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Alex Honnold klettert free solo

National Geographic

Warum „Free Solo“ einen kritischen Blick verträgt

Der bildgewaltige Kletterfilm „Free Solo“ über den Freeclimber Alex Honnold ist dieses Jahr mit dem Oscar für die beste Dokumentation ausgezeichnet worden. Wie sein Protagonist ist aber auch der Film recht introspektiv.

Von Michael Fiedler

El Capitan – oder kurz „El Cap“ - ist eine Legende: 900 Meter hoch ragt die Granitwand im Yosemite Valley in Kalifornien auf, einige der schwersten und längsten Kletterrouten der Welt sind hier beheimatet, hier wird Klettergeschichte geschrieben: Von der 47 Tage dauernden Erstbesteigung 1958 über die erste freie Begehung der Route „The Nose“ durch Lynn Hill 1993 - eine Leistung, die ihr zehn Jahre lang niemand nachmachen konnte - bis zum Medienereignis der freien Besteigung von „Dawn Wall“ 2015.

„Free Solo“ läuft seit 21.3. in österreichischen Kinos

Alexander Honnold ist Teil dieser Legenden, er kommt jedes Jahr in den Nationalpark, klettert mit den Besten, sucht die nächste Herausforderung. Für ihn ist das die erste Free Solo-Besteigung der Wand - ohne Seil, ohne Gleitschirm am Rücken, ohne jede Sicherung. In Interviews wurde der Free Solo-Spezialist immer wieder gefragt, ob er sich an El Capitan versuchen möchte. „I’ve always been like: No, maybe, we’ll see, Who knows. But in the back of your mind you’re like: Yes! For sure!“

Alex Honnold alleine im finalen Riss der Route mehrere hundert Meter über dem Boden.

National Geographic

Die 1.005 Klettermeter lange „Freerider“ durch den El Capitan

Alex Honnold ist besessen, nicht unbesonnen

Doch der Sportler ist kein unbesonnener Adrenalinjunkie - auch wenn sein Angstzentrum im Gehirn recht inaktiv ist, wie das im Zuge der Filmaufnahmen durchgeführte MRT zeigt. Acht Jahre lang kommt er immer wieder ins Yosemite Valley, checkt die 1.005 Klettermeter der für ihn am geeignetsten scheinenden Route „Freerider“ am Seil aus, beschreibt sie detailliert in Notizbüchern, lernt sie quasi auswendig. „Each year I’m like: This is the year! And each year I climb it and I’m like: This isn’t the year. This is impossible.“ Neben den gewaltigen Bildern ist es auch auch diese rationale Besessenheit, die „Free Solo“ für Kletterlaien sehenswert macht.

Alex Honnold kehrt seinen Van aus.

National Geographic

Der Mann und sein Auto.

„Free Solo“ ist eine Charakterstudie Alexander Honnolds, dem Eigenbrötler, der in seinem Van wohnt und nur fürs Klettern lebt – aber auch der Menschen, die ihn dabei begleiten. Etwa seine Lebensgefährtin Sanni McCandless, die sehr klassisch darum bemüht ist, mit ihrem sich beruflich ständig in Lebensgefahr begebenenden und in sozialer Interaktion unbeholfenen Freund eine Beziehung zu führen. „I tell Alex I love him all the time and he shows me that he loves me all the time. But I also tell him that I also need words of affection. We work on that“, sagt sie in einer bezeichnenden Interviewsequenz.

Männer, die auf Felsen starren

Außer Alex Lebensgefährtin Sanni und seiner Mutter spielen in dem Film Frauen keine Rolle. Während Co-Regisseur Jimmy Chin auch vor der Kamera eine prominenten Rolle einnimmt, kommt Co-Regisseurin Elizabeth Chai Vasarhelyi gar nicht vor.

Eine der stärksten Kletterinnen im Yosemite-Valley ist übrigens Barbara Zangerl, von Alexander Honnold als „The ultimate dark horse in climbing“ bezeichnet.

Die Kameraleute, die Honnold begleitenden und unterstützenden Kletternden, alles Männer. Der Film stellt klar, ohne es auszusprechen: Das ist ein Bubensport, Frauen dürfen unterstützen und sich Sorgen machen. Oder gehen. Für seinen finalen Versuch schickt Alexander Honnold seine Lebensgefährtin weg. Sie wäre nur Ablenkung, und die kann tödlich enden.

Free solo ist ein spektakulärer Film über ein spektakuläres Unterfangen mit spektakulären Bildern – der mehr über die Gesellschaft und den Klettersport aussagt, als er eigentlich möchte.

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