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Zwei Bücher: "Komplett Kafka" und "Kafka für Boshafte"

Suhrkamp | insel taschenbuch

Mit Nicolas Mahler über Kafka lachen

Franz Kafkas Werk zählt zur Weltliteratur. Für viele ist er ein Meister des Horrors und des Unheimlichen. Vor 100 Jahren ist der Franz Kafka gestorben. Der Zeichner Nicolas Mahler hat passend zum Kafka-Jahr 2024 die illustrierte Biographie „Komplett Kafka“ und die Zitatesammlung „Kafka für Boshafte“ geschaffen.

Von Zita Bereuter

„Er hat halt diesen Mittelscheitel, die großen Ohren, die große Nase. Die große Nase hat eine Comicfigur schnell einmal“, erklärt Nicolas Mahler seine schwarze, hagere, große Kafka-Figur. Sie erinnern etwas an die Zeichnungen, die Kafka selbst angefertigt hat. Von denen ist Nicolas Mahler beeindruckt. „Also das ist nicht nur so eine Kritzelei, sondern das hat er schon ernst genommen. Das hat mich natürlich schon inspiriert, und ich habe mir gedacht, ich könnte diesen Stil aufgreifen für meine Zeichnungen. Und so weit weg ist es ja eigentlich gar nicht.“

Vor 100 Jahren - am 3. Juni 1924 - starb Franz Kafka in Kierling bei Klosterneuburg. Geboren in Prag, arbeitete und schrieb er nach einem Jusstudium bei einer Versicherung. Sein Werk zählt zur Weltliteratur.

„Die Verwandlung“, „Der Prozess“ und „Das Schloss“ sind Werke der Weltliteratur, die häufig auch in der Schule gelesen werden. Kafka gilt als „meistgelesener Autor deutscher Sprache“ wundert sich Nicolas Mahler im Gespräch über Kafkas Werk. „So leicht zugänglich ist es ja nicht. Ich glaube eher, er ist der meist herumstehende Autor.“

Der meist herumstehende Autor

Nicolas Mahler hat mit 16 erstmals Kafka gelesen. „Da ist es eher darum gegangen: Ich habe Kafka gelesen oder Kafka bezwungen.“ Viele Jahre hat er sich mittlerweile mit Kafka beschäftigt und am meisten begeistert ist er von den Briefen und Tagebüchern. Nicht nur von deren Inhalten, sondern auch von der unglaublichen Fülle. „Ich weiß nicht, wie viele Briefe der geschrieben hat. Wo man sich denkt: Wie geht sich das aus, das sind ja tausende Seiten Briefe? Er hat zum normalen schriftstellerischen Werk noch nebenher am Abend zehn Briefe geschrieben oder so. Aber die haben nicht Netflix schauen können. Das ist wahrscheinlich der Grund.“

Das ist jetzt nicht so eine Germanistenbiographie.

Hauptsächlich aus diesen Briefen und Tagebüchern zitiert Nicolas Mahler in seiner illustrierten Kafka-Biographie „Komplett Kafka“. Man liest vom großen, grobschlächtigen Vater, von Problemen in der Schule - Mathe hat er etwa nur bestanden „Mittels Weinen bei den Prüfungen“ - und man liest von der Freundschaft zu Max Brod und von unglücklichen Beziehungen zu verschiedenen Frauen.

„Da muss man sich aufs Klischee stürzen und auf die gute Anekdote. Ob die dann hundertprozentig stimmt, ist mir eigentlich auch wurscht. Ich habe sehr viel auf Zeitzeugen gesetzt, Max Brod und so, und da sind schon super Sachen drinnen.“

Da muss man sich aufs Klischee stürzen und auf die gute Anekdote.

Nicolas Mahler schätzt an Kafkas Schreiben „diese Zerrissenheit und diese Unsicherheiten und auch dieses Verzweifelt-Sein.“ Das Verzweifelt-Sein ist teilweise so überdreht, dass man sich als Nachgeborener darüber amüsieren kann, meint Nikolas Mahler. „Obwohl es eigentlich schrecklich ist. Und teilweise schüttelt man natürlich den Kopf, wie kompliziert er es sich selber macht mit jeder Entscheidung. Ist ja ein Wahnsinn. Da denkt man sich, da bin ich ja funktionstüchtig im Vergleich.“

Zwei Bücher: "Komplett Kafka" und "Kafka für Boshafte"

Suhrkamp | insel taschenbuch

Nikolas Mahler - „Komplett Kafka“ ist bei Suhrkamp und „Kafka für Boshafte“ im Insel Verlag erschienen.

Aus den Werken von und über Kafka hat Nicolas Mahler die Perlen herausgesucht und neben der illustrierten Biographie „Komplett Kafka" auch den Zitateband „Kafka für Boshafte“ zusammengestellt. Das ist allerdings nicht chronologisch, wie etwa in der Comicbiografie von Robert Crumb.

Mit den beiden Büchern von Nicolas Mahler hat man schon einen guten Einstieg ins Kafka-Jahr 2024. Erklärungen findet man allerdings keine. Von Analysen, in denen man etwa die Bedeutung von „Die Verwandlung“ hinterfragt, rät Nicolas Mahler dringend ab. „Das ist ja gerade bei Kafka tödlich. Also einen Kafka-Text zu analysieren, das nimmt ja alles raus. In meinen Büchern wird nicht erklärt, was das ist oder was das Besondere ist. Das merkt man entweder oder man merkt es nicht.“

Das merkt man entweder oder man merkt es nicht.

Nicolas Mahler schaut aus dem Fenster

Zita Bereuter

Nicolas Mahler zeichnet Comics und Cartoons für Zeitungen und Magazine wie Die Zeit, Titanic, oder die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Er hat die unkorrekte Biographie von Thomas Bernhard, dessen „Alte Meister“, die „Ulysses“, den „Mann ohne Eigenschaften“, „Alice im Wunderland“, die Nachtgestalten ebenso wie alle Filme von Romy Schneider gezeichnet. Für sein umfangreiches Werk wurde er mehrfach ausgezeichnet; unter anderem erhielt er 2010 den Max-und-Moritz-Preis als „Bester deutschsprachiger Comic-Künstler“.

Nicolas Mahler - Direktor der Schule für Dichtung

Nicolas Mahler löst im März 2024 Fritz Ostermayer als Direktor der Schule für Dichtung ab. „Es wird schon eine Kafka-Klasse geben. Das ist schon der Plan.“ Wer die Klasse führen wird, sei noch nicht in Stein gemeißelt. „Die Kafka-Klasse wollte eigentlich ich machen, dann habe ich gedacht: Nein, ich hab da wen, der ist noch viel besser geeignet und der macht die Kafka-Klasse.“

Die Schule für Dichtung soll jedenfalls eine Mischung werden. „Ich möchte das nicht zu einer Comicschule machen, sondern im Idealfall vermischt sich dann alles.“ Er selbst kennt die verschiedenen Blasen von Comic, Literatur und auch Film. „Was mich immer fasziniert oder erstaunt hat, ist, dass die sehr wenig voneinander wissen oder sich auch überhaupt nicht interessieren.“ Dem will er entgegenwirken. „Die Idealvorstellung wäre, das ein bisschen zu durchmischen. Also, dass schon Zeichner:innen, Lyriker:innen, experimentelle Sachen und dann vielleicht auch banale Witze oder einfach Sprachspielereien sich vermischen.“

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