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50 Jahre Textnachrichten im Internet

Heute vor 50 Jahren wurde die erste Message über eine Verbindung des Internet - damals noch Arpanet genannt - gesendet.

Von Christoph „Burstup“ Weiss

Es ist schwierig, den “Geburtstag” des Internets auf ein bestimmtes Datum festzulegen. Jahrelange Forschung ging der Entstehung des Netzwerks voraus. Der erste Node (Knoten) wurde im August 1969 errichtet. Der zweite folgte Anfang Oktober. Die erste Textnachricht wurde am 29. Oktober 1969 gesendet. Sie sollte eigentlich aus dem Wort „login“ bestehen, doch die Software stürzte ab. Die erste im Internet gesendete Message lautete daher “lo”.

Packet Switching

Als Geburtsstunde des Internet kann dieser Versuch deshalb gelten, weil für die Kommunikation zwischen den beiden Nodes erstmals ein wichtiges technisches Grundprinzip des Internet zum Einsatz kam: das sogenannte Packet Switching. Vereinfacht gesagt werden dabei Daten in kleine Pakete zerteilt und Leitungen im Netz nur in jenen Sekundenbruchteilen belegt, in denen gerade ein Paket durchgeht. Vor der Erfindung des Packet Switching funktionierten Netzwerke - wie z.B. das analoge Telefonnetz via Kupferleitung - mittels Circuit Switching: Eine Verbindung zwischen zwei Gesprächspartnern wird mittels eines ständig durchgeschalteten Übertragungskanals aufgebaut, wobei die Verbindung zur exklusiven Nutzung zur Verfügung steht, auch wenn gerade keine Informationen übertragen werden.

Packet Switching als Idee war Grundvoraussetzung für ein funktionierendes Computernetzwerk mit ständig wechselnden Kommunikationskanälen. An die Umsetzbarket der Idee glaubte in den Sechzigerjahren - vor allem in der Telekombranche - fast niemand, wie der Informatiker Leonard Kleinrock von der University of California Los Angeles (UCLA) in Vorträgen und Interviews manchmal erzählt. Er war es, der das Prinzip des Packet Switching erstmals beschrieb - und zwar bereits in den Fünfzigerjahren in seiner Dissertation. Kleinrock war damals schon klar, dass ein Computernetzwerk nur dann skalierbar und ausfallsicher sein kann, wenn es dezentralisiert ist, also keine alleinstehende Schwachstelle hat, die einen Totalausfall verursachen kann. Und dafür war es eben nötig, von statischen Leitungen wegzukommen und Netzwerkressourcen zu teilen.

Leonard Kleinrock

UCLA

Leonard Kleinrock an dem Computer, mit dem 1969 die erste Arpanet-Nachricht verschickt wurde.

Dezentralisierung

Fünf Jahrzehnte danach gibt es ausgerechnet hinsichtlich der Dezentralisierung des Internets massive Bedenken. Konzerne wie Facebook und Google sind aufgrund ihrer Marktmacht in der Lage, Informationsflüsse und Meinungen zu manipulieren und darüberhinaus Daten über Milliarden Menschen zu sammeln. Aber während diese Konzerne größer und mächtiger werden, werden auch ständig neue dezentralisierte Internet-Plattformen entwickelt. Drei Beispiele für solche Erfindungen seit der Jahrtausendwende: Das im Jahr 2001 von Bram Cohen vorgestellte, dezentralisierte Filesharing-Protokoll BitTorrent hat auf zentalen Servern basierende Filesharing-Plattformen wie Napster abgelöst. Zweitens: Das Projekt Decentralized Identifier (DID) will den Menschen einen verschlüsselten Container zur Verfügung stellen, in dem die eigene Identität überall ins Netz mitgenommen werden kann, ohne sie Plattformen wie Facebook und Google überlassen zu müssen. In dieselbe Kerbe schlägt auch das MIT-Projekt SOLID von Tim Berners-Lee, dem Erfinder des World Wide Web. Drittens: Bitcoin ist seit nunmehr zehn Jahren der Versuch seitens der Cypherpunk-Bewegung, ein dezentralisiertes Zahlungsprotokoll als Alternative zu Dienstleistern wie Paypal zu etablieren.

Alle hier aufgezählten Projekte haben etwas gemeinsam mit Packet Switching und dem Internet in seiner Entstehungszeit: An ihr Funktionieren haben anfangs nur wenige Menschen geglaubt. Filesharing ohne zentralem Server? Ein selbstverwalteter digitaler Identifier für alle Plattformen? Geld als Internetprotokoll? Verrückt! Bis jemand beweist, dass es doch funktioniert.

Die Zukunft des Internets

Wie es mit all dem in Zukunft weitergeht, ist schwierig vorauszusehen. Hat im Jahr 1969 Leonard Kleinrock geahnt, was 50 Jahre später aus dem Arpa- bzw. Internet werden würde? Diese Frage beantwortete er vor zehn Jahren, zum vierzigsten Jahrestag der ersten Textnachricht, mit einem Jein: “Ich habe erwartet, dass das Internet überall sein würde, immer zugriffsbereit. Was ich nicht vorhergesehen habe war, dass meine alte Mutter im Internet sein würde, doch sie ging bis zu ihrem Tod im Alter von 99 Jahren regelmäßig online. Ich habe nicht den politischen Einfluss des Internets erwartet, und niemand hat einige der besten Applikationen im Netz vorausgesehen: Das Web, Youtube oder Peer-to-Peer-Filesharing - sie kamen wie aus dem Nichts." Darin, sagt Kleinrock, liege die Schönheit des Internets: "Da draußen sind Milliarden Menschen, die ständig Neues erfinden, erschaffen und teilen.”

Für die nächsten 50 Jahre gilt daher: Gerade in einer Zeit der zunehmenden Marktkonzentration müssen wir, die Userinnen und User, dafür sorgen, den niederschwelligen Zugang zu Netzresourcen, die Netzneutralität und den grenzenlosen Austausch von Information zu erhalten.

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