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Licht ins Dunkel

Mit 17 an ME/CFS erkrankt: Zu Besuch bei Bettina Wurzenberger

Bettina Wurzenberger ist erst 17 Jahre alt, als sie sich von einem Infekt nicht erholt, sondern an ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom) erkrankt. Die Erkrankung ist kaum erforscht, schränkt das Leben der Betroffenen aber enorm ein - auch das von Bettina.

Von Livia Praun

Bettina lebt in Niederösterreich mit ihrer Familie auf einem Hof. Als wir sie besuchen, öffnet ihre Mutter die Tür. Bettina sitzt in der Küche. Heute ist ein guter Tag - wenn sie aufgeregt ist, hat sie mehr Energie, erklärt sie uns. An schlechten Tagen schafft sie es teilweise nicht aus dem Bett.

Mit 16 geht sie auf eine Schule mit pädagogischem Schwerpunkt, spielt in der Trachtenkapelle Klarinette, engagiert sich bei der Freiwilligen Feuerwehr und auch bei der Landjugend. 2020 wird sie krank und hat mit einem langwierigen viralen Infekt zu kämpfen. Sie erholt sich vorübergehend, doch nach einigen Monaten hat sie einen großen Crash. Von einem Tag auf den anderen geht gar nichts mehr: Sie leidet unter Atemnot, extrem hohem Puls und Schmerzen und wird licht- und geräuschempfindlich.

ME/CFS ist eine neuroimmunologische Erkrankung. Betroffene leiden unter einer extrem stark begrenzten Leistungsfähigkeit. Alltägliche Tätigkeiten führen zu Überanstrengung, bis hin zu einem Kollaps. Je nach Schweregrad kann die Krankheit zu einer weitreichenden Behinderung und Pflegebedürftigkeit führen.

Bettina muss die Schule abbrechen, im Krankenhaus sind die Ärzte und Ärztinnen lange ratlos. Nach ein paar Monaten kommt dann die Verdachtsdiagnose: ME/CFS. Eine Krankheit, die kaum erforscht ist und mit der sich nur wenige Mediziner und Medizinerinnen in Österreich auskennen. Oft dauert es Jahre, bis Betroffene eine Diagnose erhalten. „Ich bin vom Krankenhaus entlassen worden und der Arzt hat mir gesagt: Wenden Sie sich bitte an einen Spezialisten“, erzählt Bettina. „Wie wir nachgefragt haben, wo der Spezialist ist, kam dann ein Schulterzucken und wir wurden alleine gelassen.“

Bettina und ihre Katzen

Pauline Binder

Bettina zu Hause mit ihren zwei Katzen

„An guten Tagen versuche ich rauszugehen“

Momentan kann ME/CFS nicht geheilt werden. Es gibt kein anerkanntes Medikament, es können nur die Symptome gelindert werden. Die chronische Erkrankung schränkt Bettina auch jetzt, zwei Jahre später, stark ein. Im Gespräch erzählt sie uns, dass ihr selbst das Lachen weh tut. Die meiste Zeit verbringt sie bei sich zu Hause mit ihrer Familie sowie ihrem Hund und ihren zwei Katzen.

Aktiv etwas zu machen, das geht am Tag maximal ein bis zwei Stunden. „An guten Tagen versuche ich rauszugehen und mit unserem Hund eine kleine Rollstuhlrunde zu drehen“, erzählt Bettina. Es schneit, und sie geht mit uns und ihrem Hund Timmy raus. Timmy dreht aufgeregt seine Runden, Bettina fährt mit dem Rollstuhl hinterher. Kurze Strecken im Haus kann sie gut zu Fuß bewältigen, für mehr nimmt sie den Rollstuhl, den sie seit diesem Jahr hat. Ihre Eltern haben ihn für sie beschafft, ebenso wie einen Treppenlift. An schlechten Tagen ist nämlich auch das Stiegensteigen eine große Herausforderung. „Ich habe auch Tage, da liege ich den ganzen Tag im abgedunkelten Zimmer, weil jedes Licht zu hell ist und jedes Geräusch zu laut ist“, erzählt sie.

Sowohl den Rollstuhl als auch den Treppenlift musste die Familie privat anschaffen. Unterstützung vom Staat gab es keine. Generell ist die finanzielle Absicherung bei an ME/CFS erkrankten Personen ein großes Problem. Denn: Die Krankheit wird laut der Österreichischen Gesellschaft für ME/CFS in sozialrechtlichen Verfahren oft nicht anerkannt, weshalb Betroffene finanziell in Bedrängnis geraten können. Bettina erzählt uns davon, wie sie letztes Jahr erhöhte Familienbeihilfe beantragt hat - und dann vom Gutachter für gesund und arbeitsfähig erklärt wurde. Vor einigen Monaten hat sie erneut Unterstützung beantragt, seitdem wartet sie auf einen Bescheid.

Bettine draußen mit Hund 2

Pauline Binder

Ein Kraftakt: Bettina Wurzenberger draußen mit dem Familienhund Timmy

Auf die Frage, wie es ihr heute mit ihrer Situation geht, antwortet sie: „Es ist schwierig. Aber was ich auch immer wirklich versuche, ist (...) im Jetzt zu leben und nicht zu oft an die Vergangenheit zu denken. Es passiert natürlich, weil man vermisst das frühere Leben und möchte es wieder zurückhaben. Aber man gibt sein Bestes.“

Was ihr hilft, das sind ihre Eltern, ihre Geschwister und ihre Freund:innen. Sie unterstützen sie seelisch wie auch finanziell. Und: Beschäftigt bleiben. Sie malt gerne, erzählt sie, und zeigt uns ein paar Bilder. Kreative Tätigkeiten wie Malen oder auch Puzzeln sind für sie mit Pausen zwischendurch gut möglich.

Bettina & Arts

Pauline Binder

Bettina engagiert sich aber auch bei der Landjugend und bei der österreichischen Gesellschaft für ME/CFS. Sie kritisiert, dass es sowohl in der Medizin als auch in der Gesellschaft generell an Bewusstsein für ME/CFS mangelt: „Es wäre wirklich von der Politik sehr wichtig, dass sie Forschung fördern und Aufklärung betreiben“, sagt sie. Ebenso fordert sie, „dass Ärzte Fortbildungen machen müssen, dass sie sich auskennen. Und man somit ernst genommen wird, behandelt wird... und gesund wird.“

FM4 sammelt Spenden

FM4 unterstützt im Rahmen von Licht ins Dunkel den Unterstützungsfonds für Menschen mit ME/CFS: Etwa für ärztliche Behandlungen, Hilfsmittel wie Rollstühle oder Pflegebetten und Rechts- und Sozialberatungskosten. Denn das alles wird derzeit nicht ausreichend von der Krankenversicherung finanziert. Mehr zu unserer Spendenaktion könnt ihr hier erfahren.

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