EU-Besteuerung von Internetkonzernen rückt näher
Von Erich Moechel
Am Dienstag wird der EU-Ministerrat erneut über die geplante Steuer auf multinationale Internetkonzerne beraten. Die geplante Abgabe, die bis Dezember ausverhandelt werden soll, betrifft die Umsätze von Facebook, Google und Co, nach derzeitigem Verhandlungsstand soll sie drei Prozent der Gesamtumsätze betragen. Doch gibt es dagegen Widerstand von jenen Mitgliedsstaaten, in denen große Internetkonzerne ihre Zentralen haben.
In erster Linie sind das Irland, Luxemburg und Malta, aber auch aus Schweden und neuerdings auch Deutschland gibt es Einwände. Dennoch mehren sich nun die Anzeichen, dass es nach all den Jahren der Diskussion nun tatsächlich zu einer Vereinbarung kommen könnte. Zahlreiche Mitgliedstaaten haben bereits angekündigt, eine solche Steuer notfalls in Eigenregie einzuführen. Auch Großbritannien wird nach dem „Brexit“ Abgaben auf die Umsätze von Internetkonzernen erheben.
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Regeln für Ratsrichtlinien
Der Rat hatte sich im September 2017 grundsätzlich darauf geeinigt, alle Internetkonzerne in den EU-Mitgliedsstaaten nach ihren jeweiligen Umsätzen zu besteuern
Weil eine reguläre EU-Richtlinie zur Besteuerung der Internetgiganten nur schleppend vorankam, weil dafür die Steuerregelungen der EU grundsätzlich geändert werden müssten und einzelne Mitgliedstaaten Entscheidungen blockieren, hat sich der Ministerrat für ein anderes Prozedere entschieden. Artikel 113 des Vertrags über die Funktionsweise der Union (TFEU) ermöglicht dem Ministerrat nämlich, eine Richtlinie in Eigenregie zu verabschieden.
Voraussetzung dafür ist, dass dringender Handlungsbedarf vorliegt, um neue Formen indirekter Besteuerung in den Mitgliedsstaaten EU-weit zu harmonisieren, also einen Rahmen vorzugeben. Weitere Voraussetzungen für eine solche Rahmenrichtlinie ist allerdings Einstimmigkeit im Ministerrat. Das heißt, ein einziger Mitgliedsstaat könnte das gesamte Vorhaben noch zu Fall bringen. Die Wahrscheinlichkeit dafür sinkt jedoch, denn mit Großbritannien kam den Gegnern einer solchen Regelung der wichtigste Unterstützer abhanden.
-wuppertaler
Durchsichtige Einwände einzelner Mitgliedsstaaten
Der neue Kurs der EU-Kommission gegenüber den Internetkonzernen hatte sich schon im Dezember 2016 abgezeichnet.
Deutschland begründet seine Einwände auf drohenden Gegenmaßnahmen der USA, allerdings ist in Deutschland auch das Hauptquartier von Zalando, einem Konkurrenten von Amazon, der rund 4,5 Milliarden Euro umsetzt. Auch das Versandhaus Zalando wird unter diese Rahmenrichtlinie fallen, denn die Besteuerungsschwelle beginnt bei 750 Millionen an weltweitem Gesamtumsatz. Die Vorbehalte Schwedens wiederum heißen Spotify, denn dort ist der weltgrößte Audiostreamingdienst (vier Milliarden Euro Umsatz) niedergelassen.
In Luxemburg hatte Spotify erst im Februar eine Holdingkonstruktion eingerichtet, um den Börsengang an der New York Stock Exchange vorzubereiten. Vor dem Europäischen Gerichtshof wiederum läuft eine Beschwerde Luxemburgs gegen ein Urteil der EU-Kommission von 2017. Luxemburg wird damit verpflichtet, 250 Millionen Euro an Steuern nachzufordern, die man Amazon nachgelassen hatte. In Berufung ist auch Apple, und zwar gegen eine Rekordstrafe von 13,5 Milliarden Euro, die ebenfalls von der EU-Kommission verhängt worden war. Die Union sieht das als verdeckte Subvention und damit als Wettbewerbsverzerrung an. Auch aus Holland hatte es Einwände gegeben, die Gründe dafür sind ebenso offensichtlich.
AFP / JONATHAN NACKSTRAND
Auch bei der Datenschutzgrundverordnung hatte die irische Regierung versucht, die Regelung nach Kräften zu sabotieren. Für schwere und wiederholte Datenschutzverstöße hatte Irland als Sanktionen „Rügen“ vorgesehen.
„Double Irish, Dutch Sandwich“
Das gebräuchlichste Steuersparmodell nennt sich „Double Irish with Dutch Sandwich“. Dabei gehen die Umsätze aus den irischen Zentralen der Konzerne über eine holländische Niederlassung in die Karibik. Curacao, Sint Maarten, Bonaire und mehrere andere Inseln dort sind holländisches Hoheitsgebiet, aber autonom, mit eigenen Gesetzen. Von dort gehen die Gelder meist weiter auf die Bermudas und kommen dann irgendwie wieder zurück nach Irland. Dadurch können die Geldern dann mit einem extrem ermäßigten Satz versteuert und zurück in den europäischen Markt geschleust werden.
Wie die „Irish Times“ berichtet, wird der Druck auf Irland, hier zuzustimmen, laufend stärker. Sowohl die Kommission wie auch die österreichische Ratspräsidentschaft und mehrere große Mitgliedsstaaten angeführt von Frankreich seien fest entschlossen, die Regelung noch vor Weihnachten abzuschließen. Der zu erwartende Verlust für Irland halte sich mit geschätzten 160 Millionen Euro jährlich zwar in Grenzen, was die Regіerung jedoch befürchte, sei ein Präzendenzfall, hieß es in der irischen Tageszeitung.
AFP / PAUL FAITH
Warum eine Regelung wahrscheinlich ist
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Will heißen, wenn eine solche Besteuerung EU-weit und damit auch in Irland kommt, sinkt der Anreiz für internationale Konzerne, sich in Irland niederzulassen. Eine EU-weite, dreiprozentige Umsatzsteuer konterkariert die Steuerdumpingpolitik der irischen Regierung also bis zu einem gewissen Grad. Um dieses Ziel nach mehrfachem Scheitern diesmal zu erreichen, wurde das Instrument Ratsrichtlinie gewählt. Im EU-Parlament geschieht alles öffentlich und die Abgeordneten gehören außerdem verschiedenen Fraktionen an, die differierende Positionen vertreten. Hier kann eine Einigung nur über die Fraktionen erzielt werden, die dann noch ihre Sonderwünsche in eine Richtlinie reklamieren.
In der hermetischen Atmosphäre des Ministerrats, dessen Sitzungen immer noch hinter verschlossenen Türen stattfinden, tut sich eine Mehrheit von Mitgliedsstaaten wesentlich leichter, eine hartnäckige Minderheit noch dazu kleiner Staaten von ihrer Position zu „überzeugen“. So selten solche Ratsrichtlinien sind - noch seltener ist eine davon je gescheitert.
Publiziert am 04.11.2018