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FM4 Auf Laut: „No Money, Mo Problems“

In Österreich wird nicht nur Reichtum geerbt, sondern auch Armut. Nur 15 Prozent der Kinder aus armen Familien schaffen es nach oben. Das Vermögen ist ungleich verteilt. Der Ökonom und Individualpsychologe Martin Schürz fordert in seinem Buch „Überreichtum“ gar eine Vermögens-Obergrenze.

Bill Gates, der zweitreichste Mann der Welt, hat sich kürzlich für eine Reichensteuer ausgesprochen. Warum eine Reichensteuer aber weniger bringen würde und es sinnvoller wäre, eine Obergrenze für Vermögen einzuführen, darüber schreibt der Vermögensforscher und Autor Martin Schürz in seinem Buch „Überreichtum“. Melissa Erhardt hat ihn zum Interview getroffen.

Ab wann ist man eigentlich reich, Herr Schürz?

Armut ist wissenschaftlich definiert. Bei Reichtum gibt es so eine Definition nicht. Bei geringem Einkommen muss man eine absolute Grenze haben, befindet man sich darunter, würde man verhungern. Bei Reichtum ist es anders, man könnte immer einen Euro oder einen US-Dollar mehr haben, das ist nach oben offen. Die Frage konkret beantworten, also ob das bei 500 Millionen oder bei einer Milliarde liegt, kann ich nicht. Als Ökonom hat man dazu kein gesondertes Wissen. Meine Vorstellung ist, dass das eine Gesellschaft auf demokratische Weise zu diskutieren hat und dann gemeinsam zu einer Entscheidung kommt.

Können sich Arme tatsächlich durch Bildung aus ihrer Armut befreien und vielleicht sogar Vermögen aufbauen?

Durch Arbeit wird man nicht reich. Diese Banalität kann man festhalten. Dieser Tellerwäscher-Mythos ist in Österreich auch nicht stark verbreitet – gerade Österreich hat sehr viel an Persistenz. Man bleibt üblicherweise in der Einkommensklasse, in die man hineingeboren wird. Die Vorstellung, dass die soziale Mobilität das problematische Thema von Überreichtum löst, ist eine Illusion. Es steigt jemand auf, aber dafür muss ja eigentlich jemand absteigen. Das Thema von Überreichtum wäre eine gleichere Gesellschaft, aber nicht, dass ein paar intelligente, talentierte Kinder aufsteigen und sonst alles beim Gleichen bleibt. Die soziale Mobilität im Einzelfall kann glücken, aber sie ändert nichts an den Leiderfahrungen von vielen Menschen.

Wie sieht die Vermögensverteilung im internationalen Vergleich aus? Gibt es da Unterschiede?

Die Vermögensungleichheit in Österreich ist im europäischen Vergleich sehr hoch. Was aber wichtig zu beachten ist, dass der Sozialstaat teilweise den Vermögensaufbau überflüssig macht. Solange also der Sozialstaat hält, ist die Vermögensungleichheit in Österreich im Vergleich zu den USA ein geringeres Thema.

Warum ist es eigentlich so, dass wir öfter Neid gegenüber Ärmeren empfinden, und nicht so sehr Neid gegenüber den Reichen? Woran liegt das?

Cover von "Überreichtum", Buch von Martin Schürz

Campus Verlag

Das Buch „Überreichtum“ von Martin Schürz ist im Campus Verlag erschienen.

Wer jemand „Höherstehenden“ herausfordert, riskiert etwas. Wer hingegen den Blick nach unten richtet und nach unten verachtet, bestätigt sich selbst die Superiorität gegenüber den Immigranten, gegenüber den Mindestsicherungsbeziehern, und holt sich damit ein stärkendes Gefühl, obwohl er selbst zu den „Erniedrigten“ gehört in der Gesellschaft.

Sie schreiben in ihrem Buch, es habe zwischen 1930 und 1980 in den USA 74% Steuer auf Erbschaften gegeben. Ich glaube, das wurde damals mit dem Krieg erklärt. Warum gibt es das jetzt nicht mehr?

Erbschaftssteuern politisch zu begründen ist sehr schwierig. Was Sie erwähnen ist diese Phase von Roosevelt, wo man ein System eingezogen hat, das heute so radikal erscheint, dass es in Debatten nicht auftaucht. Aber das war früher die Regel. Das Wirtschaftswachstum war damals sehr hoch, es ist also nicht so, dass man sagen kann da ist der Kapitalismus zusammengebrochen. Nur: Ab den achtziger Jahren gab es eine Machtverschiebung – von der Seite der Arbeit hin zur Seite des Kapitals.

Sie sprechen sich für eine Grenze aus, für ein Maximalvermögen. Sehen Sie Chancen, dass das jemals umgesetzt werden könnte?

Ich glaube weder, dass es umgesetzt werden wird, noch dass es Chancen hat. Was ich trotzdem für wichtig halte ist, dass darüber geredet wird. Weil es die Blickrichtung ändert – also nicht mehr nach unten und in verachtender Weise Mindestsicherungsbezieher um noch einige Euros bringen, sondern den Blick nach oben richten und zu sehen, wie ungleich die Chancen verteilt sind, wie ungleich die Möglichkeiten im Leben verteilt sind. Sonst setzt man so gerne Grenzen und ist überall für Grenzen – beim privaten Vermögen gelten sie fälschlicherweise als radikale Idee.

FM4 Auf Laut: „No Money, Mo Problems“

In Österreich wird nicht nur Reichtum geerbt, sondern auch Armut. Nur 15 Prozent der Kinder aus armen Familien schaffen es nach oben.
Du kommst aus einer armen Familie? Das Kontominus war bei euch zu Hause so allgegenwärtig wie Nudeln mit Tomatensoße? Von Shopping und Geschenken konnten du und deine Geschwister nur träumen? Wir wollen eure Geschichten hören und darüber diskutieren, wieso in Österreich der Aufstieg so schwer ist.

FM4 Auf Laut, am 21. Jänner ab 21 Uhr auf FM4 und im FM4 Player. Zu Gast bei Alex Augustin ist die Ökonomin Alissa Schneebaum. Ruf an und diskutier mit: 0800 226 996

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