Warten und Bangen bei den Laax Open
Von Simon Welebil
Es gibt wohl nichts Schöneres für SnowboarderInnen als jeden Tag frischen Pulverschnee, außer man möchte ganz gerne einen Contest fahren. In Laax in der Schweiz hat das weiße Gold diese Woche den Ablauf der Laax Open, des größten und beliebtesten Snowboard-Events, durcheinandergeworfen. Am Montag findet bei strahlend blauem Himmel ein Training statt, in der Nacht darauf beginnt es dann zu stürmen und zu schneien.
Mehr als zwei Meter Neuschnee fallen in den nächsten Tagen vom Himmel. Nacheinander werden die Qualifikation für den Slopestyle-Contest und die Semifinali immer weiter nach hinten verschoben. „Wir wachen jeden Morgen auf und denken uns, wir sollten lieber powdern gehen, als diesen Contest zu machen. Es gibt einfach keine Chance, über diese Kicker drüber zu kommen, wenn jeden Tag ein halber Meter Schnee im Kurs liegt“, sagt Clemens Millauer.
Simon Welebil
Letzte Chance, vorbei!
Am Freitag, dem letzten Tag des Contest-Zeitfensters versuchen die Veranstalter noch einmal alles, auch weil die Laax Open die letzte Chance für viele RiderInnen sind, sich noch für die Olympischen Spiele in Pyeongchang zu qualifizieren. Die Park-Shaping Crew ist schon um zwei Uhr früh am Berg, doch auch diese Mühe ist vergebens. Es gibt kaum Sicht und zu viel Wind. Der Contest wird abgesagt.
Besonders bitter ist das für all diejenigen, die dadurch um die Chance gebracht wurden, sich noch unter die Top 40 der Weltrangliste zu schieben und sich damit einen Startplatz für Olympia zu sichern. Der Innsbrucker Philipp Kundratitz ist einer von ihnen: „Zwei Jahre haben wir darauf hingearbeitet, da hinzufahren und dass es jetzt am Wetter scheitert, ist sehr bitter.“
Laax Open/Ruggli
So bleiben Clemens Millauer und Anna Gasser die einzigen beiden Freestyle-Snowboarder aus Österreich, die Anfang Februar nach Pyeongchang reisen. Slopestyle und Big-Air Contest sind dort auf das erste und letzte Wochenende gelegt worden. Über 20 Tage werden sie also rund um das aus dem Boden gestampfte Ressort Alpensia verbringen. Die Anzahl ihrer Powdertage, die sie in Laax gewaltig nach oben geschraubt haben, werden sie dort wohl nicht mehr erhöhen können.
Was eine Halfpipe-Tradition so hervorbringt
Dass der Slopestyle Contest bei den Laax Open ausfällt, ist für die Schweizer kein Beinbruch. Für sie ist das Highlight eindeutig der Halfpipe Contest, der auch etwas weniger wetteranfällig ist. Die Schweiz hat eine Halfpipe-Tradition. Der erste Olympiasieger in der Halfpipe, Gian Simmen 1998, kommt aus der Schweiz, genauso wie der aktuelle, Iouri Podlatchikov, der 2014 in Sotschi die Goldmedaille vor Shaun White geholt hat und das heuer gerne wiederholen würde.
Laax Open/Ruggli
Die frühen Erfolge Schweizer Halfpipe Rider haben sich in der Infrastruktur niedergeschlagen. Die Schweiz hat eine Halfpipe-Dichte wie wohl nirgends sonst auf der Welt, in Davos, Crans Montana und Saas Fee stehen etwa ordentliche Halfpipes, in denen neue Generationen heranreifen, die größte Pipe aber steht hier in Laax: 200 Meter ist sie lang, genug für sieben bis acht Hits, die Wände sind sieben Meter hoch und steil wie nirgends sonst auf der Welt.
Simon Welebil
Dazu kommt, dass der Pipe-Shaper in Laax der beste auf der Welt ist, wenn es nach dem Schweizer Snowboard-Pro Jan Scherrer geht: „Die Pipe ist jeden einzelnen Tag auf einem Niveau, auf dem man einen Riesen-Contest durchführen könnte. Wenn das Wetter schön ist, ist es immer optimal, hier zu trainieren.“ Bei diesen Voraussetzungen wundert es nicht, dass die Schweiz das volle Nationenkontingent für die Olympischen Spiele ausnützen und vier Rider nach Pyeongchang schicken kann. Aus Österreich gibt’s in der Halfpipe keinen einzigen.
Simon Welebil
“Wenn was passiert, ist es richtig scheiße“
Im Contestfinale geht es in dieser Pipe gleich unglaublich hoch und mit unglaublich beeindruckenden Tricks los, trotz der recht langsamen Pipe, bedingt durch den Schneefall. Das Publikum geht von Anfang an voll mit, vor allem weil die Schweizer Rider ganz vorn mit dabei sind. Doch im zweiten Finaldurchgang stockt allen der Atem. David Hablützel springt ein bisschen zu früh ab, kann dem Druck in der Pipe nicht mehr standhalten, den man braucht, um wieder in der Pipe zu landen, crasht dann voll oben drauf und fällt anschließend die sieben Meter auf den Grund der Pipe.
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„Das ist vielleicht der schlimmste Bail, den ich je in der Pipe gesehen habe“, meint Jan Scherrer und macht sich Sorgen um seinen Teamkollegen, die später jedoch – zumindest teilweise – entkräftet werden. Nach ersten Meldungen aus dem Krankenhaus kommt er mit starken Prellungen der Lendenwirbelsäule und der Schulter sowie einer Gehirnerschütterung davon.
Der gigantischen Halfpipe will Jan Scherrer nicht die Schuld am Sturz zuschreiben: „Es ist sogar erstaunlich, dass es hier passiert, weil hier die Pipe bei jedem Hit genau gleich ist und man so gut Vertrauen in die Pipe aufbauen kann. Logischerweise, wenn hier mal was passiert, dann ist es richtig scheiße.“
Simon Welebil
Wer den Contest nach diesem Horror-Sturz gewinnt, ist in diesen Momenten in Laax nur mehr zweitrangig. Iouri Podlatchikov setzt sich schlussendlich vor Yuto Totsuka aus Japan und dem Chinesen Yiwei Zhang durch. Bei den Frauen gibt es durch Jiayu Liu und Xuetong Cai einen chinesischen Doppelsieg vor Queralt Castellet aus Spanien.
Publiziert am 21.01.2018