Der Stoffhund

Dieser Stoffhund hat eine weite Reise hinter sich bevor er weitergeschenkt wurde.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

Meine Tochter ist sehr großzügig. Sie schenkt ihrer Kindergartenfreundin, die gerade auf Besuch ist, einen Stoffhund. Die Besucherin ist sichtlich erfreut. Sie schaut tief in den Plastikaugen des Hundes und verkündet, dass sie „ihr ganzes Leben“ darauf gewartet habe. Sie kuschelt mit dem Hündchen und muss nicht mal vom Staub, der auf seinem Fell klebt, niesen. Das ist ein Hund mit einem langen Lebenslauf.

Bevor meine Tochter ihn ihrer Freundin geschenkt hat, hatte das Tierchen die letzten paar Wochen unter ihrem Bett gelebt. Sie erinnert sich nicht, warum der Hund unterm Bett war, aber ich weiß es ganz genau. Das Spielzeug stand mitten im Kinderzimmer, meine Tochter rannte herum, stolperte darüber und fiel auf die Nase. Danach verkündete sie, dass das Hündchen daran schuld sei und bestrafte es, indem sie es unter das Bett steckte. So sollte es Ordnung lernen und nicht Menschen zum Fallen zu bringen. So als ob meine Tochter nicht selbst den Hund mitten im Zimmer gelassen hätte.

Als sie ihn unter das Bett stellte, sagte sie, er solle „nicht weinen, da er seine Strafe verdient habe“. Sie zum Beispiel würde nie weinen, wenn ihre Eltern manchmal streng mit ihr seien. Das stimmt natürlich nicht, denn sie weint viel - mit oder ohne Grund, besonders wenn sie was erreichen will.

Der Besitz dieses Hündchens wurde etwa selber durch viel Weinen ihrerseits erkämpft: Auf einem Bahnhof in einer spanischen Stadt stand er zwischen Flamencofächern und Magneten mit Kathedralen. Der Hund, so meine Tochter, stand da im Schaufenster und sprach zu ihr: „Ich bin dein Hund und ich liebe dich!“. Es ist interessant, in welcher Sprache spanische Stoffhunde mit Kindern reden, die im Kindergarten auf Deutsch und zu Hause auf Bulgarisch kommunizieren.

Ich habe vergebens versucht, sie zu überzeugen, dass wir zuhause einen ganzen Zoo von Stofftieren haben und wir außerdem ohne Gepäck mit einer Billigfluglinie fliegen, wo der besagte Hund ein Transportproblem darstellen kann. Doch nichts konnte sie überreden, den Hund dort zu lassen. Sie war bereit, bei ihm im Schaufenster zu bleiben, falls er nicht mitkommt.

Bald danach kuschelte sie ihn in ihren Händen. Im Flugzeug war er die am besten versorgte Kreatur. Was nicht schwierig ist, wenn man weiß wie Billigfluglinien ihre Fluggäste behandeln. Ich erinnere mich, wie ich versucht habe, als sie im Flieger eingeschlafen war, den Hund aus ihren Händen zu entreißen, damit sie bequemer schlafen kann. Das „Made in India“ Etikett war so stark in ihren Händen verstrickt, dass es unmöglich war, den Hund aus ihrer Umarmung zu entreißen.

Ein Hund genäht von indischen Kindern für europäische Kinder. Ob die Kinder in der Nähfabrik auch geweint habe, als sie ihn genäht haben?