FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Orthodoxe Ostern

CC0 / Eli Velikova Maytham

mit akzent

Die Osterblockade

Sofia wurde zu Ostern von der Polizei komplett abgeriegelt. C und seine Familie entschieden, dass sie unbedingt aus der Stadt raus müssen und schmiedeten einen Plan, die Blockade zu durchbrechen.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

Die Familie meines Freundes C harrte während der Quarantäne geduldig in Sofia aus, eingesperrt in ihrer 63 m² Wohnung. Langsam gewöhnten sich seine zwei Kinder daran, nicht zur Schule oder Kindergarten zu gehen. Auch andere Gewohnheiten der Familie änderten sich. Vorher wollte niemand das Geschirr abwaschen, jetzt wurde das zum Familiensport und jeder will täglich einen neuen Rekord aufstellen.

Die größten Streitereien entstanden nun darum, wer mit dem Hund rausgehen darf, sogar wenn es regnet. Man darf in Sofia im Park nicht spazieren gehen, außer man hat einen Hund mit. Der Hund wurde noch nie so oft ausgeführt wie im letzten Monat.

Logo Podcast Mit Akzent

Radio FM4

Mit Akzent: Die unaussprechliche Welt des Todor Ovtcharov. Alle Folgen der Kolumne gibt es hier als Podcast.

Dann nahte das orthodoxe Osterfest. Die Tradition will es, dass die Familie von C im vererbten Großelternhaus in einem 50 km von der Hauptstadt entfernten Dorf Ostern feiert. Sie gingen immer zu Mitternacht in die Dorfkirche und dann nach Hause, wo das traditionelle Lammfleisch auf sie wartete. Nicht, dass jemand von ihnen vorher gefastet hätte - sie sind durchschnittliche Ungläubige, die Ostern mit dem Essen von Unmengen von Osterbrot, Eier und Lammfleisch verbinden.

Sofia wurde zu Ostern aber von der Polizei komplett blockiert. C und seine Familie entschieden, dass sie unbedingt aus der Stadt raus müssen und machten einen Plan, die Blockade zu durchbrechen. Sie stellten sich einfach in die lange Schlange aus Autos am Ausgang der Stadt und sagten zum Polizisten, dass sie unbedingt in dieses Dorf müssten, da sie eigentlich dort leben. Sie kamen durch.

Der Gottesdienst im Dorf war abgesagt worden. Die nahe Stadt, von wo der Priester kommen sollte, war auch abgeriegelt. Im Dorfgeschäft gab es kein Lammfleisch. Statt dessen mussten sie zu Ostern Proteinbars mit Rosinen essen. Sie konnten auch fünf Eier von der Nachbarin kaufen. Das größere Kind bekam den Auftrag die Eier zu kochen und zu färben, allerdings vergas es ersteres und so färbten sie die rohen Eier. Am Höhenpunkt des Ostertages, als sie mit den gefärbten Eier gegeneinander schlagen sollten, war die Stimmung deshalb endgültig verdorben, und sie entschieden sich, in die Hauptstadt zurückzukehren.

Am Eingang der blockierten Stadt mussten sie sich wieder anstellen. Dieses Mal hatten sie aber kein Glück. Da sie gesagt hatten, sie würden im Dorf leben, wurden sie nicht mehr in die Stadt gelassen. Sie hatten auch keine Bestätigung mit, dass sie in der Stadt arbeiten.

Die Polizei forderte sie auf, mit dem Auto in einem Feld stehen warten. Sie versuchten mit dem Hund spazieren zu gehen doch er wurde so matschig, dass sie ihn fast nicht wieder ins Auto reinlassen wollten. C schaltete irgendwann den Motor aus, um Sprint zu sparen. Die Familie wechselte sich ab, wer sich mit dem Hund zudecken durfte. Ganz egal, ob er matschig war.

Am nächsten morgen ließ ein Polizist Gnade walten und ließ sie in die Stadt einfahren. Sämtliche Familien-Harmonie ist nun zerstört. Und nur die Angst vor der Pandemie hält sie noch in ihrer 63m² Wohnung.

Aktuell: