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ZINN Band

Christian Sundl

Das Wiener Trio ZINN und ihr dystopischer Soundtrack

Mit „s/t“ veröffentlicht die Underground-Truppe ZINN endlich ihr erstes Album. Im Interview erzählen die Musikerinnen von ihrem bandinternen Schwermut, von ehrlichen Texten und ihrem systemkritischen Unmut.

von Michaela Pichler

„Willst nix sein / willst nirgendwo hin/ Da Wind waht / und du waßt / du bist in Wien“

Mit diesen Zeilen hat sich ZINN vor gut einem Jahr in unsere Gehörgänge geschlichen. Damals ist die erste Single „Diogenes“ des Trios erschienen, ein Vorbote auf den dunklen Underground-Rock von ZINN. Vieles der musikalischen Essenz der Band ist in diesem ersten Song schon enthalten: das morbide Wien als Schauplatz und Wahlheimat; das Mantrahafte, das irgendwo zwischen 70s-Nostalgie und Blues-Epos hin und her wabert; und natürlich der Schwermut, der Margarete Wagenhofer, Jasmin Strauss und Lilian Kaufmann bis ins Blut übergegangen scheint.

Der treibende Melancholie-Motor

„Das Schöne an der Melancholie ist ja, dass sie so ein Mix-Wesen ist, es ist ein bissl eine Dualität, eine Mischform aus Depression, aber doch auch Hoffnung!“, meint Margarete Wagenhofer, die Sängerin und Songschreiberin der Band, im FM4-Interview mit Alex Augustin. Melancholie als treibende Kraft im Bandmotor, davon haben Zinn nicht nur ein Lied geschrieben, sondern ein ganzes Album. In den acht Songs geben sich die drei Wahlwienerinnen als Beobachterinnen. In ihren Songs singen sie vom beißenden Wind, von sozialer Kälte und immer wieder von Wien. Manchmal geschieht das auf Englisch, manchmal auf Deutsch. Am ehrlichsten wird aber im Wiener Dialekt erzählt.

ZINN Debüt Cover

ZINN

Das selbstbetitelte Debütalbum von ZINN ist gerade via Numavi Records erschienen. Livestream-Premiere hat das Trio vor kurzem bei der Numavi-Label-Night im ORF Radiokulturhaus gefeiert, mit Kolleg*innen von Baits und Crush.

„Die Wiener schaffen es irgendwie so gut mit dem schwarzen Humor, auch diese Düsterheit nicht ganz so ernst zu nehmen, sondern sie in irgendetwas Sympathisches zu verwandeln", erzählt Wagenhofer im FM4-Interview. Drummerin Lilian Kaufmann fügt hinzu: „Der Dialekt hat auch irgendwie was Ehrliches, wenn man so redet, wie man halt redet und wie einem der Schnabel gewachsen ist.“

Wien hat sich auch am Albumcover verewigt - die drei Musikerinnen wurden vor einer rostroten Wand abgelichtet, im Hintergrund ein dunkles, rundes Fenster, vielleicht ein Eingang ins mystische ZINN-Universum. Aufgenommen wurde das Foto in Döbling im Karl-Marx-Hof, einem der bekanntesten Gemeindebauten der Hauptstadt, ein geschichtsträchtiges Wahrzeichen des Roten Wiens. Davor verrenken Wagenhofer, Strauss und Kaufmann ihre Gliedmaßen, als Jugendstil-Figuren posieren sie in langen Kleidern.

Zwischen den Zeilen von ZINN regnet es popkulturelle Verweise und literarische Anspielungen: Von Ganoven-Geschichten á la Bonny und Clyde wird gemunkelt und Aldous Huxley schleicht sich in die Texte, genauso wie Ray Bradbury mit seinem Roman „Fahrenheit 451“. Irgendwo dazwischen taucht auch noch Elvis auf, wenn es im Song „Shinkansen“ heißt: „Fahrende / fahrende Lichter / ziehen vorbei / Elvis / Elvis / sing / True Love“. Geschrieben wurde der Text in einem dieser superschnellen japanischen Züge, als Wagenhofer mit etwa 500km/h die Welt vorbeiflitzen sieht und mindestens ebenso schnell die Gedanken in einem vorbeirauschen.

Das Innen und das Außen

„Wir versuchen, möglichst viele verschiedene menschliche Begebenheiten einzufangen, zu betrachten und Songs daraus zu machen. Da gehört die Innenperspektive genauso dazu, wie das Außen, die Welt“, so Wagenhofer über die Inhalte am Album. Während die einen Songs introspektiv wirken, beziehen ZINN in manchen Liedern auch ganz klar Stellung, etwa im systemkritischen Track „Wiederholung“, der eine nach unten tretende Politik anprangert. Wo Umstände zu unmenschlichen Zuständen werden, wo sich Turbokapitalismus und Neoliberalismus die ausbeuterische Hand reichen, Kindern die Abschiebung droht und sich der rechtspopulistische Mist wie in Dauerschleife zu wiederholen droht. Bassistin Jasmin Strauss sieht in der sozialpolitischen Agenda der Band eine Notwendigkeit: „Das ist uns drei allen auch ein Anliegen, dass man immer wieder das System hinterfragt, in dem wir eigentlich leben.“

Mit Gitarre, Bass und Schlagzeug setzen ZINN auf klangliche Reduktion. Musikalisch erinnert das an nachdenkliche Kolleg*innen wie Die Heiterkeit oder Rock-Legenden wie Nico und The Velvet Underground, nur eben im Wiener Dialekt. ZINN fangen ihre Beobachtungen der düsteren Welt ein in hypnotische Rock-Songs – damit gelingt ein aktueller Soundtrack zwischen Poesie und Politik, zwischen Literatur und Philosophie.

„Wir drei sind schon Melancholikerinnen, der Weltschmerz ist uns auch nicht fremd. Aber wir sind dabei nicht nur leidend, sondern auch kämpferisch.“

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