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Klimaministin Leonore Gewessler bei einem Interviewtermin

APA/HERBERT NEUBAUER

Interview

Klimaministerin Leonore Gewessler verspricht 1-2-3-Ticket für 2021

Die österreichische Klimapolitik kommt nicht recht vom Fleck. Wie macht sich der Umstand, dass die Grünen Teil der österreichischen Regierung sind, in der Klimapolitik bemerkbar? Wann kommen konkrete Maßnahmen gegen die Klimakrise? Dazu war Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) live im Studio.

Klimaschutz war eines der dominanten Wahlmotive bei der letzten Nationalratswahlen 2019. Die Wähler*innen haben die österreichischen Grünen damals ins Parlament zurückgewählt, und ihnen ein Mandat erteilt, sich für dieses Thema einzusetzen. Österreich ist eines von aktuell nur vier EU-Ländern mit einer grünen Regierungsbeteiligung. Aber wie macht sich dieser Umstand in der österreichischen Klimapolitik bemerkbar?

Darüber haben wir am Freitag, 19.03. 2021, dem Datum des nächsten von Fridays for Future organisierten Weltklimastreiks, mit der ersten grünen Klima- und Umweltministerin, Leonore Gewessler diskutiert.

Das Interview zum Nachlesen

Andreas Gstettner-Brugger: Diese Woche hat eine Studie nachgewiesen, dass die Sommerdürren der vergangenen Jahre in Europa die schlimmsten seit mindestens 2000 Jahren waren. Es wird jedes Jahr heißer und trockener und deshalb protestiert die Klimaschutz-Bewegung Fridays for Future, die heute wieder zu einem weltweiten Klimastreik-Tag aufgerufen hat. Zu diesem Thema ist Klima- und Umweltministerin Leonore Gewessler von den Grünen live bei uns zu Gast. Schön dass Sie zu uns gekommen sind!

Leonore Gewessler: Danke für die Einladung.

Lena Raffetseder: Wir waren heute in Wien beim Klimastreik und haben von dort gleich die erste, sehr konkrete Frage an sie mitgebracht. Nämlich: „Ich habe gehört es gibt keine Umweltverträglichkeitsprüfung für den Ausbau der Autobahn bei Stockerau. Und ich möchte gerne wissen, warum Frau Gewessler oder ihr Ministerium das nicht gemacht hat.“

Leonore Gewessler: Das ist wirklich eine sehr konkrete Frage. Aber weil sie ja direkt vom Protesttag gekommen ist, darf ich zuerst mit einem großen Danke starten. Danke an alle, die sich da engagiert haben, die gezeigt haben, wie wichtig ihnen die Klimaschutzpolitik ist, wie wichtig es ist, dass wir global, in Europa, aber vor allem auch in Österreich weiterkommen. Ich habe wirklich großen Respekt vor dem Engagement und deswegen starte ich mit einem herzlichen Danke. Zur Frage: Tatsächlich haben wir im Ministerium sehr intensiv geprüft, was die geltende Rechtslage hergibt. Und die geltende Rechtslage gibt nicht her, dass es für diese Spurzulegung, um die es da ganz konkret geht, eine UVP benötigt. Das ist aber nur eine Entscheidung über das Verfahren. Das sagt noch nichts aus darüber, ob oder was gebaut wird. Das ist eine ganz wichtige Unterscheidung. Wir müssen uns an die rechtsstaatlichen Verfahren halten. Das gilt beim Bahnausbau wie bei der Straße. Aber was wir bauen, das ist ein Auftrag an die Zukunft. Ob wir Schiene bauen oder Straße bauen, das macht den Unterschied für unser Klima. Und deswegen investieren wir in die Schiene.

Andreas Gstettner-Brugger: Fast 400.000 Menschen haben vergangenes Jahr das Klimavolksbegehren unterschrieben. Die Regierung hat einige der Forderungen letzte Woche im Parlament eingebracht. Dem zufolge sollen neue Gremien geschaffen werden. Für die Organisator*innen vom Klimavolksbegehren sind das erste Schritte, aber vielen fehlen ganz viele der konkreten Maßnahmen: die ökosoziale Steuerreform mit CO2-Besteuerung, ein konkreter Reduktionspfad mit verbindlichen Fristen. Also klare Vorgaben in Gesetzesform. Wann kommt das denn endlich, fragen sich auch die Leute beim Klimastreik?

Leonore Gewessler: Also zuerst einmal möchte ich auch hier mit einem Danke beginnen, weil das Klimavolksbegehren war eine enorm wichtige Initiative. Wir haben letzte Woche im Nationalrat Dinge beschlossen, die sogar noch über das Regierungsprogramm hinausgehen, das hätte es ohne das Klimavolksbegehren nicht gegeben und das zeigt für mich einfach: Engagement wirkt und Engagement zahlt sich aus. Also meine Botschaft an alle: engagiert euch für den Klimaschutz! Wir haben in dem Antrag sehr, sehr viel drinnen. Nicht nur den Klimarat, der mir ganz besonders am Herzen liegt, weil es darum geht, Menschen besser in die Klimapolitik einzubeziehen, wirklich als Akteure und Akteurinnen. Sondern natürlich auch viel an konkreten Maßnahmen, wie auch im Regierungsprogramm. Wir sind in Österreich beim Klimaschutz auf Aufholjagd. Wir haben im ersten Jahr viel davon schon umgesetzt bzw. auf Schiene gebracht. Also vom Öffi-Ausbau, vom Bahn-Ausbau, da können man vielleicht nachher auch noch mehr drüber reden. Aber wir haben ein paar Großprojekte vor und eines der großen Projekte ist die Steuerreform. Und wir haben auch hier schon erste Schritte gemacht. Und jetzt arbeitet man weiter und zwar mit großer Konsequenz. Der CO2-Preis, der klimaschädlichem Verhalten dann einen Preis gibt und klimafreundliches Verhalten günstiger macht, der kommt 2022. Das steht nicht nur im Regierungsprogramm, das sagen der Finanzminister und ich. Also das kommt. Keine Sorge.

Umweltministerin Leonore Gewessler

Radio FM4/Lukas Lottersberger

Lena Raffetseder: Solche Dinge brauchen ja Vorlaufzeit im Parlament. Wenn das 2022 kommen soll, können Sie uns da schon Eckpunkte sagen, wie das in etwa aussehen wird. Da muss es ja schon Konzepte geben, die besprochen werden.

Leonore Gewessler: Wir haben ja einiges von dem, was wir uns im Regierungsprogramm vorgenommen haben, schon gemacht, zum Beispiel die Normverbrauchsabgabe. Da geht es darum, die Steuern beim Neukauf von Autos so zu differenzieren, dass man eher zu einem emissionsfreien, also zum E-Auto, greift oder zu einem mit weniger CO2-Ausstoß. Das haben wir gemacht. Die SUVs, die richtig dicken Autos mit hohem CO2-Ausstoß, werden mehr besteuert. Und E-Autos zahlen zum Beispiel gar keine Normverbrauchsabgabe. Und jetzt bereiten wir die nächsten Schritte vor. Im Ministerium arbeitet man gerade intensiv an der Bepreisung-Seite. Also: Wie wollen wir das in Österreich umsetzen.

Lena Raffetseder: Und wie will man das? So circa?

Leonore Gewessler: Wir arbeiten gerade an zwei Modellen, die es auch europaweit gibt. Bei einem möchte man am bestehenden Steuersystem ansetzen und das andere ist - so wie es Deutschland gerade macht - ein nationales Emissionshandelssystem. Das klingt jetzt wieder enorm technisch, aber das sind einfach zwei unterschiedliche Arten, das Grundkonzept umzusetzen. Dieses Grundkonzept heißt: Auf der einen Seite kriegt CO2 einen Preis, auf der anderen Seite wird klimafreundliches Verhalten günstiger. Ein ökosoziales Steuersystem hat immer zwei Seiten, und für den Preis von CO2 gibt an einen Ausgleich auf der sozialen Seite z.B. über einen Öko-Bonus oder einen Mobilitäts-Bonus. Also gibt es viele Ideen und wir schauen uns gerade ganz genau an, was für Österreich die sinnvollste und gescheiteste Variante ist.

Andreas Gstettner-Brugger: Zum Thema Mobilität hat uns der Clemens angerufen. Hallo Clemens!

Clemens: Hallo! Ja, ich habe eine ganz konkrete Frage. Nämlich nochmal zur ersten Frage heute, also zur Donauuferautobahn. Sie haben ja schon aus rechtlicher Basis korrekterweise argumentiert, warum es keine UVP braucht. Aber was spricht aus Sicht der Klimministerin für einen mehrspurigen Ausbau der Donauuferautobahn?

Leonore Gewessler: Die UVP ist die eine Seite, die andere Seite ist: Was braucht man an Infrastruktur. Dort wo wir Infrastruktur bauen, dort wird sie auch genutzt. Also: baut man mehr Radwege, fahren mehr Radfahrer. Bauen wir die Schiene aus, dann haben wir mehr Menschen, die Bahn fahren. Und bauen wir die Straße aus, dann wird die auch genutzt. Deswegen schauen wir uns jetzt alle Straßenprojekte an, evaluieren das Bauprogramm. Was brauchen wir wirklich? Die Infrastruktur, die wir bauen, entscheidet über die CO2-Emissionen und ob wir im Klimaschutz vorankommen. Nicht nur für Tage und Wochen, sondern für Monate und Jahre und Jahrzehnte.

Clemens: Es war jetzt keine konkrete Antwort auf diese Frage. Aus Ihrer Sicht, sei sie auch persönlich, was spricht dafür, diese Autobahn um zwei bis zu vier Spuren zu erweitern?

Leonore Gewessler: Also wie gesagt, wir schauen uns die Projekte gerade einzeln an. Aber Sie wollen jetzt von einer Klimaschutzministerin eine Argumentation für einen Autobahnausbau? Das habe ich eigentlich noch nie argumentieren müssen [lacht]. Die konkrete Aussage kann ich machen, wenn wir unsere Evaluierung fertig haben. Die werden wir dann auch relativ zeitnah präsentieren. Es gibt bei solchen Projekten natürlich immer unterschiedliche Argumente. Es gibt Menschen, die finden es sinnvoll, aus den verschiedensten Gründen. Es gibt aber auch langfristig Gründe, wie man Infrastruktur baut und wie man in der Infrastruktur umsteuern muss. Und deswegen schauen wir es uns an. Also die konkreten Projekte, da muss ich noch um ein bisschen Geduld bitten.

„Was ich jedenfalls verspreche: Das 1-2-3-Ticket kommt 2021!“

Lena Raffetseder: Julia hat uns geschrieben und will wissen: Wann wird es endlich das 1-2-3-Ticket zu kaufen geben? Und sie will gern das konkrete Monat im Jahr 2021 wissen. Sie sagt, viele Leute warten auf dieses Versprechen der Grünen.

Leonore Gewessler: Ihr könnt ja jetzt alle mein Gesicht nicht sehen, aber bei der Erwähnung des 1-2-3-Tickets kommt mir ein breites Lächeln über die Lippen, weil es wirklich eines meiner absoluten Lieblingsprojekte ist. Was ist das 1-2-3-Ticket, für alle, die es nicht kennen? Wir arbeiten gerade daran, dass man österreichweit mit einem Ticket jeden Bus, jede Straßenbahn, jeden Zug, jede U-Bahn und alles, was es sonst noch an öffentlichen Verkehrsmitteln gibt, nutzen kann. Also in Salzburg in den O-Bus steigen, zum Bahnhof fahren, in Linz aussteigen, dort in den Bus und alles geht mit einem Ticket. Ohne dass man sich einmal überlegen muss, habe ich genug Kleingeld für den Automaten? Wo kriege ich überhaupt eine Karte her? Das klingt jetzt total simpel, ist aber tatsächlich ein Großprojekt und eigentlich wie eine Revolution im öffentlichen Verkehr. In Österreich steht das seit 15 Jahren in Regierungsprogrammen. Was ich jedenfalls verspreche: Das 1-2-3-Ticket kommt 2021! Wir haben Verträge mit vier Bundesländern abgeschlossen. Wir sind mit allen anderen im guten Austausch. Und wenn alle guten Willens sind, dann schaffen wir den Sommer. Ich arbeite hart daran.

Lena Raffetseder: Sie haben gesagt, wenn alle guten Willens sind. Vier Bundesländer sind ja schon dabei, Salzburg, Tirol, Vorarlberg und auch Oberösterreich seit letzter Woche. Gibt es da ein Problem, warum das bei den anderen Bundesländern noch dauert?

Leonore Gewessler: Nein, aber ist es ganz ehrlich ein riesiges Projekt. Der öffentliche Verkehr in Österreich ist relativ komplex organisiert. Für einen Teil ist der Bund zuständig, für den anderen Teil die Länder. Dann gibt es die Verbünde. Es gibt sehr viel Akteure und natürlich sehr viele Fragen, die man klären muss und sehr viele Antworten, die man geben muss. Aber ich habe so das Bild vor mir: Da gibt es einen breiten Weg, da liegen Steine und wir rollen einfach einen nach dem anderen aus dem Weg. Ich glaube, der wichtigste Stein war, dass wir das Budget sichergestellt haben. Das heißt, alle Bundesländer, alle Verbünde brauchen sich keine Sorgen machen. Die Österreich-Stufe übernimmt der Bund zu 100 Prozent und deswegen arbeiten wir jetzt viel an Details mit den einzelnen Verbünden, weil nicht alle schon ein Flächenticket haben. Also ja, das klingt jetzt wieder komplexer als einfach „ein Ticket für alles“, aber es ist tatsächlich ein richtig großes Großprojekt.

Andreas Gstettner-Brugger: Also ein konkretes Monat können wir Ihnen nicht entlocken.

Leonore Gewessler: Ich komme gerne wieder und erzähle es den FM4-Hörern als erstes, sobald es das Monat gibt. Aber wie gesagt, wir arbeiten auf Hochdruck, damit das so schnell wie möglich kommt.

Andreas Gstettner-Brugger: Schiene statt Individualverkehr ist die eine Sache, aber es gibt auch andere Hürden für klimafreundliche Verkehrskonzepte. Österreich ist in der EU eines der Länder mit dem billigsten Diesel. Die Grünen haben das immer kritisiert. In den Plänen für die Steuerreform soll laut unserer Informationen dieses sogenannte Diesel-Privileg erhalten bleiben. Ist das so? Und wenn ja, warum?

Leonore Gewessler: Dann müssen wir öfter direkt reden, weil das Diesel-Privileg ist natürlich Thema. Wir führen mit der Steuerreform zum ersten Mal Umwelt- und Klimaschutz wirklich als tragende Säule im Steuersystem ein. Und wenn man CO2 bepreist, dann muss man in diesem Zusammenhang natürlich auch über das Diesel-Privileg reden. Das ist Teil dieser Diskussion. Dass wir Diesel im Vergleich zu Benzin weniger besteuern führt unter anderem dazu, dass wir relativ viel Tanktourismus haben. Wir haben in Tirol am Brenner zum Beispiel mehr LKW-Fahrten, die durch Österreich gehen, als an allen anderen Alpenquerung gemeinsam. Und viele davon auch deswegen, weil sie wegen des Tankens durch Österreich fahren. Deswegen ist das nicht nur eine Frage vom Steuersystem, sondern eine ganz konkrete Frage, wo Menschen durch den Transit an ihrer Belastungsgrenze sind. Und deswegen müssen wir da auch was tun, das haben wir uns auch im Regierungsprogramm vorgenommen. Erste Schritte haben wir gemacht, aber ja, da muss noch mehr kommen.

Lena Raffetseder: Zum Thema Autofahren hat uns Christian Gratzer vom Verkehrsclub Österreich eine Sprachnachricht zukommen lassen: „Müsste man nicht aus ökologischer und ökonomischer Sicht beim Autobahnausfahrt die Notbremse ziehen?“

Leonore Gewessler: Es führt ein bisschen zurück zur Frage, die wir schon diskutiert haben. Hallo lieber Christian! Wie ich vorher schon erwähnt habe: Was wir bauen bestimmt unser Mobilitäts-System und bestimmt damit unseren CO2-Ausstoß auf Jahrzehnte. Wir arbeiten im Ministerium gerade am sogenannten „Mobilitäts Masterplan“. Das klingt jetzt nicht wahnsinnig aufregend, aber das Dokument soll genau das einlösen, mit einer Perspektive 2040, da will Österreich klimaneutral sein, also im Klimaschutz wirklich nach Vorne kommen. Was braucht man an Infrastruktur, damit das gelingt? Österreich hat schon eines der aller dichtesten Autobahnnetz in Europa. Wir haben von Anfang an deshalb schon den Schwerpunkt auf die Bahn gelegt. Und deswegen haben wir letztes Jahr - und das freut mich persönlich sehr - das größte Bahnausbau-Paket auf den Weg gebracht, das Österreich je gesehen hat.

„Da geht es natürlich nicht nur um Verbindungen zwischen den großen Städten. Wir brauchen öffentliche Mobilität wirklich auch in der Fläche.“

Andreas Gstettner-Brugger: Jetzt rufen hier zwischendurch viele Menschen an, die sagen: Bahn schön und gut, aber am Land? Wie soll das da funktionieren?

Leonore Gewessler: Wir sind das Bahnland Nummer 1 in der EU. Das ist super. Aber das ist kein Ruhekissen. Das ist maximal eine Startpositionen. Das wollen wir noch ausbauen. Da geht es natürlich nicht nur um Verbindungen zwischen den großen Städten. Wir brauchen öffentliche Mobilität wirklich auch in der Fläche. Da gibt es natürlich auch die Bundesländer, die hier viel machen in Richtung Busverkehr, noch zusätzlich. Und ich bin auch immer wieder extrem begeistert, was für wirklich kreative Ideen es gerade auch am Land gibt. Von Carsharing-Projekten zu Anruf-Sammeltaxis, zu Mitfahr-Bankerln. Also es gibt auch für diese letzte Meile oder für den letzten Weg vom Bahnhof in den Ort wirklich viele kreative Konzepte. Auch die wollen wir besser unterstützen.

Andreas Gstettner-Brugger: Es ist schön, dass es so initiative Konzepte gibt. Aber die müssen ja auch politisch durchgesetzt werden. Da braucht es auch Beschlüsse und Regelungen mit ganz klaren Positionen.

Leonore Gewessler: Also was hier Bund und Bundesländer alle eint, ist, dass wir wissen: Der Verkehr ist unser absolutes Sorgenkind in der Klimabilanz. Wenn man sich die CO2-Emissionen anschaut, die sind im Verkehr explodiert in den letzten 30 Jahren, und die hätten stark sinken müssen. Dort haben wir einen großen Handlungsbedarf. Deswegen fördern wir verstärkt und in die dagewesenem Maß alles, was Richtung Radfahren, zu Fuß gehen, Öffi-Mobilität geht. Und deswegen schauen wir dort, wo weiterhin das Auto notwendig ist, dass es sehr rasch in Richtung emissionsfreie, also E-Mobilität geht und haben dort ordentlich aufgestockt. Da sind viele Hebel zu drehen, aber es sind auch viele Ideen und viel Kreativität da, worauf man aufbauen kann. Das ist gut.

Umweltministerin Leonore Gewessler im FM4-Studio

Radio FM4/Lukas Lottersberger

Andreas Gstettner-Brugger: Christian hat uns angerufen. Hallo Christian!

Christian: Guten Tag Frau Minister. Ja, also ich lebe autofrei. Ich wohne in Hallein und wir haben eine super Infrastruktur. Ich kann Bergsteigen gehen, ohne Probleme im Zug und Bus und Sammeltaxis. Aber eigentlich komme ja aus dem Mühlviertel und dort wo ich herkomme ist der nächste Bahnhof 12 Kilometer entfernt. Das einzige, was ausbaut wird ist die S10! Mittlerweile braucht man für die Strecke für die der Zug über eine Stunde braucht im Auto 30 Minuten, manchmal sogar noch weniger. Und letztes Jahr oder vor zwei Jahren ist dann auch noch der Postbus abgedreht worden. Also die Infrastruktur am Land ist immer sehr stark vom Tourismus abhängig. Gibt es da einen Plan, dass man wirklich autofrei am Land leben kann?

Leonore Gewessler: Also erstens einmal Danke für das Engagement und gratuliere! Ich finde es wirklich ganz großartig. Ich komme selber aus einem kleinen Ort und kann mich noch erinnern: Dass man am Abend noch gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln heimkommt ist eine Aufgabe, die nicht immer leicht zu meistern ist. Deswegen Chapeau, dass man das gut organisiert! Die Bundesregierung ist sozusagen für den überregionalen öffentlichen Verkehr zuständig und für ein Grundangebot. Und die Bundesländer machen im Großen die Fläche. Aber wir treffen uns regelmäßig auch mit allen Verkehrslandesräten und -landesrätinnen, denn wir wollen in Österreich auf jeden Fall eine Mindestausstattung an öffentlichen Verkehr für jeden Ort erreichen. Das gilt es jetzt einerseits wirklich gut umzusetzen, da brauchen wir die Bundesländer und deswegen arbeiten wir da auch sehr intensiv gemeinsam. Aber ich glaube, wo Sie oder wo Du vollkommen recht hast ist: Wir brauchen das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln nicht nur in der Stadt. Wir brauchen das auch am Land. Da brauchen wir die Bundesländer an Bord und deswegen müssen wir das gemeinsam entwickeln. Deswegen by the way als eine der Forderungen vom Klimavolksbegehren das Klimakabinett, wo Bund und Bundesländer genau über solche Fragen dann auch wirklich gemeinsam am Tisch diskutieren können.

Christian: Also gibt es vielleicht wieder mal einen Postbus?

Leonore Gewessler: Das nehme ich gleich mit in meine nächste Besprechung nach Oberösterreich.

Andreas Gstettner-Brugger: Im Rahmen der Pandemie ist die AUA gerettet worden. Und dabei wurde auch gesagt, dass es keine Flüge mehr auf Strecken geben soll, die mit der Bahn in weniger als drei Stunden erreicht werden können. Und da ist unsere konkrete Frage: Wie garantieren Sie das?

Leonore Gewessler: Die AUA-Rettung, eine schwierige Entscheidung, lange überlegt. Für mich war von Anfang an klar: Wenn, dann nur mit klaren Klima-Auflagen, für die sich beide Seiten verpflichten. Und gerade bei der Frage der Verlagerung auf die Bahn bei der Kurzstrecke, bei den Kürzest-Strecken, war ganz klar, das ist eine ganz wichtige Forderung. Salzburg-Wien wurde bereits eingestellt. Und wir haben vereinbart, mit dem Ausbau der Infrastruktur sind dann auch Graz und Klagenfurt dran und perspektivisch auch in die Nachbarländer. Den ersten Schritt haben wir gemacht, die nächsten werden folgen. Darauf werde ich pochen und dranbleiben, keine Sorge!

Andreas Gstettner-Brugger: Gibt es einen konkreten Plan, bis wann die Kurzstrecken dann wirklich abgeschafft werden sollen.

Leonore Gewessler: Wir bauen ja parallel an der Infrastruktur. Mit dem Zug zum Langstreckenflug, da müssen wir einfach besser werden. Deswegen sind die nächsten Schritte dann Graz und Klagenfurt mit dem Ausbau der Südbahn.

Lena Raffetseder: Stört Sie das dann, wenn zum Beispiel diese Woche die Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger nach Vorarlberg fliegt?

Leonore Gewessler: Also ich kann jetzt nur für mich antworten. Ich fahre auch nach Vorarlberg mit im Zug, meistens mit dem Nachtzug. Alle, die das immer schon einmal ausprobieren wollten, kann ich nur ermutigen. Ganz toll. Die ÖBB machen da einen großartigen Job und wir investieren auch massiv in die Nachtzüge, damit die noch bequemer und noch angenehmer werden für uns alle.

Lena Raffetseder: Ein anderes Thema, was auch viele beschäftigt hat, war das Thema Heizen. Da hat uns die Anna diese Sprachnachricht geschickt:

Anna: Grüß Sie, Frau Ministerin. Ich wohne in einer Mietwohnung und heize mit zwei uralten Öl-Öfen. Mich würde interessieren, ab wann müssen die getauscht werden? Muss mein Vermieter das organisieren oder ich? Und welches Mitspracherecht habe ich als Mieterin bei der neuen Heizung?

Leonore Gewessler: Also ich bin echt sehr angetan von euren sehr konkreten und sehr engagierten Fragen. Also wir arbeiten gerade - auch hier wieder gemeinsam mit den Bundesländern - an einer konkreten Umsetzung genau dieser Frage. Wir haben in Österreich schon ein Verbot für Ölheizungen im Neubau. Der nächste Schritt wird jetzt bei der Sanierung sein. Also Neubau gilt seit 2020, in der Sanierung soll das dieses Jahr beschlossen werden. Und ab 2025 wollen wir dann, mit den ältesten Ölheizungen beginnend auch noch die Ölheizungen aus dem Bestand rauskriegen. Wir haben gerade beim Heizen super Alternativen von der Biomasse bis zur Wärmepumpe. Also da gibt es einfach ganz viel andere Optionen. Und was treibt die Klimakrise an? Dass wir Öl und Erdgas und Kohle verbrennen. Damit müssen wir aufhören und da sind die Heizungen ein ganz wichtiger Teil. Die konkrete Frage, was macht man als Mieterin und ab wann genau, das erarbeiten wir gerade mit den Ländern gemeinsam mit einer Wärmestrategie. Da haben uns vorgenommen, dass die dieses Jahr fertig wird.

„Eine Krise ersetzt natürlich keine Klimapolitik.“

Andreas Gstettner-Brugger: Viele Fragen drehen sich um Klimaschutz und Auswirkungen der Pandemie. 2020 sind wegen der Pandemie die weltweiten CO2-Emissionen um 6 Prozent gesunken. Wie sollen wir diesen einzigen positiven Effekt von Corona mitnehmen in die Zeit nach der Pandemie? Wir hoffen ja, dass wir nicht mit monatelangen Lockdowns bis 2030 die Emissionen reduzieren werden!

Leonore Gewessler: Eine Krise ersetzt natürlich keine Klimapolitik. Wir brauchen mutige, ambitionierte und sehr konkrete Klimapolitik. Und die braucht es auf allen Ebenen. Gerade gestern war EU-Klimaminister uns -ministerinnenrat. Die EU wird ambitionierter und schärft nach und sagt, wir brauchen mehr CO2-Reduktion bis 2030. Das gilt es jetzt einfach in jedem Gesetz, in jeder Verordnung, in jeder Richtlinie, auf europäischer und auf nationaler Ebene umzusetzen. Das ist ein Marathon und kein Sprint und nicht in einem Jahr erledigt. Es wird jetzt jedes Jahr konkrete Klimaschutzpolitik brauchen. Da werden wir alle gemeinsam ordentlich dranbleiben müssen. Aber gemeinsam kann es gelingen, weil wir wissen, wir kennen die Lösungen. Jetzt geht es ums Tun.

Lena Raffetseder: Wir sind jetzt beim Thema Klimaziele. Die EU hat sich ein neues verpasst mit einem Minus von 55 Prozent beim Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030. Auch Österreich müsste sein Klimaziel nachbessern, von bisher minus 36 Prozent, die mit den bisher gesetzten Maßnahmen außer Reichweite sind. Wenn Österreich seine Klimaziele nicht erreicht, werden Strafzahlungen fällig, das könnten auch 8 Milliarden Euro werden. Wie wollen Sie das noch abwenden?

Leonore Gewessler: Es ist jedenfalls sinnvoller, in den Klimaschutz zu investieren als in Strafzahlungen. Damit schafft man zukunftsfähige Jobs und wir halten die Wertschöpfung im Land. Weil wer montiert Photovoltaikanlage aufs Dach? Die Elektrikerin aus dem Nachbarort. Und wir schaffen Klimaschutz. Das ist einfach ein Zukunftsprogramm und ein Konjunkturprogramm und gerade in der Situation, in der wir jetzt sind, ist genau die richtige Antwort. Wir müssen jetzt jedes Jahr sehr ambitioniert die Maßnahmen umsetzen, die wir uns vorgenommen haben. Und deswegen braucht es nicht nur ein Klimaschutzgesetz, das diese Ziele auch für Österreich festschreiben wird, sondern es braucht all die Maßnahmen, die wir jetzt schon diskutiert haben: Vom Heizungstausch zur Gebäudesanierung, vom Ausbau des öffentlichen Verkehrs zu mehr Radverkehr bis hin zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Große, große Aufgaben, viel zu tun. Fad wird mir nicht.

„Wir müssen auch im Klimaschutz schauen, dass wir nicht Fehler machen oder Fehler aus der Vergangenheit wiederholen.“

Andreas Gstettner-Brugger: Manuel hat uns angerufen. Und ich glaube, da geht es ja auch um erneuerbare Energien.

Manuel: Ja hallo! Ich hätte folgende Frage: So viel ich weiß ist ein Großteil der grünen Bewegung beispielsweise aus der Besetzung der Donauauen, wo ein Kraftwerk gebaut hätte werden sollen, entstanden. Und es ist auch jetzt so, wo die erneuerbaren Energien einen Aufschwung bekommen, dass von vielen Naturschutzorganisationen eigentlich ein massiver Gegenwind kommt. Sei das jetzt die Biomasse zur energetischen Nutzung, seien das Windkraftwerke, weil sie für manche Vogelarten eine Gefahr darstellen. Seien das Photovoltaikanlagen, weil da seltene Materialien dafür gebraucht gebraucht werden. Oder die Wasserkraft, weil sie Wasserläufe aus dem Gleichgewicht bringt und vielleicht für Fische ein Problem darstellt oder für diverseste Lebewesen in den Flüssen und Bächen. Da würde mich interessieren, wie Sie das sehen und wie Sie damit umgehen mit dem großen Gegenwind. Gerade im Moment zum Beispiel macht Greenpeace eine riesen Kampagne gegen die Verwendung von Holz als Brennstoff. Sie sind ja Umweltministerin und Klimaschutzministerin. Wie sehen Sie das?

Leonore Gewessler: Ich glaube, das ist eine enorm wichtige Frage. Wir haben zwei große Krisen, wir haben die Klimakrise, aber wir haben auch eine Krise der Artenvielfalt. Und wir müssen schauen, dass wir die erneuerbaren Energien so ausbauen, dass wir unsere Natur dabei erhalten und vor allem unsere Naturschätze dabei erhalten. Wir haben letzte Woche im Ministerrat unser Gesetz für die Energiewende auf den Weg gebracht: 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien bis 2030, ein Riesenschritt. Ich bin immer sehr vorsichtig mit diesen Superlativen, aber mit diesem Gesetz sind wir wirklich vorne dabei in Europa. Aber wir haben auch in dieses Gesetz eingebaut, dass wir diesen Ausbau naturverträglich machen. Wir müssen auch im Klimaschutz schauen, dass wir nicht Fehler machen oder Fehler aus der Vergangenheit wiederholen. Deswegen gibt es zum Beispiel strenge ökologische Kriterien für die Wasserkraft. Deswegen haben wir bei der Photovoltaik vorgesorgt, dass wir zuerst auf die Dächer kommen, aber dafür in der Freifläche sehr vorsichtig und sehr sorgsam damit umgehen. Deswegen gibt es für die Freifläche weniger Förderung. Das heißt, wir müssen diese beiden Themen einfach miteinander denken. Wo ich aber ein kleines bisschen widersprechen möchte: Ich glaube, die Klimakrise, das sagen alle Umweltorganisationen und auch die Naturschutzorganisationen, das ist eine der zwei großen Herausforderungen unserer Zeit. Da brauchen wir Lösungen. Und erneuerbare Energien sind die Lösung. Es geht nur darum, wie wir sie ausbauen. Deswegen ist mir ganz wichtig, dass wir da auch ständig im Dialog sind um die besten Lösungen gemeinsam zu suchen.

Andreas Gstettner-Brugger: Zum Abschluss noch zum Koalitionsklima zwischen ÖVP und Grüne. Man könnte sagen, das war von Beginn an mehr eine Zweck- als Liebesehe. Manche glauben, nur die Pandemiebekämpfung hält die Regierung zusammen. Und am Klimastreik sind wir gefragt worden, ob den Grünen die Regierungsbeteiligung wichtiger ist als ihre eigenen Werte?

Leonore Gewessler: Eine sehr konkrete
Frage mit einer sehr klaren Antwort: Nein, natürlich nicht. Wir kämpfen in dieser Regierung jeden Tag um das, was uns wichtig ist, um saubere Umwelt, saubere Politik, Menschenrechte. Und gerade aus den ruppigen Zeiten entsteht ja auch sehr Konkretes: Informationsfreiheit, die Glücksspielregulierung. Gerade in den letzten Wochen ist ja auch viel, viel weitergegangen, nicht nur im Klimaschutz.

Lena Raffetseder: Sie waren fünf Jahre lang Geschäftsführerin der Umweltschutzorganisation Global 2000. Wie würde denn die Global 2000 Chefin Leonore Gewessler die Arbeit der Regierung jetzt auf dem Gebiet Klima und Umweltschutz bewerten?

Leonore Gewessler: Was mir sicher aus der Zeit, aus der Zivilgesellschaft bleibt, ist meine Ungeduld. Mir könnte es immer noch ein bisserl schneller gehen. Wenn ich von versuche, von außen drauf zu blicken: Was in einem Jahr gelungen ist, dass uns alle massiv gefordert hat, aufgrund einer Corona Krise, vom größten Klimaschutzbudget zum Bahnausbau, jetzt der Umgang mit dem Volksbegehren, auch auf europäischer Ebene,... Es macht einen Unterschied, mit welcher Ambition und mit welchem Ehrgeiz man Klimapolitik auch auf europäischer Ebene macht. Und insofern ja, die Ungeduld bleibt mir, das aktivistische Herz bleibt mir, es könnte immer noch viel schneller gehen. Aber ich glaube, es ist wirklich gelungen, die ersten Weichen zu stellen. Und das ist gut, weil dringend, weil es geht um diese Jahre jetzt. Wir sind die Generation, die spürt, was die Klimakrise bedeutet. Aber wir sind auch die Generation - und zwar alle gemeinsam, jeder einzelne, der sich engagiert - die das jetzt ändern kann. Und darum geht es. Deswegen mache ich Politik.

Das Gespräch mit Klimaministerin Leonore Gewessler gibt es auch für 7 Tage im FM4 Player. Vielen Dank für eure Fragen!

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