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Protagonist im Spiel

Sony / Team Ninja

Geschichtsstunde als Game

Der Playstation-Exklusivtitel „Rise of the Ronin“ verzichtet auf Fantasy und nimmt uns mit in ein realistisches Japan des 19. Jahrhunderts. Ein mutiges Projekt, das schon im Vorfeld für eine Kontroverse gesorgt hat.

Von David Riegler

Das japanische Entwicklungsstudio Team Ninja ist bekannt für Spiele mit einer guten Kampfmechanik und einem hohen Schwierigkeitsgrad, zum Beispiel die erfolgreiche „Nioh“-Reihe oder zuletzt „Wo Long“. Jetzt haben die Entwickler:innen mit „Rise of the Ronin“ ein sehr ambitioniertes Spiel veröffentlicht, das vom Schwierigkeitsgrad auch für Einsteiger:innen funktioniert und ein realistisches historisches Setting bietet, das durchaus risikoreich ist.

Protagonist reitet auf Pferd

Sony / Team Ninja

Zwillinge als gefährliche Assassine

Wir befinden uns im Japan des 19. Jahrhunderts, eine Zeit des Umbruchs und der innen- und außenpolitischen Konflikte für Japan. Zu dieser Zeit tobte gerade der Boshin-Krieg, der als erster militärischer Konflikt mit modernen Waffen geführt wurde und zu Zerstörung, Hunger und Unruhen im Land führte. Wir spielen ein Zwillingspaar, bei dem wir selbst Geschlecht und Aussehen bestimmen können. Die Zwillinge überlebten ein Massaker in ihrem Heimatdorf und wurden von einer Schwertmeisterin aufgenommen und als gefährliche Assassine trainiert.

Kampf gegen Offizier Perry

Sony / Team Ninja

Gleich nachdem die tragische Kindheit der Protagonist:innen erzählt wurde, beginnt die Action und wir treffen auf die erste wichtige historische Figur. Wir begleiten die Zwillinge auf ein Boot der sogenannten „Schwarzen Flotte“, die aus den Vereinigten Staaten kommend mit schwerer Bewaffnung die Handelsöffnung Japans erzwingen soll. Wir kämpfen uns mit Schwertern und später auch mit Schusswaffen durch das riesige Schiff, treffen den Seeoffizier Matthew Perry (keine Verwandtschaft zum Schauspieler Matthew Perry) und müssen ihn in einem spektakulären Kampf besiegen.

Keine Veröffentlichung in Südkorea

Obwohl das Spiel nicht dokumentarisch ist, gibt es zahlreiche historische Figuren wie den Seeoffizier Perry, die alle wirklich gelebt haben, was bereits vor der Veröffentlichung zu einer Kontroverse geführt hat. In „Rise of the Ronin“ kommt der japanische Gelehrte Shōin Yoshida als Figur vor; in einem Youtube-Video hat der Spielregisseur Fumihiko Yasuda positiv über den umstrittenen Gelehrten gesprochen und ihn mit dem griechischen Philosophen Sokrates verglichen: „Ich wollte seine Lehren und sein Leben ab dem Moment darstellen, als ich mit der Arbeit an „Rise of the Ronin“ begann.“

Das hat vor allem in Südkorea für Aufregung gesorgt, da der Gelehrte Yoshida sich für ein großjapanisches Reich ausgesprochen hat, was später auch durch die leidbringende Besetzung Koreas durchgeführt wurde. Die positive Darstellung von Yoshida hat alte Wunden zwischen den Nationen aufgerissen und Sony hat angekündigt, das Spiel am südkoreanischen Markt weder physisch noch digital zu vertreiben.

Geschichtsunterricht auf der Playstation

Geschichte kann schmerzhaft, aber auch unglaublich interessant sein. Abseits dieser Kontroverse gibt es im Spiel immer wieder Momente, die einem die Vergangenheit auf niederschwellige Weise nahebringen. Kleidung, Architektur und sogar die Waffen wirken authentischer als in vielen anderen Games, die das alte Japan darstellen. Man ist als Spieler:in Teil dieser Geschichte und kann sich zum Beispiel frei entscheiden, ob man sich einer Pro- oder Anti-Shogunats-Fraktion anschließt, und damit den Verlauf des Spiels beeinflussen. Auch ohne historisches Wissen oder Japan-Expertise kann man allerlei interessante Fakten erfahren, was der detaillierten Erzählweise des Spiels zu verdanken ist.

Japanische Architektur und Papierlampen

Sony / Team Ninja

Direkt nach der Einführung wird man in einer offenen Welt losgelassen und kann dabei historische Regionen wie Yokohama im eigenen Tempo erkunden. Es gibt immer wieder kleine Nebenquests, Aufträge der Dorfbewohner; man kann auch auf eigene Faust Materialien sammeln und nützliche Werkzeuge daraus basteln oder einfach auf ein Dach klettern und eine Katze streicheln. Wer bereits einige Ubisoft-Spiele hinter sich hat wird ein bekanntes Muster auf der Karte erkennen: Es gibt zahlreiche Dörfer, die darauf warten, befreit zu werden, was mit der Zeit sehr repetitiv werden kann.

Ein Infotainment-Blockbuster

Die Landschaft, in der man sich bewegt, ist durchaus schön anzuschauen, aber keine Revolution im Bereich der Blockbuster-Games. Die Kampfmechanik hingegen funktioniert auf hohem Niveau, so wie man es von Team Ninja aus anderen Spielen kennt. Man kann den Kampf für sich entscheiden, wenn man genau in der richtigen Sekunde die Taste zum Kontern klickt. Wer eher nicht für herausfordernde Kämpfe da ist, kann problemlos den Schwierigkeitsgrad runterschrauben und sich am Rest des Spiels erfreuen.

Vogelperspektive Game

Sony / Team Ninja

„Rise of the Ronin“ ist ein stabiles Action-RPG, das vor allem durch den historischen Zugang glänzt. Völlig auf Fantasy und Mythologie zu verzichten hätte auch leicht schiefgehen können, aber da die gewählte Epoche derartig turbulent war, gibt es auch so genug zu erleben. Man muss dem Spiel auch zugutehalten, dass es zumindest oberflächlich große Themen wie Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit und die Folgen des Kolonialismus anspricht, auch wenn es nicht immer für Tiefgang reicht.

Das Spiel ist eine gute Mischung aus Unterhaltung und Geschichtsstunde und ist vor allem für Einsteiger:innen und unregelmäßige Gamer:innen eine interessante Option. „Rise of the Ronin“ ist sicherlich nicht perfekt und hätte in der offenen Welt noch abwechslungsreichere Quests vertragen können, aber im besten Fall ist man gut unterhalten, lernt den einen oder andere historischen Fakt und wir zum Nachdenken angeregt – und allein dafür lohnt es sich schon, sich auf diese Reise in die Vergangenheit zu begeben.

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