heftiger Kritik wieder. Der Krake, der die Welt umschlingt, wird oft als antisemitisches Symbol verwendet. Greta Thunberg schreibt, sie habe davon nichts gewusst und verurteile Antisemitismus in jeder Form: „We are of course against every type of discrimination, and condemn antisemitism in all forms and shapes. This is non-negotiable. That is why I deleted the last post.”

Deutlich anders sehen die Postings der deutschen Fridays For Future-Klimaaktivistin Luisa Neubauer aus. Sie hat auf Instagram einen Auszug ihrer Rede bei einer Solidaritätsdemo für Israel und gegen Antisemitismus in Berlin gepostet, in dem sie die besondere Verantwortung Deutschlands für Israel betont. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, fordert Luisa Neubauer dazu auf, noch weiter zu gehen: „Ich erwarte von Luisa Neubauer und ‚Fridays For Future Deutschland‘ eine wirkliche Abkoppelung, eine Namensänderung der Organisation und den Abbruch jeglicher Kontakte zu ‚Fridays For Future International‘.

Antisemitismus vs. Berechtigter Kritik

Die Diskussionen unter den verschiedenen Posts von „Fridays For Future“ drehen sich oft um die Frage, welche Aussagen berechtigte Kritik an der Politik Israels seien und wo die Grenze zum Antisemitismus überschritten wird. Um Antisemitismus zu erkennen, empfiehlt Nicholas Potter als Tool den sogenannten 3D-Test: „Das ist ein hilfreiches Werkzeug, um Antisemitismus in Bezug auf Israel zu entlarven. Wenn eine Aussage den jüdischen Staat zum Beispiel dämonisiert, delegitimiert oder mit doppelten Standards angreift, dann ist die Aussage als antisemitisch einzustufen.“

Außerdem nennt Potter die Definitionen und Fallbeispiele der „International Holocaust Remembrance Alliance“ auch als hilfreiches Werkzeug, um Antisemitismus in verschiedenen Situationen zu erkennen.

Wie geht es weiter mit der Klimabewegung?

Dass der Nahost-Konflikt einen Spalt in eine Bewegung am linken politischen Spektrum reißt, sei nichts Neues, meint Potter, aber es gebe Besonderheiten bei „Fridays For Future“: „Wir sehen hier eine sehr junge Bewegung, die teilweise zum allerersten Mal mit Themen wie Nahostkonflikt und Antisemitismus in Kontakt kommt. Und dass diese Wissensvermittlung überwiegend in den sozialen Medien stattfindet, also in sehr verkürzter und vereinfachter Form.“

Aber wie geht es jetzt weiter für die Klimabewegung? Die österreichische Fraktion von „Fridays For Future“ will neben der Distanzierung die Hintergründe der Postings untersuchen: „Der nächste Schritt ist, dass wir dem auf den Grund gehen, wie genau Postings geregelt werden und was man dabei vielleicht verändern könnte. Da wir eine breite, große Bewegung sind, braucht das ein bisschen Zeit und da stecken wir gerade mittendrin in diesem Prozess.“ Die Diskussionen in den sozialen Medien werden jedenfalls weiterhin geführt und könnten zu einer Spaltung in der weltweiten Klimabewegung Fridays For Future führen.

mehr Umwelt:

Aktuell: