FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Sofía Valdés

Julian Burgueño

Sofía Valdés: Verträumter Indiepop aus Panama

Die 21-jährige Künstlerin aus Panama mixt auf ihren Tracks gitarrenlastigen Pop mit rhythmischen Bossa Nova-Klängen und poetischen Lyrics. Anfang Februar ist ihre EP „Ventura“ erschienen.

Von Melissa Erhardt

Sofía Valdés sitzt in ihrem Kinderzimmer in Panama, als ich sie anrufe. Im Hintergrund: Stofftiere, eingerahmte Fotos ihrer Liebsten und ein großes weißes Bett. Ihre Stimme ist angeschlagen, sie ist verkühlt und hat einen ganzen Tag nichts mehr gesprochen, um zumindest jetzt reden zu können. Die Pandemie hat auch bei ihr Spuren hinterlassen: „Ich hab gerade eine kreative Blockade, das bin ich nicht gewohnt. Normalerweise schreibe ich mehrere Songs in der Woche. Aber jetzt fehlt mir die Balance, ich kann nicht rausgehen, Leute treffen und dann nach Hause gehen und Songs schreiben. Jetzt bin ich die ganze Zeit allein. Keine Ahnung, es ist hart.“

Sofía Valdés

Julian Burgueño

Die EP ‚Ventura‘ von Sofía Valdés ist am 6. Februar bei Warner Records erschienen.

Damit wären wir eigentlich auch schon beim Hauptthema ihrer Musik und der Frage: Was bedeutet eigentlich Zuhause? angelangt. Für die 21-jährige Künstlerin keine leichte Frage. Seit sie 16 ist, wohnt sie nicht mehr bei ihrer Familie in Panama. Zuerst ging sie nach Michigan in die USA, zwei Jahre später nach Liverpool in Großbritannien, um Musik zu studieren und ihr Englisch zu verbessern. Durch die Pandemie musste sie wieder zurück nach Panama.

„Mein Plan war es eigentlich, nach London zu ziehen, aber dann ging das Ganze los. Jetzt gerade zieht mich meine Musik aber auch ein bisschen nach L.A.“, sagt sie im Interview. Auf die Frage, für welchen Ort sie sich entscheiden würde, wenn sie sich einen aussuchen dürfte, sagt Sofía Valdés: „Es ist lustig, dass du das fragst. Ich habe mir nämlich erst letztens gedacht: Ich bin hier nicht wirklich glücklich, ich war in Michigan nicht wirklich glücklich und in Liverpool war ich auch nicht wirklich glücklich. Wo bin ich dann glücklich? Vielleicht liegt’s einfach an mir. In einer perfekten Welt, wo in London ständig die Sonne scheinen würde und meine Familie, meine beste Freundin und mein Freund auf magische Weise auch dort wären – tausend Prozent wäre es dann London.“

Viele Songs ihrer, Anfang Februar erschienenen, EP „Ventura“ drehen sich genau um dieses Dilemma: Das ständige Umziehen und die Struggles, die das mit sich bringt. Einer der größten davon: Man will sich auf niemanden mehr einlassen, weil man eh weiß, dass man wieder geht. Schmerz ist quasi vorprogrammiert. So heißt es auf dem Track Gems:

„Never know if I’m staying here for long, I’m a little deceiving, protecting feelings”

Sofía Valdés dazu: “Der Song ist entstanden, weil ich wieder einmal weiterziehen musste und ich mich auf eine bestimmte Person nicht einlassen wollte. Das hätte nämlich geheißen, dass ich diese Person irgendwann verlassen müsste und es wäre das Gleiche, was immer passiert: Dass ich genug hab von diesen Gefühlen. Aber ich bin erst 21, also sollte ich mich wohl daran gewöhnen. Und natürlich bin ich mit dieser Person zusammengekommen.“

Sofía Valdés

Julian Burgueño

Rhythmische Vorfahren

Auch wenn Sofía Valdés erst 21 ist und bis jetzt nur eine EP herausgebracht hat, ist Musik nichts Neues für sie. Sie selbst hat mit acht Jahren begonnen, Gitarre zu spielen, mit 13 schrieb sie ihre ersten Songs: „Das waren schreckliche Lieder. Mein erster Song handelte von einem Geist in unserem Haus, der Kevin heißt. Bis heute sagen wir, wenn etwas runterfällt oder irgendwas passiert: Das war Kevin!“

Die Musik wurde ihr quasi in die Wiege gelegt, wie es so schön heißt: Ihr Uropa war der bekannte kubanische Säger Miguelito Valdés, ihre Uroma, Silvia de Grasse, war ebenfalls Musikerin und trat unter anderem mit Musikern wie Sammy Davis und Louis Armstrong auf. „Ich lernte meinen Opa nie kennen, aber ich kenne viele verrückte Geschichten. So wurden mein Vater und seine Geschwister eigentlich dazu gezwungen, Instrumente zu lernen. Mein Opa weckte sie um drei Uhr morgens auf, weil er gerade eine Party schmiss, viele berühmte Leute im Haus waren und sie nun mal Live-Musik wollten. Und das an einem Schultag!“

Dass sie selbst nicht auf Spanisch, sondern auf Englisch schreibt und singt ist natürlich gekommen – auch mit dem Gedanken, ihr eigenes Englisch zu verbessern. „Ich hab mich hingesetzt und mich ganz auf die Lyrics von Bob Dylan konzentriert. Vor allem, weil ich versucht habe, Englisch zu verstehen. Als ich mich dann das erste Mal zum Schreiben hinsetzte, war das erste, das rauskam, Englisch – obwohl ich es eigentlich gar nicht konnte.“

Verträumter Indiepop mit viel Gefühl

Durch ihre Neugier für das Englische, dem musikalischen Einfluss ihrer Eltern – ihr Vater hörte viel Norah Jones, The Beatles oder Sarah McLachlan, ihre Mutter „alles was gerade in den Top 40 lief – vor allem Britney Spears und The Black Eyed Peas“ – und ihrem eigenen Geschmack – Feist, Curtis Mayfield und viel Bossa Nova – entstand schließlich ihr eigener Stil: Verträumter Indiepop, angereichert mit rhythmischen Bossa-Nova-Gitarren und ihrer sanften Stimme.

Dass Sofía Valdés es damit in Lateinamerika nicht gerade einfach haben würde, war vorprogrammiert, erzählt sie: „Ich hab immer wieder von Leuten gehört: Klar kannst du es machen, aber hier in Panama hören die Menschen Musik auf Spanisch. Und wenn du in die USA willst, ist das super schwer – allein ein Visum zu bekommen, dann Arbeit zu finden… Aber ich mag dieses Schubladen-Denken nicht, dieses Denken dass ich dieses und jenes Genre machen muss, weil ich aus diesem und jenem Land bin. Ich will mein Ding machen.“

Das Spanische schreibt sie trotzdem nicht ganz ab: „Es ist unglaublich, wie man hier in Lateinamerika auf meine Musik reagiert hat. Es hat mich geschockt, wie viel Support ich von hier bekommen habe und ich will den Menschen hier etwas zurückgeben. Das geht aber nicht von heute auf morgen, Spanisch ist so eine lebendige Sprache, ich muss sie respektieren und mir meine Zeit dafür nehmen.“ Einen Anfang hat sie aber schon gemacht. Erst letzten Freitag ist eine spanische Version ihres Songs ‚Amsterdam‘ rausgekommen, in Zukunft soll es mehr davon geben.

Wir können uns also auf einiges freuen – im Sommer stehen erstmals Festivals an (ja, in den USA finden die tatsächlich statt) und vielleicht gibt es ja schon bald ein erstes Feature. Wenn es nach Sofía Valdés gehen würde, wäre das jedenfalls mit der französischen Künstlerin Angéle oder der Grammy-Gewinnerin und Popstar schlechthin Dua Lipa. Sofía Valdés: „Ich bin wie besessen von denen“.

mehr Musik:

Aktuell: