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Rüstungswettlauf um Hyperschallraketen

DARPA

Erich Moechel

Ein Rüstungswettlauf um Hyperschallraketen hat begonnen

Die militärische US-Forschungsagentur DARPA schreibt nun ein Projekt nach dem anderen aus, um den großen Rückstand der USA gegenüber der russischen Raketentechnik aufzuholen. Dabei geht es nicht um den Raketenantrieb, sondern um die Steuerung.

Von Erich Moechel

Der erfolgreiche Test eines neuartigen russischen Raketensystems Ende Dezember hat unter den US-Militärs große Hektik ausgelöst. Bereits für 22. Jänner ist ein sogenannter „Proposers’ Day“ für Zulieferer angesetzt, um die ausstehenden Probleme des eigenen Hyperschallprojekts zu lösen. Der russischen „Avangard“-Rakete, die mehr als zwanzigfache Schallgeschwindigkeit erreicht hat, haben die USA derzeit nichts Vergleichbares entgegenzusetzen.

Das Projekt der militärischen Forschungsagentur DARPA trägt denn auch das Akronym MACH, das ist die Maßeinheit für Schallgeschwindigkeit. Im Fokus stehen allerdings nicht Hyperschallantriebe selbst, sondern Materialien, die auch bei extremer Erhitzung ihre Form behalten. Daran wird nun mit Hochdruck geforscht, um den großen Vorsprung Russlands aufzuholen. Ein neuer Rüstungswettlauf zeichnet sich ab.

Rüstungswettlauf um Hyperschallraketen

DARPA

In der Ausschreibung wird als Einreichungsschluss der 15. Jänner genannt. Eine Woche später treffen die beteiligten Institutionen und Firmen bereits zusammen, ein weiterer Termin ist schon für Mitte Februar angesetzt.

Kühlsysteme für Leitwerke

Teil eins

Laut Datenbank des Pentagon wurde der erste US-Forschungsauftrag für die Entwicklung einer Hyperschallrakete mittlerer Reichweite erst am 30. November 2018 vergeben. Das russische Gegenstück „Avangard“ ist bereits in Serienfertigung.

Für Mitte Jänner ist außerdem ein „Broad Agency Announcement“ der DARPA angesagt, also eine umfassende Ausschreibung, die sich über das Gebiet der Raketentechnik hinaus an alle Regierungsorganisationen richtet. Der hauptsächliche Grund, warum die USA nach so vielen Jahrzehnten Forschung immer noch nicht über eine solche Raketenwaffe verfügen, ist das Fehlen ganz bestimmter Materialien, die auch bei Temperaturen jenseits von Tausenden Grad Celsius stabil bleiben.

In allen Symbolzeichnungen werden die „Glider“ genannten Hyperschall-Vehikel deshalb mit rotglühenden Kanten oder Leitwerkstummeln dargestellt. Genau das ist das Problem der amerikanischen Raketenkonstrukteure, das am 22. Jänner erneut angegangen werden soll. Diese exponierten Teile müssen unbedingt gekühlt werden, sonst verformen sie sich und glühen ab. Damit geht jede Steuerungsmöglichkeit des Gliders verloren und das annähernd keilförmige Vehikel stürzt ab.

Rüstungswettlauf um Hyperschallraketen

DARPA

Die einzige Anforderung des MACH-Programms ist es bis jetzt, „scharfe, formstabile, gekühlte Leitsysteme für Hyperschallfluggeräte“ zu entwickeln.

Wie Mach 20 erreicht werden

Bereits 2004 hatte eine Rakete der NASA vom Typ X-37 erstmals einen sehr kurzen Testflug mit Mach 7 absolviert. Der erwartete Durchbruch war jedoch ausgeblieben.

Die näheren Umstände der allesamt gescheiterten US-Tests dieser Raketentechnologie werden zwar geheimgehalten, bei der bisher letzten großen Testreihe der Jahre 2010 bis 2013 endete aber jeder Versuch mit einem unkontrollierten Absturz des Projektils bei Geschwindigkeiten jenseits von Mach 7. Diese Kanten bestimmen die gesamte Aerodynamik dieses Gleiters, es sind die Leitwerke dieser Waffe. Anders als ein herkömmlicher Sprengkopf, der in einer weiten Parabel ohne weitere Beschleunigung oder Steuerung sein Ziel anfliegt, springt der „Scramjet“-Antrieb erst nach Wiedereintritt in die Atmosphäre überhaupt an.

Das annähernd keilförmige Flugobjekt, das mit einer herkömmlichen, ballistischen Rakete in mehr als 1.000 Kilometer Höhe befördert wurde, kommt dann im Sturzflug herunter. Daten dazu gibt es bis jetzt zwar keine, es ist aber anzunehmen, dass dafür eine ziemlich steile ballistische Kurve geflogen wird. Sobald Mach 5 erreicht sind und die Atmosphäre bereits wieder dicht genug ist, dass vor den Lufteinlässen der Scramjet-Turbine ein so starker Stau entsteht, dass die Luft im Brennraum verdichtet wird, kann das Gerät auf mehr als 20-fache Schallgeschwindigkeit beschleunigt werden.

Rakete

GreyTrafalgar

Das oberste Diagramm zeigt eine herkömmliche Flugzeugturbine, die Luft ansaugt, verdichtet und zündet. In der Mitte ist eine Hybridsystem („Ramjet“), das schon nach ähnlichen Prinzipien wie die „Scramjet“-Turbine unten funktioniert. Wikimedia | CC BY-SA 3.0

Wie ein Scramjet-Triebwerk funktioniert

Anders als herkömmliche Jet-Turbinen hat das Scramjet-Triebwerk keine beweglichen Teile, es benötigt lediglich einen gewaltigen Stau vor dem Einlass, der den Sauerstoff in die Brennkammer presst. Der Name ist deshalb auch vom Verb to scram („hineinpressen“) abgeleitet. Weiters wird nur ein relativ kleiner Wasserstofftank benötigt - Sauerstoff ist ja genug vorhanden - denn der Scramjet-Motor ist nur kurze Zeit vor dem Einschlag in Betrieb. Dazu braucht es noch eine schnelle Einspritzpumpe für den Wasserstoff, ein ebenso schnelles Zündelement und eine vergleichsweise einfache Elektronik, die all das steuert und den Glider immer wieder neu auf sein Ziel ausrichtet.

Auf den letzten paar Hundert Kilometern kann das Vehikel bei diesem aberwitzigen Tempo nämlich auch noch Manöver fliegen und die Flughöhe variieren. Gegen ein solches Flugobjekt ist jeder Abwehrversuch in dieser letzten Flugphase völlig aussichtslos, denn der Glider kann obendrein die Fluggeschwindigkeit variieren, dazu genügen kurze Triebwerksschübe. Keines der drei bekannten Luftabwehrsysteme der USA - weder Patriot, AEGIS (schiffsgestützt) noch THAAD, das in mehr als 100 Kilometer Höhe wirksam wird - hat irgendeine Abwehrchance.

Die Militarisierung der Ionosphäre

Der Jahreswechsel 2019 markiert den Start eines neuen Wettrüstens, das die gesamte strategische Balance zunehmend ins Wackeln bringen wird. Dazu tragen stark verkürzten Reaktionszeiten auf einen Hyperschallschnellen Raketenangriff das ihre dazu bei, viel schwerer aber wiegen die Konsequenzen, die diese disruptive Technologie mit sich bringt. Da bei der Entwicklung jeder Angriffswaffe auch alle Abwehrmöglichkeiten mitkalkuliert werden müssen, ist mit hoher Sicherheit anzunehmen, dass Russland bereits mit Hochdruck an der Entwicklung einer Abwehrwaffe isṫ.

Die USA sind bereits dran. Im Sommer startete ein Programm der DARPA für einen „Interceptor“ also eine Abfangwaffe gegen Hyperschallraketen, nicht ganz überraschend wurde es „Glide Breaker“ genannt. Das Besondere an dieser Waffe ist: Sie muss hoch oben in der Ionosphäre stationiert werden, in hunderten Kilometer Höhe, denn anders kann sie gar nicht funktionieren. Für die kommenden Jahre steht damit nicht mehr und nicht weniger bevor, als eine Militarisierung des Weltalls.

Mehr darüber kommt im dritten Teil, der Mitte dieser Woche fällig ist.

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