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Europakarte mit dem Logo der Stopp Corona App in der Mitte

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Erich Moechel

Österreichische Coronavirus-App wird europatauglich

Die neue, verbesserte Version der Stopp Corona-App wird am Wochenanfang erscheinen. Die Entwickler der Rotkreuz-App arbeiten im Konsortium DP-3T an einem mindestens europaweit kompatiblen Standard, der schon weit fortgeschritten ist.

Von Erich Moechel

Am Montag oder Dienstag wird die neue Version der Coronavirus-App des Roten Kreuzes erscheinen. Darin sei das Gros der von den NGOs ausgesprochenen Empfehlungen bereits eingearbeitet, sagte Michael Zettel, Geschäftsführer von Accenture Österreich zu ORF.at. Die Datenschützer Epicenter.works und NoYB (Max Schrems) hatten zusammen mit den Sicherheitsforschern SBA Research den Quellcode auditiert.

„Derzeit sind wir in intensivem Austausch mit dem DP-3T-Konsortium, das Ziel dort ist volle Interoperabilität der Coronavirus-App zumindest in Europa“, so Zettel weiter. DP-3T ist das von mittlerweile elf EU-Staaten unterstützte Konsortium, in dem die Protokolle für App-Systeme mit dezentraler Datenspeicherung entwickelt werden. Und dort wird auch eine Funktion eingebracht, über die bis jetzt nur die österreichische App verfügt.

DP3T

DP3T

Wie an der Versionsnummer 2.1 ersichtlich ist, hatte das Projekt DP-3T die Interoperabilität der europäischen Apps von Anfang an mit eingeplant. Alle bisher bekannten Ansätze - auch der österreichische - sind ursprünglich rein nationale Apps.

Immer mehr EU-Staaten setzen auf dezentrale Coronavirus-Apps. Auch Apple und Google unterstützen das datenschutzfreundliche Protokoll DP-3T, das fast alle Abläufe und Speicherungen auf den Smartphones selbst durchführt

Der weitere Fahrplan für die App

Mit den aktuellen Änderungen ist die Rotkreuz-App nun in Version 1.1, zwei weitere Releases werden folgen, in denen dann die großen Änderungen eingearbeitet werden. Dass sie nicht gleich erfolgen konnten ist weniger auf die beteiligten Programmierer zurückzuführen, diese Updates sind vielmehr an die Standardisierung in Europa gekoppelt sowie an die Definition der notwendigen Schnittstellen (APIs) in den Betriebssystemen von IOS und Android. Auch die ist noch in Entwicklung, sollte aber demnächst fertig sein.

Analog dazu werde auch die App des Roten Kreuzes an diese Schnittstellen angepasst, so Zettel weiter. Google und Apple haben die Kriterien für die Auslösung einer Warnung in ihren jeweiligen Betriebssystemen zuletzt etwas erweitert und verfeinert. Weitere werden noch folgen müssen, denn die „Abstandsmessung“ durch Bluetooth-Kennungen, die mit geringer Leistung abgestrahlt werden, ist derzeit nur eine grobe Schätzung. Ohne zusätzliche Kriterien für die Wahrscheinlichkeit einer Infektion würde das unweigerlich zu hohen Raten vor allem falscher Treffer („False Positives“) führen.

NHS_UK App Screenshots

NHS_UK

Das ist die britische Coronavirus-App. Sie ist weder mit den APIs von Google und Apple noch mit dem DP-3T-Protokoll kompatibel. Wie aus den Screenshots unschwer abzulesen ist, muss die App die Tracker von Apple und Google einbauen, um überhaupt zu funktionieren. Unter den 12 notwendigen Freigaben sind allein drei verschiedene Sorten von Geodaten, dazu kommen noch das Geburtsdatum und weiters noch die Postleitzahl. Beteuert wird, dass diese Daten nicht zur Identifikation benutzt würden, allerdings ist auch ist der britische Militärgeheimdienst tief in das Projekt involviert (siehe unten).

Die Nachricht vom positiv verlaufenen Datenschutzaudit der österreichischen App Ende April wurde in Europa mit einigem Erstaunen aufgenommen. Es ist bis dato die einzige fertige Coronavirus-App.

Ohne Google und Apple geht nichts

Google und Apple haben deshalb die empfangene Signalstärke und die Dauer des Kontakts der beiden Smartphones als zusätzliche Kriterien eingeführt. Zudem müssen die Handys zumindest fünf Minuten in dauerndem Kontakt über Bluetooth gestanden sein. Auch auch das hilft, falsche Treffer weiter zu reduzieren. Die Ausbreitung von Mikrowellenfunk im Bereich von 2,4 GHZ - also Bluetooth - hängt weitgehend von Faktoren der Umgebung ab. Gibt es da glatte, reflektierende Flächen, kann sich die Reichweite durch Reflexionen enorm erhöhen, auch wenn das Smartphone nicht in der Jackentasche ist, sondern zum Telefonieren ans Ohr gehalten wird, steigt ebenfalls die Reichweite des Bluetooth-Funks.

Diese Faktoren gilt es noch zu berücksichtigen und das kann nur auf Ebene der Betriebssysteme passieren, von denen abhängt, auf welche Metadaten aus den verschiedenen Sensoren des Smartphones die Apps überhaupt Zugriff haben. Dass sogenannte „Workarounds“, um die vor allem in IOS eingezogenen Sicherheitsmechanismen gegen Stalking-Apps in der App auszutricksen, nicht funktionieren, zeigt sich aktuell am Beispiel der App, die in Australien seit kurzem eingesetzt wird. Diese App muss auf iPhones permanent im Vordergrund laufen, damit ist das Smartphone für alle anderen Anwendungen blockiert, die Batterie wird in Rekordzeit leergesaugt. Die britische App, die gerade von den Bewohnern der Isle of Wight getestet wird, hat genau dieselben technischen Probleme.

Michael Zettel

Michael Zettel

Michael Zettel ist CEO der österreichen Niederlassung des internationalen Consulting-Konzerns Accenture.

Frühe Warnungen in Österreich

„Was wir in die technischen Diskussionen des Projekts DP-3T einbringen werden ist der Warnungsmechanismus der österreichischen App. Es ist derzeit die einzige App mit der Möglichkeit, bereits beim Auftreten von Symptomen des Coronavirus eine Warnung auszugeben. Die Idee dazu kam aus der Praxis, nämlich von Gerry Foitik, also vom Roten Kreuz. Das ermöglicht einen enormen Zeitgewinn gegenüber Apps, die erst nach einem postiven Test eine Warnung absetzen. Bis der vorliegt, können einige Tage vergehen,“ sagte Michael Zettel abschließend. Gemeint ist damit, dass sich Kontaktpersonen eines Infizierten weit eher an eigene Wege und Aufenthaltsorte erinnern können, die nur zwei, drei Tage zurückliegen, um die eigene Bedrohung besser einschätzen zu können.

Das Abwarten von Testergebnissen bis zu einer solchen Warnung fällt leider genau in die Phase, in der Neuinfizierte hochansteckend sind. Die sogenannte Downside ist natürlich, dass eine solche Eigendiagnose erst recht wieder zu einem Anstieg falscher Treffer führen könnte. Um dies hintanzuhalten, bedarf es genauer definierter Kriterien zur Deutung von Symptomen. Derzeit kann die medizinische Forschung das nicht liefern, weil die individuellen Krankheitsbilder- und -verläufe dermaßen unterschiedlich sind. Man sieht daran, wieviel an Arbeit in mehreren Disziplinen noch nötig ist, damit eine Coronavirus-App überhaupt erstmals brauchbare Ergebnisse bringen kann.

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