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Film Wolf and Dog

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Drag Queens auf den Azoren

Auf der Azoreninsel São Miguel hat die 1980 in Porto geborene Filmemacherin und Kamerafrau Cláudia Varejão in und mit der lokalen Bevölkerung und queeren Community einen Film über Genderrollen, Tradition und Perspektiven gedreht.

Von Anna Katharina Laggner

„Wolf and Dog“ beginnt mit einem schwarzen Bild und einer Stimme aus dem Off. Diese Stimme spricht vom Mysterium der Gefühle, vom Glück, das in uns allen wohnt, darüber, dass wir nur auf das Meer schauen müssen, denn der Blick nach außen sei der Blick nach innen. Nichtssagendes Geschwafel, denkt man, tausendfach gehört. Aber schon das erste Bild, ein Blick von einer Fähre auf die Wellen des Meeres, stimmt versöhnlich, weil bitteschön: Das stundenlange Schauen aufs Meer zählt sicherlich zur kontemplativsten menschlichen Betätigung. Gleichzeitig gibt die Anfangssequenz die Tonalität des Filmes vor, eine Verbindung von poetisch-melancholischen Dialogen mit sehr schönen Bildern.

Film Wolf and Dog

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Die Hauptfigur Ana wird erst ganz am Ende des Filmes lächeln. Sie ist jung. Das Leben auf der Insel ist geprägt von Katholizismus und Traditionen, Ana lernt früh, dass ihr Platz als Frau die der sich Kümmernden ist. Ihr bester Freund Luis hingegen ist eine dramatisch-barocke Erscheinung, immer geschminkt und mit körperbetonender Kleidung ist er einer, der mit Gender-Rollen spielerisch umgeht. Er werde nie heiraten, und wenn, dann seine Mutter, sagt er. Die, während man aus dem Off den Fernseher hört, ihrem Sohn am Küchentisch die Augen schwarz schminkt.

Apropos Fernseher: Der ist in sämtlichen Wohnräumen, in denen der Film spielt, angeschalten und klingt aus dem Off wie ein Bote aus einer fernen Welt in die Handlung hinein. Dabei vermögen auch die Inhalte des Fernsehens das Dilemma nicht aufzubrechen, dass Binarismus ein Gefängnis ist, wie es ein Protagonist des Filmes formuliert.

Film Wolf and Dog

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„Wolf and Dog“ mäandert zwischen den Schauplätzen und Erzählungen. Der immer weniger werdende Ertrag in der Fischerei, illegaler nächtlicher Kokainhandel, religiöse Prozessionen, an denen auch die lokalen Drag Queens teilnehmen. Und schließlich eine Freundin aus Kanada, mit der Ana die Liebe kennenlernt. Dazwischen erlaubt sich der Film Ausschweifungen ins Absurde, etwa, wenn sämtliche Schüler*innen einer Klasse mit Tiermasken im Unterricht sitzen.

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Immer wieder wirft die Kamera den Blick auf großartige Landschaften und thematisiert, auch durch die Verwendung des engen 4:3-Formats, die Beschränkungen des Insellebens. Die Darsteller*innen im Film sind allesamt Laien. Und sie sind allesamt Charaktere: eine weinende Großmutter, eine Handleserin und allen voran die Drag Queens, die sich in einem Club, während aus dem Off Klaus Nomi singt, zu einem grandiosen Tableau zusammenfügen. „Wolf and Dog“ spielt in Zwischenräumen, auf offenem Meer, am Strand, im Hafen, zwischen den Geschlechtern und zwischen den Generationen, im bläulichen Licht zwischen Tag und Nacht und ist eine Ode an die gewaltfreie Rebellion gegen Normen.

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