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Moses Sumney

Eric Gyamfi

Moses Sumney: Die Grauzonen des Lebens

Der US-amerikanische Musiker Moses Sumney erweitert mit seinem neuen Album „Grae“ sein Klanguniversum noch mehr und behandelt das Undefinierbare: Sich darin zu befinden als Akt des Widerstands. Der Mann mit der Folk-Gitarre und dem Loop-Pedal setzt sich mit „Grae“ über musikalische Genres hinweg und hält ein Plädoyer für die freie Entfaltung.

von Eva Umbauer

Moses Sumney hatte einmal einen Job als Social-Media-Beauftragter einer amerikanischen Pizza-Kette. Die Arbeit war schlecht bezahlt, aber er durfte gratis Pizza essen. Das war nicht unwichtig, zumal der junge Musiker seine Eltern nicht um Geld bitten wollte. Moses Sumney war davon getrieben, es mit der Musik zu schaffen.

In der Highschool in Kalifornien sang Sumney im Schulchor, seinen ersten richtigen Auftritt als Solo-Künstler hatte er aber erst, als er schon zwanzig Jahre alt war. Mit dabei: Seine Stimme, die Folk/Blues-Gitarre und dazu ein Loop-Pedal. Bald erzählte man sich in Los Angeles von diesem jungen Musiker, dessen Stimme manchmal an die von Jeff Buckley erinnerte. Ein neuer Thom Yorke, so hieß es, wäre er gar.

Leidenschaftlich, herzzerreißend und immer authentisch, das war die Musik von Moses Sumney von Anfang an. Seit er zwölf Jahre alt war, schrieb er in den Schulpausen und im Schulbus Song-Skizzen in ein Notizbuch, welches er stets unter der Matratze seines Bettes versteckte. Der Sohn einer Pastorenfamilie wollte nicht, dass seine Eltern allzuviel von seiner Musikleidenschaft erfahren würden, obwohl Gospel im Haushalt der Sumneys sehr präsent war. Seine Eltern wünschten sich, dass ihr Sohn einmal Anwalt wird.

Zurück nach Afrika und wieder nach Kalifornien

Als Moses Sumney zehn Jahre alt war, zog die Familie nach Ghana, das westafrikanische Herkunftsland der Sumneys. Dieser Umzug fiel Moses überhaupt nicht leicht, er fühlte sich in Ghana als Amerikaner nicht wirklich zuhause. Als er sechzehn war, ging die Familie aber wieder zurück nach Kalifornien. „Grae“, das neue Album von Moses Sumney, ist inspiriert von dieser Zeit.

„When I’m in America, I’m the African in America. When I’m in Africa, I’m the American in Africa.“

Statt „Grey“ oder „Gray“ wählt Moses Sumney die Schreibweise „Grae“. Es ist sein bereits zweites Album und es ist insgesamt noch unkonventioneller als „Aromanticism“, sein Debutalbum vor drei Jahren. Davor veröffentlichte Moses Sumney die Mini-Alben „Mid City Island“ und „Lamentations“.

Als Moses Sumney als Sechzehnjähriger aus Ghana nach Kalifornien zurückkehrte, ließ ihn die Vorstellung, seinen Traum zu verwirklichen und Musiker zu werden, immer weniger los. An der Universität belegte Sumney dann das Fach Kreatives Schreiben. Seinen Eltern sagte er, er würde Anglistik studieren und einmal Englischprofessor werden, in Wahrheit nutzte er das Studium, um ein besserer Songtexter zu werden.

„You remain in motion, bottom of the ocean“ singt Moses Sumney in „Polly“, einem Song von „Grae“, samt melodischem Gitarren-Loop. Der erste Teil des Albums erschien bereits im Februar, jetzt ist die zweite Hälfte erschienen und die zwanzig Songs bilden nun ein komplettes Album. Es von vorne bis hinten durchzuhören, inklusive dem Spoken-Word-Track „Boxes“, ist durchaus ein Kraftakt.

Art-Rock, Electro-Soul, Folk, Jazz, experimenteller Indie-Rock - Die Musik von Moses Sumney ist nicht immer einfach zu definieren, aber das ist auch nicht so gedacht. Kategorisiert zu werden, eingeordnet zu werden, ja, in Schubladen gesteckt zu werden - Sumney kann es nicht leiden. Er liebt das Dazwischen, die Grauzone, in vielerlei Bereichen. „Grae“ ist ein richtig starkes Plädoyer für freie Entfaltung, so sein zu können wie man sein möchte, als Künstler*in und in der persönlichen Identität.

Alles ist Grauzone

Moses Sumney "Grae" Albumcover

Jagjaguwar

„Grae“ von Moses Sumney ist beim US-Plattenlabel Jagjaguwar erschienen

Das Undefinierbare und der Aufenthalt darin sind für Moses Sumney ein Akt des Widerstands. Und so möchte er auch nicht als R&B-Act bezeichnet werden, denn das sei viel zu oberflächlich, geradezu rassistisch. Nur, weil er Afroamerikaner ist, müsse er nicht zwingend ein R&B-Künstler sein, auch wenn er R&B mag: „I definitely rage against being classified as R&B. I love R&B, and I think there are elements of it in the music, and on this record I went even closer to it than I have in the past. (…)But basically my music is all over the place.“

Auf seinem künstlerischen Weg bekam Moses Sumney etwa Unterstützung von Dave Sitek, dem Mastermind der New Yorker Band TV On The Radio. Auf einem 4-Track-Recorder, den ihm Dave Sitek gegeben hatte, nahm Moses Sumney erste Songs auf, was eine sehr wichtige Erfahrung für den jungen Musiker war.

Außerdem spielte er mit der New Yorker Indie-Rock-Band Dirty Projectors, im Vorprogramm von Jose Gonzalez’ Band Junip oder St. Vincent, oder auch zusammen mit dem US-Songschreiber Sufjan Stevens, dessen Musik Sumney immer schon verehrte, so wie er die Musik von anderen sensiblen Songschreibern total liebte: Elliott Smith oder Nick Drake, aber auch Musikerinnen wie etwa Björk oder Amy Winehouse, sind ein wichtiger Einfluss für ihn gewesen. All ihre Spuren kann man in seiner Musik auch finden.

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