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Budgetrede Löger Parlament

APA/GEORG HOCHMUTH

Nulldefizit, Leistung und Budgetüberschuss

Bürgerentlastung, weniger Geld für Flüchtlinge, Familienbonus, Nulldefizit: Der Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister entwirrt uns die Budgetrede des Finanzministers.

Von Christoph „Burstup“ Weiss

Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) hielt heute die mit Spannung erwartete Budgetrede und stellte ein Doppelbudget der Regierung für die Jahre 2018 und 2019 vor. Der Minister strich wiederholt diverse Grundsätze für sein Budget hervor. Besonders wichtig war ihm dabei die Überschrift „Wir fördern Leistung“ und das „Nulldefizit“. Österreich hat 290 Milliarden Schulden, sagt der Finanzminister. „65 Jahre lang“ habe die Republik Schulden angehäuft, jetzt sei der Wendepunkt gekommen.

2019 will die Regierung das erste Mal seit Jahrzehnten mehr einnehmen als ausgeben. Rund 540 Millionen Euro werde der Budgetüberschuss im kommenden Jahr ausmachen. Noch heuer soll laut Löger die Schuldenquote von 78,1 auf 74,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sinken. 2019 soll sie 70,9 Prozent ausmachen und bis 2022 „in Richtung 60 Prozent kommen“.

Stephan Schulmeister

HERBERT PFARRHOFER

Stephan Schulmeister ist einer der bekanntesten Wirtschaftsforscher Österreichs und arbeitete lange am Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO)

Diese Ankündigungen, sagt der Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister, erinnern nicht zufällig an die Budgetrede des damaligen Finanzministers Karl Heinz Grasser im Jahr 2001. Dahinter stecke die sogenannte neoliberale Ideologie, sagt Schulmeister, „also die Vorstellung, der Staat sei eine Einrichtung, die den Bürgern das Geld aus der Tasche zieht - während man natürlich auch der Meinung sein könnte, der Staat sei unser gemeinsamer Verein, der die gemeinschaftlichen Angelegenheiten zu erledigen hat, von sozialer Sicherheit bis zur Verkehrsinfrastruktur. Außerdem typisch ist, dass das Nulldefizit zum Selbstzweck wird. Wie hoch der Finanzierungssaldo des Staates ist, muss natürlich von der wirtschaftlichen Situation abhängen und ist kein absolutes Ziel. Im Moment fällt dem Finanzminister das Nulldefizit einfach in den Schoß, weil durch den Konjunkturaufschwung in Europa auch die Wirtschaft in Österreich gut läuft. Die Zahl der Arbeitslosen sinkt, die Steuereinnahmen sprudeln.“

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Ein weiterer Grundsatz, der in der Budgetrede des Finanzministers mehrmals betont wurde, lautet: „Bürgerentlastung“. Der Minister kündigte zum Beispiel 1,5 Milliarden an Steuererleichterungen für Familien an, den sogenannten „Familienbonus“. Das bedeutet: Für jedes Kind kann man 1500 Euro von der Steuer absetzen. Das aber entlaste nur die 60 Prozent Besservedienenden in Österreich, sagt Stephan Schulmeister: „Nehmen sie zum Beispiel bäuerliche Familien: Der Großteil der Landwirte wird diesen Familienbonus ganz einfach deshalb nicht nützen können, weil er gar nicht soviel Steuern bezahlt. Auch der Großteil der Einpersonenunternehmen verdient zu wenig, um dadurch entlastet zu werden. Vereinfacht ausgedrückt kann man sagen, dass erst ab einem Brutto-Monatseinkommen von etwa 3000 Euro – und das verdient nur eine Minderheit in Österreich – bei zwei Kindern die volle Entlastung von 3000 Euro kassiert werden kann. Das heißt: Begünstigt werden der Mittelstand und die Besserverdienenden.“

Weniger Geld für Flüchtlinge und Asylberechtigte

Sparen will die Bundesregierung unter anderem eine Milliarde Euro in der Verwaltung, 600 Millionen bei älteren Langzeitarbeitslosen, und 70 Millionen bei Arbeitsmarktprogrammen für Asylberechtigte. Kürzungen gibt es auch in der Asylgrundversorgung und bei der Mindestsicherung für Asylberechtigte. Stephan Schulmeister: „Das Sparen bei den Flüchtlingen, Asylberechtigten und den Menschen in der Grundversorgung ist vielleicht das Typischste an dem, was die Regierung hier beschlossen hat."

Den Asylberechtigten und Menschen in der Grundversorgung, die jetzt hier sind, müsse man eine Chance geben, sagt Schulmeister: "Wenn Menschen sehr geringe Chancen auf einen Arbeitsplatz haben, selbst wenn sie sich sehr anstrengen und Deutsch lernen, und ich kürze dann drastisch die Mindestsicherung, dann hat das mit christlichen Grundsätzen überhaupt nichts mehr zu tun. Das ist für mich die große Entfremdung der Österreichischen Volkspartei.

Mehr Geld für innere Sicherheit und Terrorismusbekämpfung

„Die alte Volkspartei hatte sehr wohl noch christlich-soziale Wurzeln“, so Schulmeister. "Die neue Volkspartei ist eine neoliberale Partei geworden, die hervorragend in der Vermarktung ist. Sie verwendet permanent Worte wie Solidarität, ‚für uns alle‘, ‚wir alle‘. Und in die Worthülse Solidarität werden dann unsolidarische Maßnahmen hineingesteckt. Wenn wir die Deklassierung der Flüchtlinge, die da sind, fortsetzen, dann werden mehr von ihnen durchdrehen. Dann wird es mehr Verbrechen geben. Das lässt sich wiederum politisch verwerten, um an der Macht zu bleiben.“

Mehr Geld möchte die Regierung für innere Sicherheit und Terrorismusbekämpfung ausgeben. Insbesondere die Aufstockung und Ausbildung der Polizei will die Regierung mit 700 Millionen Euro finanzieren. Morgen findet im Parlament die Budgetdebatte statt. Dabei werden von Vertretern aller im Nationalrat vertretenen Parteien die einzelnen Kapitel des Budgetvorschlages der Regierung diskutiert.

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