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APA/AFP/dpa/Christophe Gateau

Was bewirken Rammsteins „Einschüchterungsklagen“?

Der Rammstein-Skandal dreht sich weiter und weiter. Während die Ergebnisse ihrer angekündigten internen Untersuchung noch immer ausständig sind, geht Sänger Till Lindemann auf anderer Ebene in die Offensive, er droht mit Klagen.

Von Simon Welebil

Rammstein-Sänger Till Lindemann hat Ende letzter Woche die berühmten deutschen Medienanwälte Christian Schertz und Simon Bergmann engagiert. Bereits deren erste Aktion für ihren Mandanten sorgt für große Aufregung. In einer Presseerklärung kündigen sie nämlich an, rechtliche Schritte gegen Personen einzuleiten, die behaupten, dass Lindemann Frauen mit K.O.-Tropfen oder Alkohol betäubt hätte, um „sexuelle Handlungen an ihnen vornehmen zu können“. Zudem wollen sie auch gegen Medien vorgehen, die die Unschuldsvermutung gegen Lindemann verletzt hätten.

Die Nordirin Shelby Lynn, die mit einem Social Media Posting erste Missbrauchsvorwürfe gegen Till Lindemann erhoben hat, hat anscheinend schon eine Unterlassungsklage zugestellt bekommen, der sie aber nicht nachkommen will, wie sie gegenüber dem NDR sagt: „"Macht mich bankrott. Ist mir egal. Bringt mich vor Gericht. Ich habe keine Angst. Sie haben viel zu verlieren und eine Menge zu verbergen. Ich habe nichts zu verbergen.“

Doch nicht nur Shelby Lynn hat eine Unterlassungsaufforderung erhalten, ein Berlinger Anwalt hat am Wochenende ein erfolgreiches Crowdfunding gemacht, für eine zweite Person, die von Lindemanns Anwälten mit einer Klage bedroht wird.

Die Klagsdrohungen von Lindemanns Anwälten stoßen auf viel Kritik. Der deutsche Journalistenverband wertet sie als Einschüchterungsversuch und wehrt sich gegen einen „Medienmaulkorb“.

Die österreichische Anwältin Maria Windhager, die sich unter anderem auf Medien- und Persönlichkeitschutzrecht spezialisiert hat, hat bereits viel mit „SLAPP-Klagen“, die der Einschüchterung dienen sollen, zu tun gehabt. Die Einschüchterung sieht sie auch bei dieser Klagsandrohung gegeben, weil sie eine „Schere im Kopf“ auslöse, was man denn noch sagen dürfe, um rechtliche Schritte zu vermeiden.

Rechtsanwältin Maria Windhager, am Donnerstag, 23. Juni 2016, vor Beginn einer öffentlichen VfGH-Verhandlung zur BP-Wahl-Anfechtung der FPÖ in Wien

FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER

Maria Windhager

Im konkreten Fall betrachtet sie die Abmahnung allerdings als „wirklich schräg“, weil nur die Behauptung der Betäubung mit K.O.-Tropfen abgemahnt wird, nicht aber das ganze System drumherum, das Recruiting etc. - was einem halben Geständnis gleichkomme. Auch der Zeitpunkt der Abmahnung komme zu spät, nachdem nahezu alle Medien darüber berichtet haben, und sei deshalb nur mehr ein „vollkommen untauglicher Versuch, das jetzt noch zu bremsen. Es kommt sicher zu spät.“

Dass überhaupt über den Rammstein-Skandal berichtet wird, sei laut Maria Windhager zulässig, auch wenn Lindemanns Anwälte das als „unzulässige Verdachtsberichterstattung“ framen wollen. Denn die Berichterstattung basiere nicht bloß auf Gerüchten, sondern auf einer „substantiierten Verdachtslage“, auf einer Vielzahl sehr konkreter Aussagen und Schilderungen. Aufpassen müssten Journalist*innen aber, dass sie die Unschuldsvermutung nicht verletzten, denn die Schuld einer Person kann nur ein Gericht feststellen. Das treffe auch auf private Social Media Postings zu, denn auch für Social Media gilt das Medienrecht.

Besonders heikel ist die Situation aber für mutmaßliche Opfer, nicht nur, weil es ihren höchstpersönlichen Lebensbereich betrifft. Sie müssen auch Beweise vorlegen können, wenn sie jemand beschuldigen, was bei K.O.-Tropfen bekanntlich schwierig ist - hier steht oft Aussage gegen Aussage. Deshalb erfordere es unglaublichen Mut, an die Öffentlichkeit zu gehen - und im Regelfall führe das auch dazu, dass sich dann andere melden, was die Beweiskraft stärke, so Medienanwältin Windhager. Was sie Betroffenen raten würde, die jetzt wie Shelby Lynn eine Unterlassungsaufforderung und Klagsdrohung zugestellt bekommen?

„Abwarten, nicht reagieren, nicht entsprechen. Ich denke, diese Abmahnungen kommen jetzt eben genau, um diesen Einschüchterungseffekt zu erwirken. Sich nicht davon beeindrucken lassen und einfach sich vernetzen, austauschen und sicherstellen, dass eben möglichst viel unter Beweis gestellt werden kann.“

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