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„Noch gibt es Clubs“ - Fragen an die Vienna Club Commission

Wien hat seit 2020 eine Club Kommission, die zwischen Clubbetreiber*innen, Veranstalter*innen, Anrainer*innen und Politik bzw. Stadtverwaltung vermittelt. Dann kam der Covid-19 Shutdown für das Nachtleben. Das erste halbe Jahr hätte wohl anders verlaufen sollen.

Von Gersin Livia Paya

Die Vienna Club Commission, bestehend aus Martina Brunner, Laurent Koepp und Stefan Niederwieser unterstützt seit Anfang des Jahres die österreichische Nachtgastronomie. In anderen Partystädten ist solch eine Kommission schon längst Usus, hierzulande ist die VCC ein Pilotprojekt, gefördert für ein Jahr. Und besser hätte das Timing dafür nicht sein können, die Nachtgastronomie kämpft wie nie zuvor ums Überleben.

Eine der Covid-19-Hilfen der Vienna Club Commission war die Organisation des United We Stream.

Mit der Live-Übertragung von DJ-Sets und Live-Musik beteiligte sich United We Stream an der Grundversorgung mit Kultur. „Wenn schon alleine zuhause feiern, dann richtig“, heißt es.

Das erste halbe Jahr haben sich aber alle anders vorgestellt. Clubbesitzer*innen und Veranstalter*innen erleben Existenznöte und ein Ende ist noch nicht in Sicht. Die Vienna Club Commission erarbeitet Lösungen und vermittelt. Wir haben uns gefragt, wie es der Vienna Club Commission nun geht, vor welchen Problemen sie stehen, welche Bilanz sie ziehen können und wie die Zukunft aussehen könnte. Martina Brunner und Stefan Niederwieser haben geantwortet.

Gersin Livia Paya: Welche Bilanz könnt ihr zum jetzigen Zeitpunkt ziehen?

Martina Brunner: Noch gibt es Clubs. Das dicke Ende kommt wohl aber, wenn etwa Mieten, die nur gestundet und nicht ausgesetzt wurden, oder Kredite, von denen es geheißen hat, dass sie staatlich gesichert sind, zurückgezahlt werden müssen. Viele Clubs haben keine Reserven, sie können ein Viertel ihrer Fixkosten nicht tragen, schon gar nicht um viele Monate länger als andere Branchen. Für viele Künstler*innen und Mitarbeiter*innen waren die Hilfsfonds viel zu kompliziert, da war es katastrophal, dass Kreative gleich behandelt wurden wie Betriebe. Aber immerhin, es ist Bewegung in die Diskussion gekommen, ob Clubs kulturelle Orte sind, Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer meinte kürzlich im Kulturmontag auf ORF 2: „Die Clubszene ist ein wesentlicher Teil der Kulturszene in Österreich und nicht wegzudenken.“ Das muss jetzt nur konkret werden. Denn gleich gestellt ist sie noch nicht. Wer andererseits eine Bilanz zu unserem ersten Halbjahr haben möchte, kann die gerne in unserem Blog nachlesen.

Vor welchen Problemen steht ihr zur Zeit?

Stefan Niederwieser: Unsere Probleme sind machbar und harmlos im Vergleich zu denen vieler Clubs und Veranstalter*innen. Deren Probleme sind für uns eine Herausforderung.

Vienna Club Commission

Christoph Liebentritt/büro butter

In der Partystadt Berlin sind noch bis Ende Oktober keine Großveranstaltungen erlaubt, an ein Öffnen der Clubs ist noch bis 2021 nicht zu denken, wie ist es hierzulande?

Martina Brunner: Wenn alles nach Plan läuft, können Clubs ab August unter Auflagen aufsperren. Das bedeutet reduziertes Fassungsvermögen, Sektoren, Sicherheitskonzept, Corona-Beauftragter usw. Dazu warten wir allerdings auf die Bestätigung aus dem Ministerium. Ob alles nach Plan läuft, hängt davon ab, wie sich die Infektionszahlen entwickeln. Bizarr wäre jedenfalls, wenn Menschen zwar in Flugzeugen auf engstem Raum sitzen dürfen und in der Oper, aber Clubs nicht mal halbvoll sein dürfen.

Und was bringen die Sperrstunden-Verlängerungen in Österreich wirklich?

Martina Brunner: Wir hätten uns einen Wegfall der Sperrstunde gewünscht. Das würde auf gesundheitlicher, wirtschaftlicher und sozialer Ebene Sinn machen. Privatpartys sind eine schöne Sache, für Contact-Tracing, reichlich Lüftung und Überprüfung von Symptomen können Clubs halt besser sorgen. Auf lange Sicht gäbe es ohne Sperrstunde die typischen Menschentrauben nicht, die nach der Sperrstunde vor Clubs und Bars entstehen.

Wie könnte ein Nachtleben Corona-konform aussehen? Apps wie Freemopod? Hygienemaßnahmen? Neue Formate?

Martina Brunner: Man braucht sich nicht in die Tasche lügen, es wird Ansteckungen geben, solange es keinen Impfstoff gibt. Wichtig ist, dass die begrenzt bleiben. Da ist verlässliches Contact-Tracing sehr wichtig, um allen Bescheid geben zu können, die betroffen sind. Club-Hopping ist da leider auch kontraproduktiv. Und dann gibt es kleine Dinge, die große Wirkung haben können. Personal, das Symptome zeigt, sollte heimgeschickt werden, es braucht Desinfektionsmittel am Eingang, am Klo und an der Bar, Lüftungen sollten auf maximaler Stärke laufen. Neue Formate sind zwar schön, aber Einzellösungen. Wir sprechen uns für Maßnahmen aus, die für möglichst viele funktionieren und effizient sein sollen.

Welche Forderungen könnten helfen, damit illegale Raves die teils außer Kontrolle geraten legal werden könnten?

Stefan Niederwieser: Menschen wollen feiern, sie werden feiern. Das tun sie üblicherweise in Räumen, die dafür geschaffen sind. Wenn Clubs aber geschlossen sind, suchen sie sich dafür andere Orte. Deshalb haben wir schon vor einem Monat ein Paper veröffentlicht, das ein schrittweises Aufsperren von Clubs vorsieht.

Welches Kulturgut hat das Nachtleben?

Stefan Niederwieser: Clubs sind oft Orte, die künstlerisch kuratiertes Programm bieten. Dort spielen Künstler*innen und DJs, die Grooves und Sounds weiterentwickeln, die ästhetisch etwas weiterbringen. Das ist erst einmal eine künstlerische Dimension. Clubs sind außerdem geschützte Orte, die Menschen Raum bieten, um ihre Identität auszuleben, sie zu festigen oder neu zu erfinden, sie formen den Zeitgeist einer Epoche, das ist eine kulturelle Dimension. Und dann finden neben Performances einer Künstler*in oder einer Identität heute auch einfach andere Dinge in Clubs oder auf Veranstaltungen statt, Lesungen etwa, kleine Ausstellungen, Diskussionen, Konzerte oder kleine Festivals statt. Wir sind felsenfest überzeugt, wenn es diese Orte nicht geben würde, würde uns sehr viel fehlen.

Wir diskutieren heute Abend in FM4 Auf Laut!

Der Corona Partysommer: Zu früh gefreut?

Das vergangene Partywochenende endete für einige Menschen statt im Party- im Corona-Fieber: Zuletzt sind die Infektionszahlen wieder angestiegen, nach ersten Lockerungen scheint die vorläufige Feier-Freude bereits wieder ein Ende zu nehmen: Das Coronavirus breitet sich in der Schweiz, in Deutschland und Österreich wieder stärker aus, vor allem im Nachtleben. Innerhalb eines Tages hat sich die Zahl der Neuansteckungen in der Schweiz mehr als verdoppelt. Der „Superspreader-Vorfall“ im Kanton Zürich vergangenes Wochenende zieht zudem weitere Kreise: Ein Mann besuchte einen Club in Zürich und infizierte dort mehrere Menschen mit dem Coronavirus. Über 300 Menschen mussten sich daraufhin in Quarantäne begeben. Was für Partyfreunde und Feierwütige vielleicht nur bedauerlich ist, hat Clubbesitzer*innen und Veranstalter*innen in Existenznöte gebracht – kein Ende in Sicht. In Österreich wurden Lockerungen im Clubbereich vorerst auf Eis gelegt, finanzielle Unterstützung gibt es jedoch auch viel zu wenig, klagen die Bar- und Clubbetreiber*innen und die Veranstalter*innenszene.

Wie soll es aber nun weitergehen? Wie schätzt du die kommenden Monate ein und welche Konsequenzen ziehst du aus den jüngsten Vorfällen? Und wie feierst du?

Alexandra Augustin diskutiert in FM4 Auf Laut gemeinsam mit Veranstalterin Fredi Ferkova und Stefan Niederwieser von der Vienna Club Commission über das Feiern, am Dienstag 7.Juli, ab 21 Uhr.

Ruf uns an und diskutiere mit 0800226996 ist die Nummer ins Studio.

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