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Paceshifte5rs am Eurosonic Festival

Bart Heemskerk

„Erfolg ist wenn es Spaß macht!“

Alle Jahre wieder ein Fixpunkt im Kalender: der Ausflug zum Eurosonic nach Groningen, um das wichtigste Showcase Festival Europas zu besuchen.

Von Susi Ondrusova

Wie wir das früher gemacht haben, daran können wir uns kaum noch erinnern: die Venues finden und auch uns selber. Damals, als es kein Datenroaming gab, geschweige denn Telefone mit Stadtplan-App. Dabei ist das 200.000 Einwohner_innen umfassende Städtchen Groningen recht überschaubar. Im Radius von maximal 15 Minuten Fußweg hat man hier recht schnell jede Ecke und Venue abgeklappert. Perfekte Voraussetzungen für Gig-Hopping.

Knapp 50 Live-Venues bietet Groningen während dem Eurosonic Norderslaag Festival. Vom großen Zelt am Marktplatz bis zum Theater, Club oder kleineren Bars. Das Eurosonic ist ein Showcase Festival und einer der wichtigsten „Arbeitstermine“ für die Musikbranche. Hier treffen sich jedes Jahr im Jänner an die 40.000 Musikfans und Musikarbeiter_innen. Am Eurosonic Festival wappnet man sich für das kommende Musikjahr: mit Impressionen und Eindrücken über verschiedenste Musikszenen Europas. Es geht darum die Netzwerke auszubauen. Zu den Besucher_innen des Festivals zählen neben Musikhungrigen, Journalistinnen auch Booking Agents, Labelbetreiber oder Manager. Untertags wird der Status Quo der Musikindustrie besprochen und am Abend werden Konzerte besucht. An die 500 Acts treten hier pro Jahr auf.

Der letzte Tag vom Eurosonic Noorderslag Festival ist Bands aus den Niederlanden gewidmet, an den drei Tagen davor ist das Programm mit Acts aus über 40 Nationen im wahrsten Sinne des Wortes: durchmischt.

Zur Eröffnung vom Eurosonic Festival finden die EBBA Awards statt: Die European Border Breakers Awards. Europäische Musiker_innen werden für ihren Erfolg außerhalb der eigenen Landesgrenzen ausgezeichnet, was u.a. an Radio-Plays gemessen wird. Aus Österreich konnten schon Elektro Guzzi oder Soap&Skin diesen Preis mit nach Hause nehmen. Heuer gelang das der norwegischen Musikerin Sigrid, die von der BBC Anfang des Jahres auch zur „Sounds of 2018“-Gewinnerin gekürt wurde.

Das Studium der Festival-App bringt jedes Jahr Erleuchtungen in punkto Band-Namen-Trends. „The“-Bands sind eindeutig in der Minderheit. Originelles steht am Plan. So wird man plötzlich zu Bands wie den britischen Warmduscher oder den Schweden von Jesus Chrüsler Supercar gelockt.

Nihils und Cool Quest beim Eurosonic

Radio FM4 / Susi Ondrusova

The Cool Quest

Na gut: eine The-Band. The Cool Quest waren auf meiner „bands to watch“ list dabei. Die fünfköpfige Hip-Hop-Formation aus Holland hat am Eurosonic einen der besten Slots bekommen: Headliner auf der großen Zelt-Bühne am Marktplatz. Im Interview erzählt Sänger/Rapper Vincent über einen Weg, den auch hierzulande heimische Bands antreten müssen: zuerst den eigenen Sound finden und sich dann nicht nur in der Heimat zu etablieren, sondern auch über die eigenen Landesgrenzen hinaus versuchen, Fuß zu fassen. Mit einem internationalen Sound, der sich eben an Helden wie Chance The Rapper, Anderson.Paak oder Kendrick Lamar orientiert. Im benachbarten Ausland spielen ist für die Band wie ein Neuanfang, ein Sich-Neu-Vorstellen. Als Erfolgsziel geben The Cool Quest an, irgendwann mal ein eigenes Studio besitzen zu wollen. Und: keine Kompromisse eingehen zwecks Vermarktung und „kommerziellen“ Ansprüchen. Sich selbst treu bleiben also.

Die Londoner Musikerin Nilüfer Yanya will auch nichts anderes ausser Musik machen. Oder ihre zwei Lieben Film und Musik verbinden. Vielleicht mal in einem Kino performen. Die 21jährige Nilüfer Yanya hat es heuer ebenfalls auf die BBC Sounds of 2018-Liste geschafft und sich am Eurosonic Festival präsentiert. Das erste Mal den Wunsch, Musikerin zu werden, hat sie mit 11 geäußert. Sie hat als Kind angefangen, Klavier zu spielen, hat Gitarrenunterricht beim Invisible-Frontman Dave Okumu genommen und mit einem Cover von Pixies‘ „Hey“ von sich hören gemacht. Seit „Baby Luv“ sind die Augen und Ohren der von Singer/Songwriter-begeisterten Musikfans auf sie gerichtet. Das Debütalbum soll heuer erscheinen.

Neben Gitarre, Bass, Schlagzeug ist in ihrer Live-Band jedenfalls auch eine Saxophon-Spielerin, was ihrem Liveset eine recht spannende Note verliehen hat, an der sich andere Folk-Liebhaber eventuell auch stören werden. Das Saxophon ist schließlich ein Instrument der „love it or leave it“-Familie.

Neben Bands aus Dänemark den heuer am Eurosonic ein Schwerpunkt gewidmet war, haben auch sechs österreichische Acts auf dem Eurosonic Festival performt: Ankathie Koi, AVEC, Cari Cari, Hearts Hearts, Nihils und Thirsty Eyes.

AVEC, Ankathie Koi und Cari Cari

Radio FM4 / Susi Ondrusova / Nina Hochrainer

AVEC, Ankathie Koi und Cari Cari

Österreichische Acts am Eurosonic Festival

Die wichtigste Währung am Eurosonic Festival sind die Schlangen vor den Venues. Nachdem die Livesets nie länger als 45 Minuten dauern und das Publikum hier recht sprunghaft ist und immer am Weg zum nächsten Act eilt, galt es bei den Konzerten auch zu beobachten, wie schnell sich das Publikum austauscht oder gar leerräumt. Beim Konzert von Ankathie Koi war von Letzterem nichts zu merken: hier gab es sogar „Zugabe“-Rufe und eine Luftballon-Blume aus der ersten Reihe. Die Hearts Hearts waren ins Grand Theatre, eine der populärsten Venues, gebucht und Cari Cari durften sogar an zwei Tagen hintereinander auftreten: in einer Kirche, einer „normalen“ Rock-Venue und eine Acoustic-Performance am Nachmittag stand auch noch am Plan.

Erfolg bedeutet für Cari Cari „das zu tun was wir wollen. Jeden Tag aufstehen und mir denken: Ich darf das machen.“ Ankathie Koi hatte schon von befreundeten Bands über das Eurosonic erfahren. Manche haben hier die besten Kontakte geknüpft, andere sind heimgefahren und haben „nur“ ein schönes Konzert gespielt. Für die Nihils ist es spannend, „Feedback zu bekommen“ und Kontakte herzustellen mit jenen, die zum Beispiel für die Bookings diverser Festivals im Ausland zuständig sind.

Nihils und Cool Quest beim Eurosonic

Radio FM4 / Susi Ondrusova

Nihils

Für die „Business“ Gespräche im Hintergrund sind die jeweiligen Manager der Bands zuständig. Diesen Job übernimmt bei Ankathie Koi etwa Bettina Pammer: „Neben toller Berichterstattung und zwei TV Interviews sind wir von VeranstalterInnen und BookerInnen aus Deutschland kontaktiert worden und arbeiten gerade daran, die eine oder andere spannende Kooperation zu verwirklichen.“

Auch Hannes Tschürtz von inkmusic, der heuer seine Schützlinge Cari Cari zum Eurosonic begleitet hat, erwähnt bei seinem Fazit, dass die Medientermine für die Band wichtig waren: „Es ist mit jeder Band, die zum ersten Mal so einen Zirkus mitmacht, aufs Neue aufregend. Viele Teile der Arbeit für uns haben sich längst ins Vorfeld und den Aufbau zum Festival hin verlagert. Ich behaupte einmal, wir sind da recht gut drin. Entsprechend ist der Outcome vom Eurosonic dann besonders positiv, wenn die Band auf der Bühne das erzeugte Bild erfüllen kann. Dazu kommen fraglos weitere Faktoren, auch Glück – etwa in der Programmierung. Tatsächlich hat die Band „abgeliefert“ - das Feedback zu den Shows war ausgesprochen gut. Safe to say: Wir werden die zwei heuer ordentlich durch Europa schicken dürfen.“

Die Arbeit im „Vorfeld“ betrifft das Trommeln und Spannung aufbauen, damit überhaupt die „richtigen“ Partner zum gewünschten Konzert vorbeikommen. Max Zeller von der Wiener Artist Management & Booking Agentur Konvoi, der neben Ankathie Koi auch Hearts Hearts am Eurosonic betreut hat, meint dazu: „Aktuell sind wir zum Beispiel nicht nur im konkreten Gespräch mit potenziellen Booking-Kooperationspartnern für Länder wie Deutschland oder Schweiz, sondern konnten auch gleich ein paar internationale Festival-Gigs für Sommer 2018 fixieren und wichtige Kontakte zu lokalen Promotern für anstehende Touren knüpfen. Vor Ort beim Eurosonic bekommt man bei vielen Music-Professionals eben besser einen Fuß in die Tür, als das via Mail oder Telefon überhaupt möglich wäre.“

Oliver Kamien von Solfo Music spricht im Post-Eurosonic Gespräch über das Interesse von internationalen Festivalbookern an seiner Band: den Thirsty Eyes. Auch Michi Peklo von Arcadia Live, der die Nihils zum Eurosonic begleitet hat, hatte am Wochenende Meetings um, potentielle Partner, z.B. in den USA, zu gewinnen. Tom Resch von der Agentur Earcandy, die neben Julian LePlay auch AVEC managt, meinte, dass der Auftritt „seiner Band“ ein Erfolg war, weil sie Festivals und Clubshows, etwa in den Niederlanden, fixieren konnten. Und das „Netzwerk in den Bereichen Booking & Promotion zu erweitern und mit unseren bestehenden Partnern den Zeitplan für das nächste Album festzulegen.“

Für die oberösterreichische Musikerin AVEC und ihre Band, die nach ihrem Auftritt auch noch eine 3voor12 Live-Session gespielt hat, bedeutet Erfolg allerdings etwas viel einfacheres: ein gutes Konzert spielen. Die wirtschaftlichen und geographischen Ziele zu erreichen könnten durch diese Hauptarbeit im Laufe der nächsten Jahre von selbst passieren. Vielleicht dauert es ein Jahr oder 10 oder nur drei. Schließlich hat sich AVEC vor drei Jahren erst überhaupt das erste Mal gedacht: „Ich möchte am Eurosonic Festival auftreten“.

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