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Marc-André Leclerc klettert free solo in Fels und Eis

Polyfilm

„The Alpinist“: Kletterblockbuster auf Gratwanderung

Kletter-Blockbuster haben in den letzten Jahren gewaltige Erfolge gefeiert - beim Publikum und bei Kritiker*innen. „The Alpinist“ springt auf diesen Zug auf, begibt sich dabei aber auf dieselbe gefährliche Gratwanderung wie sein Protagonist Marc-André Leclerc.

Von Simon Welebil

Der Name Marc-André Leclerc ist selbst unter Kletterfans nicht sonderlich bekannt. Das wird sich in den nächsten Wochen wohl ändern, wenn die Blockbuster-Doku „The Alpinist“ über das Leben des kanadischen Alpinisten und Kletterers über die großen Leinwände flimmert.

Dabei hat Marc-André das Rampenlicht nie gesucht. Mit dem Social Media Game, das heutzutage auch Kletter*innen beherrschen müssen, um von ihrem Sport leben zu können, hat er erst recht spät begonnen. Auch das Filmteam, das die Doku macht, ist eher über ihn gestolpert, in einem Blogeintrag, der eine seiner Begehungen festhält, eine sehr schwere Solo-Tour am Cerro Torre in Patagonien. Sie wollten herausfinden, wer dieser unbekannte Kerl ist, der so eine Wahnsinnstour unternommen hat.

Ritterschlag durch Alex Honnold

Dass Marc-André Leclerc aber nicht irgendein 08/15-Kletter ist, wird schon ganz am Beginn des Filmes klar. Aus dem Off hört man Alex Honnold sprechen, einen der ganz großen Kletterstars, der weit über die Szene ausstrahlt, als Protagonist von „Free Solo“ sogar einen Oscar gewonnen hat und etwa auch auf Instagram ein Millionenpublikum findet. Als er von einem Interviewer nach dem Kletterer gefragt wird, der ihn im Moment am meisten beeindrucke, nennt er Leclerc. Aus dem Mund eines der respektiertesten Kletterers ist das quasi ein Ritterschlag.

Diesem Ritter will Regisseur Peter Mortimer, der mit „The Dawn Wall/Durch die Wand“ einen der erfolgreichsten Kletterfilme der letzten Jahre realisiert hat, nun nachjagen. Die Person, die er schließlich findet, überrascht ihn. Der damals 23-jährige Marc-André Leclerc begegnet ihm als schüchterner, verträumter Mann mit Knight-Rider-Gedächtnisfrisur. Als Kletterer ist er aber absolut hungrig nach Abenteuern und intensiven Erlebnissen, die im Solo-Klettern, also dem ungesicherten Klettern ohne Partner*in, seinen Höhepunkt finden, und denen er alles unterordnen kann.

Marc-André Leclerc klettert free solo in Fels und Eis

Polyfilm

„He’s too busy climbing“

Marc willigt in das Filmprojekt ein, lässt das Team aber nicht so nahe an sich ran, wie sie das gehofft hätten. In den zwei Jahren, in denen sie ihn begleiten, taucht er immer wieder ab, um Kletterprojekte zu verwirklichen, und ist für das Filmteam für Wochen oder Monate nicht zu erreichen. Und auf seine Solo-Touren, die sie eigentlich dokumentieren wollten, nimmt er sie prinzipiell nicht mit, weil das sein Erlebnis schmälern würde. Er lässt sie nur hinterher Material aufnehmen.

Doch selbst diese Aufnahmen sind atemberaubend im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn Marc nur an seinen Eisgeräten hängend an einem gefrorenen Wasserfall seine Position wechselt, braucht es im Film keine Musik, um die Spannung zu erhöhen. Nicht nur als Zuschauer*in fällt es oft schwer, solch riskante Aktionen mitanzusehen, auch dem Filmteam sind diese Szenen nicht immer geheuer.

Marc-André Leclerc klettert free solo in Fels und Eis

Polyfilm

Kein Abenteuer ohne Todesrisiko?

Von Squamish in Kanada zieht es Marc-André Leclerc in die hohen alpinen Wände der Rocky Mountains, Alaskas oder Patagoniens. Andere Klettergrößen verorten ihn im Film an der Spitze der Evolution des Alpinismus, äußern aber auch ihre Bedenken ob des großen Risikos, das er eingeht. Auch seine Freundin, die Spitzenkletterin Brette Harrington, deren eigene Leistungen im Film nicht genug gewürdigt werden, macht sich Sorgen über sein stetes Verlangen nach noch mehr Solo-Touren auf einem extremen Level.

Marc selbst geht reagier auf all die Bedenken recht abgeklärt. Er sei sich des Risikos bewusst, aber es sei für ihn nicht unakzeptabel. Schritt für Schritt steigert er seine Unternehmungen und das Filmteam folgt ihm. Dass diese Gratwanderung nicht ewig gut gehen kann, ist abzusehen. Ob er zu viel Risiko eingegangen ist, will sich am Ende niemand eingestehen. Stattdessen holt man sich jede Menge Expertise von außen herein, von eben Alex Honnold bis zu Über-Bergsteiger Reinhold Messner, der versichert, dass ein Abenteuer eben auch Gefahren und Risiken benötige, um als ein solches zu gelten.

Marc-André Leclerc klettert free solo in Fels und Eis

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In gewisser Weise geht es dem Filmteam wie seinem Protagonisten. Jagt Marc-André Leclerc immer einer noch schwierigeren Tour nach, haben die Kletter-Blockbuster der letzten Jahre immer noch extremere Charaktere auf die Leinwand gebracht, von Tommy Caldwell, dessen Bio wohl eine ganze Serie rechtfertigen würde, über den bereits erwähnten furchtbefreiten Alex Honnold zu Leclerc, der ständig seine Dosis Risiko steigern muss. Dass man sich damit auch verstiegen haben könnte, will dann niemand zugeben. Für Diskussionsstoff ist beim Film „The Alpinist“ auf jeden Fall gesorgt.

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