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The Libertines: Pressefotos zum Album "All Quiet On The Eastern Esplanade"

Ed Cooke

The Libertines: „All Quiet On The Eastern Esplanade“

The Libertines waren Anfang der 00er Jahre eine der aufregendsten britischen Bands. Peter Doherty und Carl Barat, die beiden Masterminds, liebten und hassten einander. Das konnte so nicht lange gut gehen. Jetzt fahren The Libertines in ruhigeren Gewässern und können mit der neuen Platte endlich richtig zeigen, was sie können.

von Eva Umbauer

Jetzt haben The Libertines es also tatsächlich geschafft und eine neue Platte veröffentlicht, ein komplettes Album, das das bisher kollaborativste der englischen Band ist. Obwohl Peter Doherty ja mittlerweile in Frankreich lebt und Bassisst John Hassal nun in Dänemark zuhause ist. Im bandeigenen Tonstudio The Albion Rooms in Großbritannien wurde alles, was die vier einzelnen Bandmitglieder an Songmaterial entwickelt hatten, schließlich zum Album „All Quiet On The Eastern Esplanade“.

Down in Albion: FM4 Redakteurin Lisa Schneider war bei zwei Shows der Libertines in Margate - hier der Reisebericht.

Die Albion Rooms befinden sich in einem Gebäude, das insgesamt The Albion Rooms heißt und ein Hotel ist. Der Ort an dem das Haus steht ist der südostenglische Küstenort Margate, nicht weit von London entfernt und dennoch eine kleine Welt weit weg. Das heruntergekommene Margate ist wieder auf einem etwas besseren Weg, und wenn die Libertines dazu beitragen, dann freuen sie sich total. Die Band hat ein altes Hotel gekauft, ein schäbiges Bed & Breakfast, es liebevoll renoviert und eingerichtet mit vielen Inspirationen aus der Welt des Rock´n´Roll.

Hier in den Albion Rooms ist also das neue Album der Libertines entstanden. Die Hausnummer ist 31, und die Straße heißt Eastern Esplanade. „All Quiet On The Eastern Esplanade“, so der Albumtitel. Das ist nicht nur einfach die Beschreibung eines herrlich unaufgeregten Tages dort, sondern weist darauf hin, dass bei den Libertines die Dinge nun angenehm friedlich sind. Dieses Ding namens The Libertines ist zu wertvoll, um es wieder zu riskieren, wissen Peter Doherty und Carl Barat nun.

Die Libertines spielen am 30.6. beim Lido Sounds Festival in Linz.

Eigentlich wollten die beiden kongenialen Köpfe der Libertines ja nie etwas anderes tun, als, wie sie zur Zeit in Interviews gerne sagen, gute Songs zu schreiben, sie aufnehmen, veröffentlichen und dann auf einer Bühne spielen, aber es ist immer etwas dazwischengekommen, nämlich sie selbst. Sie sind sich dabei allzu oft selbst im Weg gestanden. Das ist eine wirklich gute Einsicht, und es ist schön, dass sie jetzt gekommen ist und nicht erst in, sagen wir, zwanzig Jahren.

Der Song „Run Run Run“, einer der sogenannten Key-Tracks von der neuen Libertines-Platte, hat damit zu tun. „It´s about being trapped and trying to escape your past“, sagt Carl Barat über den Song, der ein klassischer, Sixties-inspirierter Libertines-Track ist, über den Peter Doherty erzählt, dass er gar nicht so leicht zu schreiben war, obwohl ihm das Schreiben heute eigentlich recht leicht fällt. Was er früher nicht gedacht hätte, dass er das könne, nämlich ganz ohne Drogeneinfluss.

Der „neue“ Peter Doherty lebt mittlerweile in der Normandie, im Norden von Frankreich, in einem kleinen Ort, wo die Verlockungen des Rock’n’Roll, oder jedenfalls das, was man darunter verstehen könnte, nicht gegeben sind. Dort geht er gern spazieren, auf schmalen Wegen zwischen grünen Kuhweiden, zusammen mit Frau und Hund, und neuerdings auch mit Baby im Kinderwagen.

Das ist eine wirklich schöne Idylle, für die es sich zu kämpfen gelohnt hat, denn, so gibt Peter Doherty unumwunden zu, das Heroin fehlt ihm durchaus noch manchmal. Carl probierte die Droge mal, er mochte sie aber nicht, wie er meint, also blieb ihm das erspart, was Pete durchmachen musste.

Pete Doherty nennt sich heute lieber Peter Doherty - erwachsen werden/sein eben. Vor zwei Jahren veröffentlichte er ein Album, das er zusammen mit dem französischen Musiker Frédéric Lo erschaffen hatte. „The Fantasy Life Of Poetry And Crime“ zeigte einen Peter Doherty im Besitz großer Kräfte, die er dann auch auf die neuen Songs mit den Libertines übertragen konnte.

Eigentlich, so bekennt Peter Doherty, dachte er bei allen seinen Songs abseits der Libertines immer zuerst, ob sie denn auch Carl gefallen würden. Die tiefe Freundschaft der beiden wurde oft auf die Probe gestellt, nicht nur als Pete(r) einmal in der Wohnung von Carl einfiel, Gegenstände mitnahm zum Verkaufen, um seinen Drogenkonsum zu finanzieren. Schnee von gestern.

"The worst thing for the Libertines would be to get stuck in a „run-run-run" rut, constantly trying to re-write our past.“ - Carl Barat, The Libertines

Da stehen sie also nun, mit festen Beinen, die Libertines auf der Eastern Esplanade. Weitere starke Tracks, neben „Run Run Run“, sind etwa „I Have A Friend“, das von der englischen Band The Beautiful South und ihrem Frontmann Paul Heaton inspiriert ist, wie auch vom Schrecken des Angriffs auf die Ukraine: „It started out as a Beautiful South cover, ‚I have a friend who’s never up by ten‘, from the song ‚From Under The Covers‘ off the 1989 album ‚Welcome To The Beautiful South‘. We started it in Jamaica, but then we pretty much wrote it in the Albion Rooms in response to the Ukraine war. It’s only called ‚I Have A Friend‘ because that was the old lyrics and we didn’t get around to giving it a new title.“

Peter Doherty freut sich auf diesen Song ganz besonders live: „Thrashing it out, because when you do a mad song like that live with a lot of ad-lib lyrics, it’s hard to get back into the mindset of exactly what it’s about.“

Ein anderer der neuen Songs, „Man With The Melody“, geht weit zurück. Zuerst singt John Hassall, dann singt Peter, dann Carl, dann Drummer Gary, und schließlich alle vier Libertines. Geschrieben hat ihn vor langer Zeit Bassist John Hassall. Peter und Carl fanden ihn zwar toll, ließen ihn John aber trotzdem nie als Libertines-Song durchgehen. Vielleicht hatten sie ja Angst vor einem guten Song, den nicht sie selbst geschrieben hatten.

The Libertines: Pressefotos zum Album "All Quiet On The Eastern Esplanade"

Ed Cooke

Jetzt ist es endlich soweit, die beiden konnten dieses Lied zulassen, es bekam bloß einen anderen Titel und wurde ein wenig adaptiert, samt Orchester-Arrangements. „It’s that strong that it has now raised its head“, sagt Peter Doherty über „Man With The Melody“. „It refused to go down, and it just keeps getting up, and here it is.“ Die neue persönliche Reife von Peter Doherty und Carl Barat, mit Tausend Dank an den geduldigen, loyalen John Hassall. „All Quiet On The Eastern Esplanade“ ist in der Tat die bislang kollaborativste Platte der Libertines.

The Libertines: Comeback Album "All Quiet On The Eastern Esplanade" Cover

EMI / Universal

„All Quiet On The Eastern Esplanade“ von The Libertines wurde vom französischen Musiker/Producer Dimitri Tikovoi produziert, der auch schon mit Placebo, den Horrors oder Carli XCX arbeitete, und ist am 5.4.2024 bei EMI/Universal Music erschienen.

„All Quiet On The Eastern Esplanade“, das vierte Studioalbum der Libertines, ist ein toller Reboot der Band. Man ist nun auf der Suche nach einem anderen High. Die Band ist klar zu erkennen, aber auch irgendwie ein wenig anders.

Bei „Merry Old England“ gibt es Synths und Streichinstrumente - während es inhaltlich um irreguläre Migration geht, „Mustang“ klingt ein wenig nach Rolling Stones, „Oh Shit“ ist sehr Carl-Barat-Punk, wie auch „Run Run Run“, und das intensive „Shiver“ ist ein Höhepunkt, der Beweis genug dafür ist, wie gut Doherty/Barat einander ergänzen, wie gut sie miteinander harmonieren, und dass tatsächlich kein Blatt Papier zwischen diese beiden Typen passt.

Dieses heruntergekommene Hotelgebäude im verschlafenen Margate zu erstehen, war eine richtige Entscheidung der Libertines. 31 Eastern Esplanade: Dort wird wohl noch mehr entstehen. The future looks bright...

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