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Livia Praun

Die Ungerechtigkeiten und Absurditäten der heutigen Arbeitswelt

In ihrem ersten Buch „Not Your Business, Babe!“ nähert sich die Journalistin Verena Bogner der harten Arbeitswelt aus einer feministischen Perspektive an. Dabei gibt sie echte Tipps und Tricks, wie man in ihr gut überleben kann - anstatt immer nur Selfcare und mehr Confidence zu verschreiben.

Von Livia Praun

Auf den ersten Blick wirkt das Buch wie ein 08/15-Ratgeber, der erklärt, wie man als Frau mit ein bisschen Confidence zum Girlboss werden kann. Der Schein trügt aber - genau von solchen Büchern hält Verena Bogner nichts. Stattdessen lenkt sie den Blick auf die strukturellen Ungerechtigkeiten, die in der Arbeitswelt herrschen: Ob der Gender Pay Gap, dass Bildung vererbt wird oder auch, dass Menschen mit Migrationshintergrund bei der Jobsuche diskriminiert werden.

Verena Bogner Bild

Ingo Pertramer

Verena Bogner ist freie Journalistin und lebt in Wien. Sie hat etwa für VICE und Broadly gearbeitet, schreibt momentan für Glamour und Business Punk und ist Teil des Meme-Accounts @galerie.arschgeweih. Sie schreibt zudem für FM4 eine Kolumne, in der sie sich popkulturellen Themen widmet.

Mit Sätzen wie „Du kannst alles schaffen, wenn du nur willst“ wird vermittelt: Diese Barrieren sollen und können einfach mit harter Arbeit beseitigt werden. Verena Bogner geht mit dieser Einstellung hart ins Gericht: Strukturelle Ungerechtigkeiten werden so nämlich ignoriert und das Scheitern voll und ganz Individuen angelastet.

Verena Bogner kennt das auch von sich selber: als sie weniger verdient hat als ihr Kollege, als sie wieder den Café fürs Meeting vorbereiten musste oder als sie am Wochenende doch auch arbeiten musste. Den Grund dafür hat sie stets bei sich selbst gesucht. „Irgendwann habe ich gecheckt, da läuft nicht nur bei mir was falsch, sondern es betrifft wirklich fast alle“, erzählt sie im FM4-Interview. Diese Erkenntnis ist der Ausgangspunkt von „Not Your Business, Babe!“

Sie sieht sich genauer an: Wer sind die Verlierer:innen am Arbeitsmarkt, und wieso? Ebenso greift sie aktuelle Begrifflichkeiten, Phänomene und Mythen der Arbeitswelt auf und kritisiert sie. Etwa die „Hustle Culture“, also die Vorstellung, alles erreichen zu können, wenn man die Arbeit über alles andere stellt (auch die eigene mentale Gesundheit). Oder der oberflächliche „Girlboss-Feminismus“, der den Fokus darauf legt, einzelne Frauen zu empowern und auf Chef:innenetage zu befördern. Auch geläufige Begriffe wie „Empowerment“ und „Selfcare“ nimmt sie in ihrem Buch genauer unter die Lupe: Was bedeuten diese Wörter eigentlich? Und ist unser Verständnis davon nicht etwas in Schieflage geraten?

„Unsere Gesellschaft sagt uns immer wieder: Du als Individuum bist schuld, wenn du scheiterst, wenn du nicht erfolgreich genug bist (...) Aber es steckt einfach viel mehr dahinter.“ - Verena Bogner im FM4-Interview

Verena Bogner Bilder

Livia Praun

Echte Selfcare statt Gesichtsmasken

Verena Bogner kritisiert nicht nur scharfsinnig, sondern sucht auch nach Lösungen. Denn momentan sorgen die Arbeitswelt und die Bedingungen, die in ihr herrschen, für müde, ausgebrannte Arbeitnehmer:innen. Es geht aber nicht um Schein-Lösungen wie: „Du fühlst dich am Arbeitsplatz übergangen? Sei doch einfach selbstbewusster!“ oder „Du fühlst dich ausgebrannt? Wie wär’s mit bisschen Selfcare!“ Allzu oft werden solche Tipps gegeben, aber hilft eine Gesichtsmaske wirklich gegen tiefste Unzufriedenheit? „Das ist vielleicht mal für eine Viertelstunde angenehm, aber es ist halt genau eine von diesen individualisierten Scheinlösungen, die eigentlich gar nichts besser machen“, meint Bogner.

Cover von It's not your business babe

Kiepenheuer & Witsch

„Not Your Business, Babe!“ von Verena Bogner ist im Kiepenheuer & Witsch Verlag erschienen.

Weder Me-Time noch teure Produkte noch Selbstbewusstsein helfen letztlich, strukturelle Barrieren zu überwinden. Was kann und soll man als Arbeitnehmer:in dann überhaupt machen? „Wichtig ist einfach, dass man auch auf sein eigenes Wohlergehen schaut“, sagt Verena Bogner. Sie hat in ihrem Buch gemeinsam mit Expertinnen Tipps erarbeitet, wie man nachhaltig auf sich schauen kann. Zum Beispiel rechtzeitig die Leine zu ziehen, „wenn man nicht mehr kann, und dass man nicht die Grenzen so lange ignoriert, bis man zusammenbricht oder an einem Burnout leidet.“

Systemkritik und Popkultur

Mit „Not Your Business, Babe!“ zeigt Verena Bogner, dass viele der Probleme in der Arbeitswelt nicht von Individuen verursacht und dementsprechend auch nicht individuell gelöst werden können. Und sie schreibt ein Plädoyer dafür, sich in erster Linie um sich selbst und Mitstreiter:innen zu kümmern, und nicht um ausstehende Mails oder die Anliegen von Chef:innen.

Ihr ist es gelungen, das vielschichtige und komplizierte Thema der Arbeitswelt unterhaltsam runterzubrechen. Dabei paart sie ihre Systemkritik mit Verweisen auf Popkultur, etwa die Kardashians, Natürlich Blond oder Beyoncé. Was gewöhnungsbedürftig klingt, macht genau den Reiz des Buchs aus. Zu seicht ist es dadurch nicht geworden, in „Not Your Business, Babe!“ steckt neben viel Meinung auch viel Recherche drin - etwa Gespräche mit Expertinnen wie auch zahlreiche Statistiken und Studien. Eine Empfehlung.

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