Horoskope für Geld
Eine Kolumne von Todor Ovtcharov
Wen interessiert schon, wie viele Lichtjahre zwischen Alpha und Sigma Centauri liegen, wenn das nicht im Horoskop steht. Wir wohnen nicht auf Sigma Centauri, sondern auf der Erde. Und einige der Klienten von L sind ohnehin überzeugt, dass die Erde flach sei.
Obwohl L ihr Astronomiestudium geschmissen hat, versucht sie, ihre Horoskope so wissenschaftlich wie möglich zu gestalten. Statt „du bist unter einem glücklichen Stern geboren“, sagt sie „deine Welteinstellung ist gefüllt mit Parallaxen. Mit jedem Auge siehst du deine Probleme unterschiedlich und je weiter weg sie sich befinden, desto kleiner ist der Unterschied“.
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Das hört sich intelligent an. Und wenn man hört, dass seine Lebenseinstellung mit Parallaxen gefüllt ist, dann glaubt man, dass man besonders wichtig ist.
Ich frage L, ob sie glaubt, was in ihren Horoskopen steht. Sie antwortet mir nicht eindeutig. Sie pocht lediglich auf unsere kosmische Verbundenheit. Ich nicke nur, denn ich weiß nicht, wie ich das verstehen soll. Akzeptiere ich die kosmische Verbundenheit oder lehne ich sie ab? Meine Lebenseinstellung ist eine einzige Parallaxe, ich schäme mich ein bisschen dafür, aber ich gebe es nicht zu.
Vielleicht liegt das an meinem Sternzeichen. Ich bin Sternzeichen Fische. Man sagt, dass so jemand alles hinterfragt, und wenn man jemand mit diesem Sternzeichen bittet, eine Glühbirne auszutauschen, dann fragt er als erstes „Was ist eine Glühbirne?“ Vielleicht ist Astrologie doch nicht komplett sinnlos. Wobei, ich wage es zu bezweifeln.
Publiziert am 22.06.2022